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Arbeitsrecht

Kleinbetrieb

Der Begriff „Kleinbetrieb“ hat im Arbeitsrecht mehrfach eine große Bedeutung. Zu beachten ist, dass der Begriff nicht einheitlich verwendet wird. Maßgeblich ist zwar immer eine bestimmte Zahl regelmäßig beschäftigter Arbeitnehmer, allerdings verwendet der Gesetzgeber im Rahmen von so genannten Kleinbetriebsklauseln unterschiedlich Rechengrößen.

Eine Kleinbetriebsklausel findet sich beispielsweise in § 15 Abs. 7 Nr. 1 BEEG, in § 8 Abs. 7 TzBfG und in § 23 KSchG. Letzterer Bestimmung kommt eine besonders große Bedeutung zu. Liegt kein Kleinbetrieb im Sinne des § 23 KSchG vor und besteht das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Zugangs der arbeitgeberseitigen Kündigung länger als sechs Monate, bedarf jede ordentliche, d. h. fristgemäße Kündigung des Arbeitgebers einer sozialen Rechtfertigung (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 KSchG).

Die Frage, ob ein Kleinbetrieb im Sinne des § 23 KSchG vorliegt oder nicht, lässt sich nur in zwei Fällen recht einfach klären. Sind in dem betreffenden Betrieb regelmäßig nicht mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt, gilt das KSchG nicht; sind regelmäßig mehr als zehn beschäftigt, ist das KSchG einschlägig. Schwierig stellt sich die Situation in solchen Betrieben dar, in denen mehr als fünf, aber nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden. In diesen Betrieben ist zwischen sog. „Alt-Arbeitnehmern“ und sog. „Neu-Arbeitnehmern“ zu unterscheiden. Alt-Arbeitnehmer sind solche, die zum 31.12.2003 bereits beschäftigt waren und immer noch beschäftigt sind, Neu-Arbeitnehmer sind jene, die erst nach dem 31.12.2003 eingestellt wurden. Neu-Arbeitnehmer unterfallen in Betrieben mit mehr als fünf, aber nicht mehr als zehn Arbeitnehmern nicht dem KSchG, weil für diesen Kreis von Beschäftigten 2003 bzw. 2004 die Grenze auf mehr als zehn Arbeitnehmer angehoben wurde. Bei den Alt-Arbeitnehmern stellt sich dies anders dar. Hier ist das KSchG (unverändert) anwendbar, soweit es mehr als fünf Alt-Arbeitnehmer gibt. Aus diesem Grunde ist für jeden Betrieb zu fragen, seit wann welcher Arbeitnehmer – ggf. mit wie vielen Arbeitnehmern gemeinsam – tätig ist. Im Einzelfall kann der Umstand entscheiden, Alt-Arbeitnehmer oder Neu-Arbeitnehmer zu sein. Im Hinblick auf den Kleinbetrieb kommt es mithin ganz wesentlich auf die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer an. Zu diesen zählen u. a.

  • der zu kündigende Arbeitnehmer,
  • ein etwaig angestellter (Ehe-)Partner,
  • erkrankte Arbeitnehmer,
  • die angestellte Reinigungskraft,
  • Arbeitnehmer in Elternzeit,
  • 450-Euro-Kräfte,
  • Teilzeitbeschäftigte, wobei zu beachten ist, dass derartige Kräfte bei einer Wochenarbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 Stunden und bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von regelmäßig nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 gezählt werden.

Zu beachten ist, dass Auszubildende und Praktikanten nicht mitzuzählen sind. Das gleiche gilt für Inhaber sowie Geschäftsführer, welche rechtlich als Organ(e) der betreffenden Gesellschaften zu betrachten sind.

