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Arbeitsrecht

Rüstzeiten

Rüstzeiten umfassen alle Zeiträume während derer ein Arbeitnehmer die eigentliche Arbeit vorbereitet (z. B. Umkleiden, Waschen, Hochfahren eines Rechners usw.). Dazu können auch Zeiten zählen, während derer der Arbeitnehmer einen ursprünglichen Zustand wieder herstellt (z. B. Herunterfahren eines Rechners). Ob Rüstzeiten als vergütungspflichtige Arbeitsleistung einzustufen sind, ist eine Frage des Einzelfalles.

Das BAG hat in diesem Zusammenhang entschieden (BAG, Urt. v. 11.10.2000 – 5 AZR 122/99):

„3. Ob Umkleiden, Waschen und sonstige Rüsttätigkeiten vergütungsrechtlich eine Dienst- oder Arbeitsleistung i.S.v. § 612 Abs. 1 BGB darstellen, ist umstritten. (…) c) Das Bundesarbeitsgericht hat zu der Frage, ob Umkleiden und Waschen „Arbeit“ darstellen, bislang nicht ausdrücklich Stellung genommen. Mit Urteil vom 22. Mai 1980 (- 2 AZR 577/78 – juris) hat es unter kündigungsschutzrechtlichem Aspekt geprüft, ob dem Arbeitnehmer das Umkleiden nach Beginn des durch eine Stempeluhr anzuzeigenden Dienstantritts und vor dem Ausstempeln erlaubt war, weil es zur Arbeitszeit gehörte. Es hat angenommen, darüber entschieden kollektivvertragliche Vereinbarungen oder eine betriebliche Übung. Mit Urteil vom 28. Juli 1994 (- 6 AZR 220/94 – BAGE 77, 285) hat es ausdrücklich offengelassen, ob ein Arbeitnehmer, indem er sich umzieht, bereits „Arbeit“ verrichtet. Es hat aber das vom Arbeitgeber angeordnete Umkleiden jedenfalls als arbeitsvertragliche Verpflichtung angesehen. Da diese nicht „irgendwann und irgendwo“, sondern unmittelbar vor Erreichen des Arbeitsplatzes in einem bestimmten Umkleideraum habe vorgenommen werden müssen, sei dieser Raum zur „Arbeitsstelle“ i.S.d.. § 15 BAT zu zählen; bei deren Erreichen wiederum beginne aufgrund entsprechender weiterer tariflicher Vorgaben die vergütungspflichtige Arbeitszeit. Für den vorliegenden Fall ist dies mangels Geltung des BAT ohne Bedeutung. Im Urteil vom 22. März 1995 ( – 5 AZR 934/93 – a.a.O.) hat der Senat geprüft, ob und inwieweit die Zeit des Umkleidens im Betrieb zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit zu rechnen sei. Zwischen der Frage, ob „Arbeit“ vorliege und ob diese ggf. zu vergüten sei, hat er dabei nicht unterschieden. Wenn das Umkleiden nicht ausdrücklich Inhalt der Arbeitsleistung sei, sondern nur der persönlichen Vorbereitung diene – wie bei dem dortigen Kläger als Koch -, entschieden über die Zugehörigkeit zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit die Verhältnisse im Einzelfall. In erster Linie seien dies die organisatorischen Gegebenheiten des jeweiligen Betriebes und die konkreten Anforderungen an den Arbeitnehmer, wie sie sich aus den betrieblichen Regelungen und Handhabungen tatsächlich ergäben. d) Im Streitfall ist das Umkleiden und Waschen des Klägers als „Arbeit“ anzusehen. Arbeit ist jede Tätigkeit, die der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (BAG 25. April 1962 – 4 AZR 213/61 – AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 6; BAG 8. März 1961 – 4 AZR 71/59 – BAGE 11, 25). Umkleiden und Waschen dienen dann einem fremden Bedürfnis, wenn sie nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfüllen. Das Ankleiden mit vorgeschriebener Dienstkleidung etwa, die zu Hause angelegt und – ohne besonders auffällig zu sein – auch auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann, ist nicht lediglich fremdnützig. Die dafür aufgewendete Zeit ist regelmäßig keine Arbeitszeit im Sinne des § 612 Abs. 1 BGB (…). Anders verhält es sich, wenn die Dienstkleidung notwendig im Betrieb angelegt werden muss, dort nach Beendigung der Tätigkeit zu verbleiben hat und der Arbeitnehmer arbeitsschutzrechtlich ohne sie die Arbeit gar nicht aufnehmen darf. Hier dient das Umkleiden und das Anlegen der vorgeschriebenen Schutzkleidung nicht gleichermaßen einem eigenen Bedürfnis des Arbeitnehmers. Es dient vorwiegend dem fremden Bedürfnis des Arbeitgebers, der den Arbeitnehmer ohne die entsprechende Ausrüstung nicht einsetzen dürfte (…). Der Umstand, dass Arbeitsschutzbestimmungen gerade im gesundheitlichen Interesse der Arbeitnehmer liegen, ist im Rahmen des § 612 Abs. 1 BGB für die Beurteilung der Eigennützigkeit im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ohne Bedeutung. Schon das Umkleiden selbst ist deshalb in solchen Fällen fremdnützig, nicht erst die anschließende Tätigkeit. Eine solche Bewertung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Umkleiden nur eine Vorbereitungshandlung darstellt. Zwar trifft dies zu, doch dient diese ihrerseits allein einem fremden Bedürfnis. Unter den genannten betrieblichen und arbeitsschutzrechtlichen Voraussetzungen gilt das gleiche für das Waschen und Umkleiden nach Beendigung der geschuldeten Tätigkeit. Es ist nicht überzeugend, diese Handlungen gleichsam als Vorbereitung der Freizeit und damit als lediglich einem eigenen Bedürfnis des Arbeitnehmers dienend zu betrachten (…). Sie sind notwendig für die Wiederherstellung des Zustands vor der Tätigkeitsaufnahme und beenden lediglich dessen insgesamt fremdnützige Veränderung. Der Kläger ist arbeitsvertraglich und arbeitsschutzrechtlich verpflichtet, während seiner Tätigkeit als Fahrer und Müllwerker genau vorgeschriebene Schutzkleidung zu tragen, diese nur im Umkleideraum des Betriebes anzulegen, sie nach Tätigkeitsende dort zurückzulassen und sich selbst aus hygienischen Gründen einer gründlichen Körperreinigung zu unterziehen. Umkleiden und Waschen vor und nach der vertraglich geschuldeten Haupttätigkeit sind für ihn fremdnützig und stellen damit „Arbeit“ dar.

4. Die Klageforderung ist gleichwohl nicht begründet. Es fehlt an der weiteren Voraussetzung des § 612 Abs. 1 BGB, dass diese Arbeit den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten war.“

(Letzte Aktualisierung: 21.05.2015)