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Arbeitsrecht

Versetzung

Im Arbeitsrecht versteht man unter einer Versetzung die durch den Arbeitgeber angeordnete Änderung eines Arbeitsplatzes hinsichtlich Ort, Zeit, Umfang oder Inhalt der Arbeit. Maßgeblich für die Frage, ob der Arbeitgeber eine Versetzung aussprechen kann, ist in aller Regel der dem jeweiligen Arbeitsverhältnis zugrundeliegende Arbeitsvertrag. Im Betriebsverfassungsrecht sind die Bestimmungen der §§ 95 Abs. 3, 99 Abs. 1 BetrVG maßgeblich.

Grundlage für eine Versetzung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber bildet in aller Regel der Arbeitsvertrag in Verbindung mit dem sog. Weisungsrecht (auch Direktionsrecht) des Arbeitgebers (§ 106 GewO).

Regelungen über die Versetzung in einem vorformulierten Arbeitsvertrag unterliegen als Allgemeine Geschäftsbedingungen der AGB-Klauselkontrolle (§§ 305 ff. BGB).

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat wie folgt entschieden (BAG, Urt. v. 28.08.2013 – 10 AZR 569/12, veröffentlicht u. a. in DB 2014, 124):

„1. Die Bestimmung eines Orts der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung.
2. Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, so unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 S. 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB.
3. Beruht die Weisung auf einer unternehmerischen Entscheidung, so kommt dieser besonderes Gewicht zu. Eine unternehmerische Entscheidung führt aber nicht dazu, dass die Abwägung mit Interessen des Arbeitnehmers von vornherein ausgeschlossen wäre und sich die Belange des Arbeitnehmers nur in dem vom Arbeitgeber durch die unternehmerische Entscheidung gesetzten Rahmen durchsetzen könnten.“

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein hat in einer Entscheidung vom 26.8.2015 – 3 Sa 157/15 – entschieden, dass Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres an einen weit entfernten Arbeitsort versetzt werden können, auch wenn der Arbeitsvertrag grundsätzlich einer solchen Versetzung nicht entgegenstehe. Der gegen seine Versetzung klagende Arbeitnehmer hat drei schulpflichtige Kinder und hatte auf einer Dauerbaustelle an seinem Wohnort gearbeitet. Der Arbeitgeber versetzte ihn an eine andere, 660 km entfernte Baustelle. Im Arbeitsvertrag war vereinbart, dass der Arbeitnehmer auch auf Baustellen eingesetzt werden könne, die er nicht täglich von seinem Wohnort aus erreichen kann. Der Arbeitnehmer erhob Klage gegen die Versetzung und berief sich dabei darauf, dass der Arbeitgeber verpflichtet sei, auf seine familiären Verhältnisse Rücksicht zu nehmen zu. Er vertrat die Auffassung, dass statt seiner Person andere kinderlose Arbeitnehmer hätten versetzt werden müssen. Das erstinstanzliche Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben. Der Arbeitnehmer obsiegte auch in der Berufungsinstanz vor dem LAG Schleswig-Holstein. Die Versetzung des Arbeitnehmers wurde für unwirksam erklärt. Der Arbeitgeber habe nicht alle Umstände und gegenseitigen Interessen nach billigem Ermessen abgewogen. Zu berücksichtigen seien u.a. die sozialen Lebensverhältnisse und familiären Belange des Arbeitnehmers. Dies gelte auch dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitsort einseitig festlegen darf. Der Arbeitgeber sei verpflichtet gewesen, unter mehreren Arbeitnehmern denjenigen auszuwählen, der weniger schutzwürdig ist. Dies sei hier nicht beachtet worden.

Siehe auch BAG, Urt. v. 30.11.2016 – 10 AZR 11/16 (mit Anm. Vollstädt in DB 2017, 793):

„1. Fehlt es an einer Festlegung des Inhalts oder des Orts der Leistungspflicht im Arbeitsvertrag, ergibt sich der Umfang der Weisungsrechte des Arbeitgebers aus § 106 GewO. Auf die Zulässigkeit eines darüber hinaus vereinbarten Versetzungsvorbehalts kommt es dann nicht an. Weist der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zu, unterliegt dies der Ausübungskontrolle gemäß § 106 S. 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB.

2. Regelmäßiger Arbeitsort einer/eines Flugbegleiterin/Flugbegleiters ist nicht der Flughafen, sondern das Flugzeug. Die organisatorische Zuordnung zu einem konkreten Flughafen und die teilweise Eingliederung in dessen Organisationsstruktur begründen bei ihnen keinen gewöhnlichen Arbeitsort. Die Bestimmung des Einsatzorts legt damit den Ort fest, an dem das fliegende Personal seinen Dienst anzutreten hat.

3. Ein Arbeitsvertrag hat sich im Hinblick auf den Einsatzort nicht dadurch konkretisiert, dass der Arbeitnehmer von dort aus jahrelang tätig gewesen ist. Dies gilt insbesondere, wenn eine den Arbeitsvertrag abändernde Vereinbarung von den Parteien nicht – auch nicht stillschweigend – getroffen wurde. Alleine die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum genügt dafür nicht.

4. Beruht die Weisung auf einer unternehmerischen Entscheidung, so kommt dieser besonderes Gewicht zu. Eine unternehmerische Entscheidung führt aber nicht dazu, dass die Abwägung mit Interessen des Arbeitnehmers von vornherein ausgeschlossen wäre und sich die Belange des Arbeitnehmers nur in dem vom Arbeitgeber durch die unternehmerische Entscheidung gesetzten Rahmen durchsetzen könnten.

5. Eine soziale Auswahl – wie im Fall einer betriebsbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 3 KSchG – findet bei der Versetzung nicht statt. Soweit es auf die Zumutbarkeit des neu zugewiesenen Arbeitsorts ankommt, kann aus den sozialrechtlichen Regeln über die Zumutbarkeit einer Beschäftigung kein belastbarer Maßstab für die arbeitsrechtliche Beurteilung des Ermessensgebrauchs nach § 106 S. 1 GewO, § 315 BGB bei einer Versetzung abgeleitet werden.“

(Letzte Aktualisierung: 11.04.2017)