LAG Hamm, Urt. v. 12.01.2018 – 1 Sa 1347/17 (Gemeinschaftsbetrieb):

„So beschäftigt die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag mindestens 7 vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Darüber hinaus sind die ebenfalls vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmerinnen C S und B S1, der vollzeitbeschäftige Arbeitnehmer I C1 und die teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmerin E mitzuzählen, diese nach § 23 Abs. 1 S. 4 mit einem Arbeitskraftanteil von mindestens 0,5. Es ist in diesem Zusammenhang bedeutungslos, dass diese Arbeitnehmerinnen sowie dieser Arbeitnehmer nicht in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten stehen, sondern ein solches mit dem Einzelunternehmen K S abgeschlossen haben. Ohne Relevanz ist ferner, dass zwischen der Inhaberin der Beklagten und dem Inhaber der Einzelfirma K S sowie den Arbeitnehmerinnen C S und B S1 eine familiäre Beziehung besteht. Gleichermaßen ohne Bedeutung ist es, mit welchem tatsächlichen Arbeitskraftanteil die in einem Arbeitsverhältnis zum Vertragsarbeitgeber K S stehenden Arbeitnehmer Arbeiten für die Beklagte erledigen. Da die Beklagte gemeinsam mit der Einzelfirma K S einen Gemeinschaftsbetrieb unterhält, ist für die kündigungsschutzrechtliche Betrachtung darauf abzustellend, wie viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dieser Gemeinschaftsbetrieb beschäftigt.

aa) Nach ständiger arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung liegt ein Gemeinschaftsbetrieb dann vor, wenn sich zwei oder mehrere Unternehmen zur gemeinsamen Führung eines Betriebs – zumindest konkludent – rechtlich dergestalt verbunden haben, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird. Dies setzt voraus, dass ein einheitlicher betriebsbezogenen Leitungsapparat gegeben ist (…).

Dabei ist zu sehen, dass zwei oder mehr Unternehmen nicht alleine deshalb einen Gemeinschaftsbetrieb unterhalten, weil sie ihrer jeweiligen Unternehmungen in denselben Räumlichkeiten und unter Verwendung derselben sächlichen Mittel betreiben. Wenn auch eine solche Nutzung von räumlichen und sächlichen Betriebsmitteln für die Annahme eines gemeinsamen Betriebes sprechen kann, bleibt es dennoch bei selbständigen Betrieben, wenn jedes der beteiligten Unternehmen seinen eigenen Betriebszweck unabhängig von dem des anderen verfolgt (…). Ein Gemeinschaftsbetrieb ist erst dann anzunehmen, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst sind und geordnet sowie gezielt eingesetzt werden. Nur dann, wenn der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat betriebsbezogen gesteuert wird und so die Unternehmen im Rahmen einer gemeinsamen Arbeitsorganisation unter einer einheitlichen Leitungsmacht identische oder auch verschiedene arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgen, kann davon ausgegangen werden, dass ein gemeinsamer Betrieb gegeben ist (…).“

LAG Köln, Urt. v. 12.10.2017 – 7 Sa 68/17:

„1. Die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes hat der Arbeitnehmer, der sich auf das Kündigungsschutzgesetz berufen möchte, darzulegen und im Streitfalle zu beweisen. Dies gilt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch für die Darlegung und den Nachweis einer hinreichenden Mindestbeschäftigtenzahl im Sinne von § 23 Abs. 1 KSchG (…).

Dabei sind auch nach Auffassung des BAG keine unzumutbar strengen Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitnehmers zu stellen. Vielmehr genügt der Arbeitnehmer regelmäßig schon dann seiner primären Darlegungslast, wenn er schlüssig vorträgt, dass zum Zeitpunkt der Kündigung mehr als 10 Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt wurden. Dazu muss er die Personen und ihre Tätigkeiten konkret benennen (…). Schlüssig kann der Vortrag des Arbeitnehmers dabei nur dann genannt werden, wenn daraus zu entnehmen ist, dass die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 KSchG tatsächlich vorliegen, also dass es sich jeweils um Arbeitnehmer des Betriebes (und nicht etwa Mitarbeiter von Fremdfirmen, Leiharbeitnehmer, Praktikanten o.ä.) handelt, die zu dem Personenkreis der nach § 23 Abs. 1 KSchG mitzählenden Beschäftigten gehören (also keine Azubis, Geschäftsführer o.ä.). Schließlich ist auch eine Differenzierung nach dem Umfang der Tätigkeit (Vollzeit oder Teilzeit) vorzunehmen, da § 23 Abs. 1 KSchG ebenfalls danach differenziert.

