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Arbeitsrecht

Bereitschaftsdienste (MiLoG)

Das Arbeitsgericht (ArbG) Hamburg hat im Leitsatz wie folgt entschieden (ArbG Hamburg, Urt. v. 02.03.2016 – 27 Ca 443/15):

„1. Bereitschaftsdienste unterfallen § 1 MiLoG.

2. Für die Einhaltung des Mindestlohns kommt es auf die im Abrechnungszeitraum nach § 2 Abs. 1 MiLoG gezahlte Vergütung sowie die geleisteten Stunden an. Werden in einem Monat sowohl Vollarbeit als auch Bereitschaftsdienste erbracht, muss im Monatsdurchschnitt der Mindestlohn pro Stunde erreicht werden. Unerheblich ist dabei, ob ein Tarifvertrag für den Bereitschaftsdienst eine Stundenvergütung vorsieht, die für sich gesehen die Grenze des § 1 Abs. 2 MiLoG nicht erreicht.“

Ergänzende Hinweise

Das ArbG vertritt einen umstrittenen Standpunkt. Derzeit kann nicht sicher gesagt werden, ob sich die Rechtsauffassung des Gerichts wird durchsetzen. In den Entscheidungsgründen heißt es wie folgt:

„Dem Kläger kann allerdings nicht entgegen gehalten werden, dass Bereitschaftsdienste bereits nicht von § 1 MiLoG erfasst würden. Ob Bereitschaftszeit als Arbeitszeit im Sinne des MiLoG gilt, ist weder im Gesetz ausdrücklich geregelt noch höchstrichterlich entschieden. Gegen die Einordnung von Bereitschaftszeit als Arbeitszeit wird angeführt, dass ein Stufenverhältnis zur Vollarbeit bestünde, wobei das MiLoG nur „Arbeitsleistung“ und damit keine „Bereitschaftsruhe- oder Bereithaltezeiten“ umfasse (…). Sinn und Zweck des MiLoG sei es, wie man § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 MiLoG entnehmen könne, „erbrachte Arbeitsleistung“ zu vergüten (…). Diese Auffassung ist insoweit jedoch nicht überzeugend. Sowohl Arbeitsbereitschaft als auch Bereitschaftsdienst sind nach dem MiLoG zu vergüten (…). Entscheidend für die Anwendbarkeit des MiLoG ist nicht die Intensität der Arbeit, mit welcher der Arbeitgeber den Arbeitnehmer betraut, sondern die Disponibilität der Zeit aus Arbeitnehmersicht. Insoweit ist die Rechtsprechung des BAG zum Mindestentgelt in der Pflegebranche übertragbar. Danach zählt nicht nur jede Tätigkeit zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient, sondern auch eine vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz oder einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann, er also weder eine Pause (§ 4 ArbZG) noch Freizeit hat (…). Bei der Bereitschaftszeit muss sich der Arbeitnehmer regelmäßig vor Ort aufhalten und ist insoweit eingeschränkt in seiner Lebensgestaltung und hat gerade keine absolute Freizeit. Er kann weder über seine Zeit, den Aufenthaltsort oder seine Arbeitskraft verfügen, sodass es sich nicht nur um Arbeitszeit im Sinne des ArbZG, sondern auch um solche Sinne des MiLoG handelt. Soweit in der Literatur vertreten wird, man könne die Regelungen des ArbZG wegen eines anderen Schutzzweckes nicht auf das MiLoG übertragen, sondern müsse auf das synallagmatische Austauschverhältnis, also Leistung und Gegenleistung, abstellen (…), ergibt sich für die Bereitschaftszeit kein anderes Ergebnis. Solange sich der Arbeitnehmer infolge des ausgeübten Direktionsrechts des Arbeitgebers für einen vorgegebenen Zeitraum an einem vorgegebenen Ort aufhalten muss und der tatsächliche Arbeitsanfall vom Zufall abhängt, besteht ein synallagmatisches Austauschverhältnis. Im Ergebnis handelt es sich dann um nach dem MiLoG zu vergütende Arbeitszeit. Vom gesetzgeberischen Standpunk (BT-Drs. 18/1558, S. 28) erscheint es zumindest unwahrscheinlich, dass Arbeitnehmer, die ausschließlich oder weit überwiegend in Bereitschaftsdiensten tätig sind, also im Rahmen einer Vollzeitstelle nicht über ihre Zeit als Frei- oder anderweitige Arbeitszeit verfügen können, vom Gesetzeszweck der Sicherung eines pauschaliertes Existenzminimum als Monatseinkommen ausgenommen werden sollen. Soweit darauf abgestellt wird, dass es sich bei dem Bereitschaftsdienst um eine andere Leistung als die eigentlich vertraglich geschuldete handelt, vermag auch dieses Argument nicht zu überzeugen. Für die Anwendung des MiLoG kann es nicht maßgeblich sein, welche Arbeitsleistung erbracht wird, solange diese im Rahmen einer vertraglich geregelten Austauschbeziehung erbracht wird. Entsprechend ist das BAG zu dem Ergebnis gekommen, dass Bereitschaftsdienste dem Mindestlohn der Pflegebranche unterfallen und grundsätzlich geringer vergütet werden können als Vollarbeit, jedoch nur soweit eine gesonderte Vergütungsregelung besteht (…). Eine solche gesonderte Vergütungsregelung hat der Gesetzgeber erst mit der „Zweiten Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche“ vom 27.11.2014 geschaffen. Eine solche gesonderte Vergütungsregelung enthält das MiLoG hingegen nicht, sodass kein Unterschied zu machen ist, ob Vollarbeit oder aber Bereitschaftsdienst zu vergüten ist.“

Zudem hat das BAG hat mit Urteil vom 29.6.2016 – 5 AZR 716/15 – entschieden, dass der gesetzliche Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) für jede geleistete Arbeitsstunde zu zahlen ist und zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit auch so genannte Bereitschaftszeiten zählen. Allein die Tatsache, dass der Arbeitnehmer während solcher Zeiten nicht ununterbrochen Arbeit leistet, rechtfertigt nach Meinung des BAG keine Vergütung unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns von aktuell 8,50 EUR je Zeitstunde.

(Letzte Aktualisierung: 06.07.2016)

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