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Arbeitsrecht

Weiterbeschäftigungsanspruch

Bei einem Weiterbeschäftigungsanspruch handelt es sich um einen Anspruch des Arbeitnehmers, der darauf gerichtet ist, dass der Arbeitnehmer während eines Prozesses über den Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum rechtskräftigen Abschluss des gerichtlichen Verfahrens weiterbeschäftigt wird.

Man unterscheidet zwei Arten des Weiterbeschäftigungsanspruchs: Es gibt einen gesetzlich geregelten Weiterbeschäftigungsanspruch in § 102 Abs. 5 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und einen gesetzlich nicht geregelten Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Letzterer findet in der Rechtspraxis vor allem dort einen Anwendung, wo der Arbeitnehmer im Instanzenzug den Prozess über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses gewinnt.

Wichtig: Ein titulierter Anspruch auf Weiterbeschäftigung setzt einen entsprechenden Antrag voraus.

Siehe auch BAG, Beschl. v. 28.02.2023 – 8 AZB 17/22 m. Anm. Rütz/Voigt in DB 2023, 1606 [aus den Entscheidungsgründen]:

„Bei der begehrten Weiterbeschäftigung handelt es sich um eine unvertretbare Handlung, zu der die Schuldnerin nach § 888 ZPO durch Zwangsgeld und Zwangshaft angehalten werden kann (BAG 5. Februar 2020 – 10 AZB 31/19 – Rn. 14; 15. April 2009 – 3 AZB 93/08 – Rn. 13, BAGE 130, 195).

(…) Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung sind erfüllt. Das Urteil des Arbeitsgerichts stellt einen kraft Gesetzes vorläufig vollstreckbaren Titel dar (§ 62 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils ist erteilt (§ 724 Abs. 1 ZPO) und die Zustellung ist erfolgt (§ 750 Abs. 1 ZPO).

(…) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass sich die Schuldnerin nicht mit Erfolg darauf berufen kann, eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Gläubigers als kaufmännischer Leiter sei aufgrund der von ihr getroffenen unternehmerischen Organisationsentscheidung entfallen.

(…) Dem steht nicht entgegen, dass im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO zu prüfen ist, ob die zu vollstreckende Handlung unmöglich geworden ist (vgl. BAG 5. Februar 2020 – 10 AZB 31/19 – Rn. 17). Eine Weiterbeschäftigung des Gläubigers als kaufmännischer Leiter ist der Schuldnerin nicht unmöglich.

(…) Die Verhängung von Zwangsmitteln nach § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO setzt voraus, dass eine Handlung erzwungen werden soll, die ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt. Daraus ergibt sich, dass die objektive oder subjektive Unmöglichkeit der Handlung die Anordnung eines Zwangsmittels ausschließt (BGH 23. September 2021 – I ZB 20/21 – Rn. 58; 27. November 2008 – I ZB 46/08 – Rn. 13). Sofern der Einwand der Unmöglichkeit bereits Gegenstand des Erkenntnisverfahrens bis zum Erlass des Titels war, ist er im Zwangsvollstreckungsverfahren jedoch nicht mehr zu prüfen (vgl. BAG 15. April 2009 – 3 AZB 93/08 – Rn. 25, BAGE 130, 195).

(…) Eine Weiterbeschäftigung des Gläubigers als kaufmännischer Leiter ist der Schuldnerin nicht unmöglich geworden. Die vorliegende Fallgestaltung unterscheidet sich insofern von derjenigen, die der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 5. Februar 2020 zugrunde lag, in der die Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund einer europaweiten Umstrukturierung des Konzerns entfallen war, die nicht vom Willen der Vertragsarbeitgeberin abhängig war (- 10 AZB 31/19 -; vgl. auch LAG Hamm 6. Dezember 2021 – 12 Ta 378/21 -). Im vorliegenden Verfahren hat die Schuldnerin indes behauptet, sie selbst habe die unternehmerische Entscheidung getroffen, die betrieblichen Abläufe so zu organisieren, dass die Stelle des kaufmännischen Leiters entfallen sei. Sie habe dessen bisherigen Aufgaben auf andere Personen übertragen. Aus dem Vortrag der Schuldnerin ergibt sich nicht, dass sie nicht in der Lage wäre, den Betrieb so zu organisieren, dass der Gläubiger als kaufmännischer Leiter beschäftigt werden könnte.

Aus dem Umstand, dass die gerichtliche Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen nur darauf abzielt, Missbrauch zu verhindern, und nicht, dem Arbeitgeber organisatorische Vorgaben zu machen (BAG 24. September 2015 – 2 AZR 562/14 – Rn. 47, BAGE 152, 345), folgt vorliegend nichts Abweichendes. Dieser Umstand hat für die Frage, ob der Schuldnerin die Beschäftigung des Gläubigers als kaufmännischer Leiter objektiv oder subjektiv unmöglich ist, keine Bedeutung.

Im Übrigen könnte – wovon das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend ausgegangen ist – der Einwand, die Beschäftigungsmöglichkeit sei aufgrund einer unternehmerischen Organisationsentscheidung entfallen, im Verfahren nach § 888 ZPO nur berücksichtigt werden, wenn der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit unstreitig oder offenkundig wäre (…).“

(Letzte Aktualisierung: 18.07.2023)