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Arbeitsrecht

Fortbildungsvereinbarung / Fortbildungskosten

Vereinbarungen über eine Fortbildung bezwecken im Wesentlichen eine schriftliche Fixierung einer wie auch immer gearteten Aus- oder Weiterbildung des Arbeitnehmers.

Regelmäßig sind solche Vereinbarungen mit einer Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers verbunden. Diese Rückzahlungsverpflichtung soll den Arbeitnehmer dazu anhalten, nach erfolgreichem Abschluss einer Bildungsmaßnahme noch für eine gewisse Zeit bei dem die Ausbildung ganz oder teilweise finanzierenden Arbeitgeber weiter tätig zu sein.

Eine solche Bindung des Arbeitnehmers ist im Grundsatz rechtlich nicht zu beanstanden. Allerdings kontrolliert die Rechtsprechung derartige Abreden insbesondere mit Blick auf Art. 12 GG (Grundgesetz). Dazu dienen auf einfach-rechtlicher Grundlage vor allem §§ 305 ff. BGB (sog. AGB-Klauselkontrolle).

In der Praxis bereiten vor allem Fragen nach der Höchstgrenze der zulässigen Bindungsdauer Probleme. Eine fixe Staffelung gibt es nicht. In der Rechtsprechung hat sich eine Praxis herausgebildet, die die Höchstgrenze der Bindungsdauer in Abhängigkeit zu der Höhe der Bezüge des Arbeitnehmers sieht, die der Arbeitnehmer erhält, ohne dafür Arbeit leisten zu müssen. So kann etwa eine entgeltliche Freistellung des Arbeitnehmers von einem Monat eine Bindungsdauer von bis zu sechs Monaten rechtfertigen. Bei einer Fortbildungsdauer ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung bei Fortgewähr des Arbeitsentgelts von bis zu zwei Monaten kann im Einzelfall auch eine Bindungsdauer von einem Jahr gerechtfertigt sein. Bei drei bis vier Monaten entgeltliche Freistellung steigt die Bindungsdauer dann auf bis zu zwei Jahre, bei sechs Monaten und bis zu einem Jahr entgeltlicher Freistellung kann die Bindungsdauer bis zu drei Jahren betragen, bei mehr als zwei Jahren der Freistellung können auch fünf Jahre Bindung anzuerkennen sein. Letztlich ist das aber immer eine Frage des Einzelfalls (siehe hierzu auch Sasse/Häcker, DB 2014, S. 600 ff.).

In diesem Zusammenhang ist aus der Rechtsprechung u. a. zu beachten:

LAG Hamm, Urt. v. 29.01.2021 – 1 Sa 954/20:

„Die im Kündigungsschreiben des Arbeitnehmers geäußerte Bitte um Erstellung einer Rechnung über Fortbildungskosten, die der Arbeitgeber verauslagt hat, stellt auch in Verbindung mit der Erklärung des Arbeitnehmers, es sei ihm bewusst, dass durch die Weiterbildung und die Vertragsvereinbarung noch Kosten offen seien, ohne Hinzutreten weiterer Umstände kein selbständiges Schuldversprechen oder abstraktes Schuldanerkenntnis i.S.d. §§ 780, 781 BGB dar.

Ist der Arbeitnehmer aus personenbedingten Gründen bis zum Ablauf der Bleibefrist nicht mehr in der Lage, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen, hat er es auch nicht mehr in der Hand, den berechtigten Erwartungen des Arbeitgebers zu entsprechen, die in die Fortbildung getätigten Investitionen nutzen zu können. Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer trotzdem an das Arbeitsverhältnis zu binden, lässt sich nicht an seinem Interesse an einer möglichst langfristigen Nutzung der einmal getätigten Investition festmachen.

Eine Rückzahlungsklausel in einer Fortbildungsvereinbarung muss, um nicht unangemessen benachteiligend im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB zu sein, deshalb u.a. vorsehen, dass die Rückzahlungsverpflichtung auch dann entfällt, wenn das Arbeitsverhältnis aus nicht vom Arbeitnehmer zu vertretenden personenbedingten Gründen, die bis zum Ablauf der Bleibedauer anhalten, vom Arbeitnehmer durch Ausspruch einer Kündigung oder aufgrund einer aus diesen Gründen geschlossenen Auflösungsvereinbarung beendet wird.“

LAG Hamm, Urt. v. 11.10.2019 – 1 Sa 503/19:

„Die ´auf Wunsch des Mitarbeiters´ zurückgehende Beendigung des Arbeitsverhältnisses meint die unterschiedslose Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Eigenkündigung des Arbeitnehmers. Knüpft daran eine Klausel zur Rückzahlung von Fortbildungskosten an, differenziert diese nicht ausreichend und ist unangemessen benachteiligend i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB.“

BAG, Urt. v. 11.12.2018 – 9 AZR 383/18:

„Verpflichtet eine vertragliche Rückzahlungsklausel den Arbeitnehmer dazu, die Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu erstatten, wenn er das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der in der Klausel vorgesehenen Bindungsdauer kündigt, weil er wegen eines ihm nicht im Sinne eines Verschuldens zuzurechnenden dauerhaften Wegfalls seiner medizinischen Tauglichkeit nicht mehr in der Lage ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, kann dies gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstoßen.“

Das LAG Mainz hat mit Urteil vom 03.03.2015 – 8 Sa 561/14 – entschieden, dass die Verpflichtung eines Arbeitnehmers, Fortbildungskosten zurückzuzahlen, diesen unangemessen benachteiligt, wenn die Rückforderungssumme das monatliche Brutto-Einkommen um ein Vielfaches übersteigt und es nur eine grobe jährliche Staffelung der Reduzierung der Rückzahlungspflicht gibt.

