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Gesundheit / Medizinrecht

Selbstbestimmungsaufklärung (Eingriffsaufklärung)

Die Selbstbestimmungsaufklärung ist gewissermaßen die „Kernaufklärung“ schlechthin. Inhalt und Ziel ist es hierbei, den Patienten in die Lage zu versetzen, den Umfang, den Ablauf und die Tragweite der ärztlichen Behandlungsmaßnahmen zu verstehen und sich unter Beachtung der Tragweite der Unterlassung des Eingriffs für oder gegen die Maßnahme zu entscheiden.

Die Selbstbestimmungsaufklärung ist gesetzlich in § 630e BGB geregelt, findet aber weit mehr Regelungen in der gefestigten Medizinrechtssprechung der Zivilgerichte. Die Selbstbestimmungsaufklärung muss demnach auch die Aufklärung über die Folgen der Nichtbehandlung und insbesondere auch andere Behandlungsalternativen umfassen, wenn solche vorhanden sind (z. B. kombinierte radiologische Behandlung und Chemotherapie statt Operation usw.). Ferner gehört auch eine Verlaufsaufklärung über Art, Umfang und Durchführung der geplanten Behandlung/Operation und eine Risikoaufklärung über die typischen Risiken der geplanten Behandlung bzw. des medizinischen Eingriffs zur Selbstbestimmungsaufklärung.

Zum Umfang der notwendigen Aufklärung bei einer Strahlentherapie im Bereich des Kopfes und Halses sowie zur Frage einer hypothetischen Einwilligung hat das OLG München hat entschieden (Urt. v. 28.02.2013 – 1 U 3933/10):

  1. „Bei einer Strahlentherapie im Bereich des Kopfes und Halses besteht grundsätzlich das Risiko einer Parese. Da eine Parese – sei es in Form eines Querschnitts oder einer Hemiparese – eine äußerst schwerwiegende Belastung der Lebensführung darstellt, ist der Patient auch dann über dieses Risiko aufzuklären, wenn eine derartige Komplikation selten, sehr selten oder äußerst selten auftritt.
  2. Für den Einwand, der Patient hätte auch im hypothetischen Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in den Eingriff eingewilligt, ist der Arzt darlegungs- und beweispflichtig. Allerdings setzt die Beweisführung des Arztes ein plausibles Vorbringen des Patienten voraus, dass er, wäre er vor der Operation vollständig aufgeklärt worden, vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte. Um die Plausibilität eines Entscheidungskonflikts nachvollziehen zu können, muss die persönliche Entscheidungssituation des Patienten berücksichtigt werden. Die Entscheidungssituation des Patienten kann nur dann nachvollzogen werden, wenn feststeht, wie die Aufklärung hätte lauten müssen, insbesondere wie hoch des Risiko des Eintrittes der schwer wiegenden Komplikationen zu bewerten gewesen wäre.
  3. War die Strahlentherapie die einzige kurative Behandlungsmöglichkeit für einen operativ nicht vollständig entfernten Tumor, weil andere Behandlungsmöglichkeiten wie eine Chemotherapie oder andere systemische Maßnahmen nur palliativ wirksam gewesen wären und keine Möglichkeit der Heilung beinhaltet hätten, und kann dem Vorbringen des Patienten entnommen werden, dass er vorhandene Heilungschancen nutzen wollte und kurative Therapien nicht von vornherein abgelehnt hat, ist davon auszugehen, dass der Patient auch bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung über die Behandlungsrisiken der Strahlentherapie zugestimmt hätte.“

(Letzte Aktualisierung: 29.07.2013)