Lediglich dann, wenn der Arbeitnehmer mangels eigener Kenntnismöglichkeit nicht in der Lage ist, seiner Darlegungslast nachzukommen, genügt zunächst die bloße Behauptung, der Arbeitgeber beschäftige mehr als 10 Mitarbeiter (…).

2. Die Klägerin hat in der ersten Instanz, nachdem die Beklagte sich in der Klageerwiderung darauf berufen hatte, einen sog. Kleinbetrieb im Sinne von § 23 Abs. 1 KSchG zu führen, nichts weiter zur Mindestbeschäftigtenzahl nach § 23 Abs. 1 KSchG vorgetragen. Dies wiegt umso schwerer, als das Arbeitsgericht sie unter dem 03.11.2017 sogar noch auf die Notwendigkeit eines solchen Vortrags hingewiesen hatte. Dabei hat die Klägerin sich auch nicht etwa darauf berufen, dass sie wegen fehlender eigener Kenntnismöglichkeiten keinen weiteren konkretisierten Sachvortrag leisten könne.

3. Auch in der Berufungsbegründung hat die Klägerin sodann den notwendigen schlüssigen Sachvortrag zu den Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 KSchG nicht nachgeholt.

a. Die bloße Auflistung von 32 Namen (einschließlich der Klägerin selbst) genügt den Anforderungen an einen, wie oben skizziert, schlüssigen Sachvortrag zu § 23 Abs. 1 KSchG ersichtlich nicht. So hatte die Klägerin während des gesamten Rechtsstreits schon nicht einmal vorgetragen, in welcher Branche der Betrieb der Beklagten überhaupt angesiedelt ist und mit welcher Art von Tätigkeiten sich der Betrieb befasst. Ferner geht aus dem Sachvortrag der Klägerin nicht einmal hervor, an welcher Stelle der Betriebsorganisation sie selbst als „Bürokauffrau“ welche Art von Tätigkeiten zu verrichten hatte. Dem Sachvortrag der Klägerin lässt sich nicht einmal zweifelsfrei entnehmen, ob sie selbst als Vollzeitkraft oder als Teilzeitbeschäftigte eingesetzt wurde. Erst recht vermag sich das Gericht aus der in der Berufungsbegründung enthaltenen Namensliste auch nicht ansatzweise ein Bild darüber zu machen, in welcher Beziehung die von der Klägerin aufgeführten Namen zum Betrieb der Beklagten standen und ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie nach Art und Umfang ihrer Tätigkeit im Betrieb als mitzählende Arbeitnehmer im Sinne des § 23 Abs. 1 KSchG angesehen werden könnten.

b. Ein auch nur moderaten Mindestanforderungen an die Darlegungslast der Klägerin zu § 23 Abs. 1 KSchG gerecht werdender Sachvortrag kann daher in der in der Berufungsbegründung enthaltenen Namensliste nicht gesehen werden. Dabei hat die Klägerin einen die Mindestanforderungen an eine Konkretisierung erfüllenden Sachvortrag auch nicht etwa durch die Darlegung ersetzt, dass ihr aus besonderen tatsächlichen Gründen keine Wahrnehmungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten, die zur notwendigen Konkretisierung erforderlich gewesen wären. Solche Schwierigkeiten sind auch objektiv nicht ersichtlich, da es sich bei dem Betrieb der Beklagten offenbar um eine stationäre Einrichtung handelte, in welcher die Klägerin selbst einen – wie auch immer gearteten – Bürojob versah.

c. Hinzukommt, dass selbst die vorgelegte und in keiner Weise näher erläuterte Namensliste im Hinblick auf § 23 Abs. 1 KSchG schon Unstimmigkeiten erkennen lässt. So ist in ihr z. B. auch der Name des im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bei der Beklagten fungierenden GmbH-Geschäftsführers M W enthalten. Ferner ergibt sich aus dem nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin vom 12.10.2017, dass die Liste auch die Namen von mindestens vier nach § 23 Abs. 1 KSchG nicht mitzählenden Auszubildenden enthält.

