Berliner Testament
Siehe hierzu im Wesentlichen § 2269 BGB:
„(1) Haben die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament, durch das sie sich gegenseitig als Erben einsetzen, bestimmt, dass nach dem Tode des Überlebenden der beiderseitige Nachlass an einen Dritten fallen soll, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Dritte für den gesamten Nachlass als Erbe des zuletzt versterbenden Ehegatten eingesetzt ist.
(2) Haben die Ehegatten in einem solchen Testament ein Vermächtnis angeordnet, das nach dem Tode des Überlebenden erfüllt werden soll, so ist im Zweifel anzunehmen, dass das Vermächtnis dem Bedachten erst mit dem Tode des Überlebenden anfallen soll.“
Ein gemeinschaftliches Testament von Eheleuten ist dann unwirksam, wenn die Eheleute geschieden worden sind oder zum Zeitpunkt des Versterbens die Voraussetzungen für die Scheidung gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr im Verfahren zugestimmt hatte, § 2077 BGB. Was aber, wenn sich die Eheleute im laufenden Scheidungsverfahren wieder versöhnen?
Das OLG Oldenburg hatte einen Fall zu entscheiden, in dem die überlebende Ehefrau genau das behauptet hatte (OLG Oldenburg, Beschl. v. 26.09.2018 – 3 W 71/18).
Die Eheleute hatten ein gemeinschaftliches Testament errichtet und sich ein Jahr später getrennt. Der Ehemann hatte ein neues notarielles Testament aufgesetzt und die gemeinsame Tochter zu seiner Alleinerbin eingesetzt. Kurz danach reichte die Ehefrau die Scheidung ein. Der Mann stimmte zu. Das Verfahren war offensichtlich sehr umfangreich, denn man begann eine Mediation, infolge der der Ehemann dem Gericht dann mitteilte, eine Aussetzung der Scheidung zu wünschen. Man habe im Rahmen der Mediation gute Gespräche geführt und man sehe doch einen ersten Ansatz, die Ehe möglicherweise fortzuführen bzw. daran zu arbeiten.
Einen ausdrücklichen Widerruf seiner Zustimmung zur Scheidung erklärte er jedoch nicht und vernichtete auch nicht sein zweites Testament zugunsten der Tochter. Auch die Frau nahm den Scheidungsantrag nicht zurück. Zu einer endgültigen Versöhnung kam es nicht, der Ehemann verstarb. Witwe und Tochter sind sich uneins, welches Testament nun gültig ist.
Dem Gericht genügte die Aussicht auf Versöhnung der Eheleute nicht aus. Es hätte einer eindeutigen wirksamen Willenserklärung zum Widerruf durch den Ehemann bedurft. Der Wunsch auf Aussetzung des Verfahrens solle lediglich die Möglichkeit bieten, die Fortsetzung der Ehe auszuloten und nicht das Verfahren endgültig beenden. Damit ist das gemeinsame Testament gem. § 2077 Abs. 1 BGB unwirksam. Das Testament zugunsten der Tochter ist wirksam. Der Ehefrau bleibt so lediglich der Pflichtteil.
„Genauso wie die Zustimmung zur Scheidung ist auch deren Widerruf nicht nur materiellrechtliche Willenserklärung, sondern auch Prozesshandlung. Im Hinblick darauf wird in Rechtsprechung und Schrifttum eine ausdrückliche Erklärung verlangt (vgl. OLG Zweibrücken, FamRZ 1990, S. 59, FamRZ 2013, S. 652; Weber, in: Keidel, 19. Aufl., § 134, Rn. 3 ff.; Lorenz, in: Zöller, 32. Aufl., § 134 FamFG, Rn. 1). Darauf kommt es hier jedoch nicht an, auch wenn es naheliegt, eine ausdrückliche Erklärung zumindest dann zu verlangen, wenn der Beteiligte – wie hier der Erblasser – durch einen Rechtsanwalt vertreten wird bzw. wurde.
Denn selbst wenn man einen schlüssigen Widerruf der Zustimmung zur Scheidung in der mündlichen Verhandlung des Familiengerichts zuließe, müsste sich dieser entsprechend §§ 133, 157 BGB zweifelsfrei feststellen lassen. Das Ziel der Aufrechterhaltung der Ehe muss eindeutig und vorbehaltlos verfolgt werden (vgl. OLG Zweibrücken, FamRZ 2013, S: 652, Juris Rn. 15). Daran fehlt es hier jedoch.
Ein konkludenter Widerruf ergibt sich namentlich nicht aus der Erklärung des Antragsgegners im Termin vom 2. März 2017 vor dem Familiengericht. Dort hat er zwar geltend gemacht, dass man im Rahmen einer Mediation gute Gespräche geführt und er „doch einen Ansatz“ sehe, die Ehe fortzuführen und daran zu „arbeiten“, weshalb er auch eine Aussetzung des Verfahrens anstrebe.
Daraus folgt aber nicht, jedenfalls nicht zwingend, dass er die zuvor erteilte Zustimmung zur Scheidung nunmehr – zu diesem Zeitpunkt – widerrufen wollte. Denn hinter dem Aussetzungsbegehren stand nach seiner Darstellung eben nur seine Vorstellung, die Ehe eventuell doch noch fortführen zu können. Das von ihm deshalb (angeblich) für sinnvoll gehaltene „Abwarten“ der weiteren Entwicklung in der Beziehung zu der Beteiligten zu 2.) erforderte aber nicht einen vorherigen Widerruf seiner Zustimmung zum Scheidungsantrag. Aus der ebenfalls zu Protokoll erklärten Sicht der Ehefrau war das möglicherweise (auch) taktisch bestimmte Ansinnen des Verstorbenen in Richtung auf eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft ohnehin von vornherein ohne Aussicht auf Erfolg, so dass das Scheidungsverfahren nach dem Termin tatsächlich auch weiterlief. (…).“
Siehe auch den Beitrag von Roth in NJW-Spezial 2024, 295 [„Einheits- oder Trennungslösung? Abgrenzung und Auslegung“].
(Letzte Aktualisierung: 24.06.2024)
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