BAG, Urt. v. 18.03.2014 – 9 AZR 542/12:

„1. Unterscheidet eine Regelung in einem Fortbildungsvertrag nicht danach, ob der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Sphäre des Arbeitgebers oder der des Arbeitnehmers entstammt, und greift damit ohne Einschränkung auch dann ein, wenn die Kündigung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber (mit-)veranlasst wurde, wird ein Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt.

  1. Die Vorteile der Ausbildung und die Dauer der Bindung müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Wollte oder konnte der Arbeitgeber die durch die Fortbildung erlangte weitere Qualifikation des Arbeitnehmers nicht nutzen, kann der Bleibedruck, den die Dauer der Rückzahlungsverpflichtung auf den Arbeitnehmer ausübt und durch den er in seiner durch Art. 12 GG geschützten Kündigungsfreiheit betroffen wird, nicht gegen ein Interesse des Arbeitgebers an einer möglichst weitgehenden Nutzung der erworbenen Qualifikation des Arbeitnehmers abgewogen werden. Eine Bindungsdauer von drei Jahren ist dann nicht gerechtfertigt.“

BAG, Urt. v. 06.08.2013 – 9 AZR 442/12:

„1. Damit eine Rückzahlungsklausel für Weiterbildungskosten dem Transparenzgebot genügt, muss sie die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für den Arbeitgeber als Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen.
2. Eine Rückzahlungsklausel muss zumindest Art und Berechnungsgrundlagen der ggf. zu erstattenden Kosten angeben, sonst kann der Arbeitnehmer sein Rückzahlungsrisiko nicht ausreichend abschätzen. Erforderlich ist die genaue und abschließende Bezeichnung der einzelnen Positionen (z. B. Lehrgangsgebühren, Fahrt-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten), aus denen sich die Gesamtforderung zusammensetzen soll, und die Angabe, nach welchen Parametern die einzelnen Positionen berechnet werden.“

BAG, Urt. v. 21.08.2012 – 3 AZR 698/10:

„1. Eine Klausel über die Erstattung von Ausbildungskosten genügt dem Transparenzgebot in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nur dann, wenn die entstehenden Kosten dem Grunde und der Höhe nach im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren angegeben sind.

  1. Ist eine Vertragsklausel über die Rückzahlung von Fortbildungskosten wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, hat der Verwender der Klausel regelmäßig keinen Anspruch auf Erstattung der Fortbildungskosten nach §§ 812 ff. BGB.“

LAG Köln, Urt. v. 27.05.2010 – 7 Sa 23/10:

„1. Ein in einem „Vertrag zum kooperativen Studium … mit integrierter Ausbildung ….“ ausbedungener Ausbildungskostenrückzahlungsanspruch, der dann eingreifen soll, wenn der Azubi/Student das ihm nach Abschluss des Studiums angebotene Anschlussarbeitsverhältnis vorzeitig beendet, beinhaltet eine unangemessene Benachteiligung, wenn der Azubi/Student verpflichtet wird, das Angebot eines „seinem Studium entsprechenden Arbeitsplatzes“ anzunehmen, ohne dass die Konditionen des Angebots näher bestimmt sind, diese also auch unangemessen niedrig und nicht marktgerecht sein könnten.

  1. Kosten einer Berufsausbildung i. S. d. Berufsbildungsgesetzes können nicht Gegenstand einer Ausbildungskostenrückzahlungsverpflichtung sein.
  2. Werden in einer Ausbildungskostenrückzahlungsklausel die zurückzuzahlenden Kosten auf einen bestimmten Festbetrag pauschaliert, muss die Zusammensetzung des Betrags transparent gemacht und darüber hinaus dem Studenten die Möglichkeit eingeräumt werden, den Nachweis zu führen, dass tatsächlich nur Kosten in niedrigerer Höhe entstanden sind.
  3. Sind Ausbildungskosten in einer Höhe von allenfalls 33.147,09 EUR nachvollziehbar entstanden, kann ein auf 40.000,00 EUR festgesetzter Rückzahlungsbetrag nicht mehr mit einer zulässigen Pauschalierung erklärt werden.“

ArbG Hamburg, Urt. v. 03.04.2009 – 14 Ca 150/08:

„1. Die Vereinbarung einer Rückerstattung von Studiengebühren ist bei vorzeitigem Ausscheiden für vom Arbeitgeber getragene Ausbildungskosten grundsätzlich zulässig. Dafür muss die Rückzahlungsklausel aber einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB standhalten.

  1. Eine Rückzahlungsklausel für Studiengebühren ist für den Fall, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach erfolgreichem Studienabschluss kein seiner Ausbildung entsprechendes Arbeitsverhältnis anbietet, nur transparent, wenn bei der Vereinbarung der Rückzahlungsvereinbarung zumindest rahmenmäßig bestimmt ist, zu welchen Bedingungen die Berufstätigkeit erfolgen soll.“

Siehe auch unser Muster Fortbildungsvereinbarung.

(Letzte Aktualisierung: 21.04.2021)

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