d. Da die Klägerin somit auch in der Berufungsinstanz die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nicht schlüssig dargelegt hat und keine außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes liegenden Einwände gegen die streitige Kündigung vorgebracht hat, konnte die Berufung keinen Erfolg haben.“

ArbG Neubrandenburg, Urt. v. 14.09.2017 – 4 Ca 414/17:

„Das Kündigungsschutzgesetz finden gemäß § 24 Abs. 1 S. 3 KSchG keine Anwendung in Betrieben, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten beschäftigt werden. Bei der Feststellung der Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer ist ein Rückblick auf die bisherige personelle Stärke des Betriebes und eine Einschätzung der zukünftigen Entwicklung im konkreten Streitfall erforderlich (…).

BAG, Urt. v. 02.03.2017 – 2 AZR 427/16:

„1. Für das Überschreiten des Schwellenwertes gem. § 23 Abs. 1 S 2 bzw. S 3 KSchG trägt der Arbeitnehmer die Beweislast. Einer größeren Sachnähe des Arbeitgebers und etwaigen Beweisschwierigkeiten des Arbeitnehmers ist durch eine abgestufte Darlegungslast Rechnung zu tragen.

2. Die einen Betrieb i.S.d. § 23 KSchG konstituierende Leitungsmacht wird dadurch bestimmt, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten von derselben institutionalisierten Leitung im Wesentlichen selbstständig ausgeübt wird. Entscheidend ist, wo schwerpunktmäßig über Arbeitsbedingungen und Organisationsfragen entschieden wird und in welcher Weise Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen vorgenommen werden. Entsprechend der Unterscheidung zwischen „Betrieb“ und „Unternehmen“ in § 1 Abs. 1 KSchG ist der Betriebsbegriff auch in § 23 Abs. 1 KSchG nicht mit dem des Unternehmens gleichzusetzen.

3. Der Betriebsbezug des § 23 Abs. 1 KSchG ist verfassungsrechtlich unbedenklich, solange dadurch nicht angesichts der vom Arbeitgeber geschaffenen konkreten Organisation die gesetzgeberischen Erwägungen für die Privilegierung von Kleinbetrieben bei verständiger Betrachtung ins Leere gehen und die Bestimmung des Betriebsbegriffs nach herkömmlicher Definition zu einer sachwidrigen Ungleichbehandlung betroffener Arbeitnehmer führt. Die Durchbrechung des Betriebsbezugs des Schwellenwerts ist demnach nicht schon immer dann geboten, wenn sich das Unternehmen zwar in mehrere kleine, organisatorisch verselbständigte Einheiten gliedert, insgesamt aber mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt.“

BAG, Urt. v. 19.07.2016 – 2 AZR 468/15, DB 2016, 2362:

„1. Arbeitnehmer zählen für die Bestimmung der Betriebsgröße i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG nur mit, wenn sie in die betriebliche Struktur eingebunden sind. Dafür ist erforderlich, dass sie ihre Tätigkeit für diesen Betrieb erbringen und die Weisungen zu ihrer Durchführung im Wesentlichen von dort erhalten. Gelegentliche Besuche eines Betriebs in einem Unternehmen mit mehreren Betriebsstätten im Rahmen von Meetings und Präsentationen reichen für eine Einbindung in den Betrieb nicht aus.

2. § 23 Abs. 1 KSchG stellt weiterhin auf die Betriebs- und nicht auf die Unternehmensgröße ab. Dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich, solange dadurch nicht angesichts der vom Arbeitgeber geschaffenen konkreten Organisation die gesetzgeberischen Erwägungen für die Privilegierung des Kleinbetriebs bei verständiger Betrachtung ins Leere gehen und die Bestimmung des Betriebsbegriffs nach herkömmlicher Definition zu einer sachwidrigen Ungleichbehandlung betroffener Arbeitnehmer führte. Der Betriebsbezug des Schwellenwerts ist demnach nicht schon immer dann zu durchbrechen, wenn sich das Unternehmen zwar in mehrere kleine, organisatorisch verselbständigte Einheiten gliedert, insgesamt aber mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt.“

(Letzte Aktualisierung: 30.12.2019)