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Erbrecht

Testierwille

Eine wirksame letztwillige Verfügung verlangt, dass derjenige der testiert, bei der Abfassung seines letzten Willens den ernsthaften Willen und das Bewusstsein besitzt, ein Testament zu errichten und rechtsverbindliche Anordnungen über sein Vermögen nach seinem Tod anzuordnen.

Siehe auch OLG München, Beschl. v. 05.05.2020 – 31 Wx 246/19 u. a. [aus den Entscheidungsgründen]:

„2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat der Ansicht, dass es sich bei dem Testament vom 08.07.2011 in jeder Hinsicht eine wirksame Verfügung von Todes handelt.

a) Das Testament ist formwirksam errichtet, § 2247 Abs. 1 BGB. Der Erblasser hat die Verfügung handschriftlich errichtet und eigenhändig unterschrieben. Dies war auch unter den Beteiligten zu keinem Zeitpunkt streitig.

b) Er handelte dabei auch mit Testierwillen, d.h. dem Willen, seine Nachfolge von Todes wegen verbindlich zu regeln. Insbesondere wollte der Erblasser durch das Abfassen zweier Exemplare der inhaltlich selben Verfügung nicht ein Original und eine Abschrift/Kopie fertigen.

aa) Nachdem der Erblasser am gleichen Tag zwei im Wesentlichen gleichlautende, inhaltlich identische Verfügungen niedergeschrieben hat, war zu klären, ob der Erblasser eine Urschrift und eine Abschrift/Kopie, aus der heraus selbst keine Rechte hergeleitet werden könnten, errichten wollte. Hätte in einem solchen Fall der Erblasser lediglich die Abschrift an die Beteiligte zu 1 ausgehändigt, würde die Vernichtung des Originals die Unwirksamkeit der Verfügung zur Folge haben können (§ 2256 Abs. 1 BGB), die Abschrift müsste und könnte schon nicht widerrufen werden, da sie bereits keine wirksame Verfügung von Todes wegen enthielte.

bb) Allerdings ist der Senat überzeugt, dass es sich bei der Urkunde, die der Erblasser der Beteiligten zu 1 ausgehändigt hat, um ein (gegebenenfalls weiteres) Original, jedenfalls nicht um eine bloße Abschrift handelte.

(1) Für das Vorliegen eines Originals spricht bereits der Umstand, dass die äußeren Merkmale der aus den Händen gegebenen Urkunde eher dem entsprechen, was man als „Schönschrift“ bezeichnen würde: Die einzelnen Absätze weisen Gliederungsnummern auf, die beim Erblasser verbliebene Urkunde weist einen oberhalb der Zeile befindlichen Einschub auf. Ein Erblasser, der von der Originalverfügung noch eine handschriftliche Abschrift/Kopie erstellt, behielte nach der allgemeinen Lebenserfahrung aber die Reinschrift (Schönschrift) bei sich und würde die weniger ordentlich geratene Version aus der Hand geben, schließlich hätte letztere nur Beweisfunktion, aber keine rechtsgestaltende Wirkung.

(2) Darüber hinaus wäre zu erwarten gewesen, dass der Erblasser das Dokument entsprechend als Kopie kennzeichnet z.B. indem er auf der Urkunde vermerkt, dass es sich lediglich um eine Abschrift/Kopie handelt. Ohne weiteres wäre es dem Erblasser möglich gewesen, durch Anbringen eines entsprechenden handschriftlichen Vermerks klarzustellen, dass die der aus den Händen gegebene Variante lediglich eine Beweisfunktion haben sollte.

(3) Auch der Umstand, dass der Erblasser angeblich seinen Betreuer gebeten hatte, die der Beteiligten zu 1 ausgehändigte Urkunde von dieser zurückzuerlangen, spricht für das Vorliegen eines Originals. Ein derartiger Aufwand wäre bei einer Abschrift/Kopie kaum erforderlich, denn wäre der Erblasser davon ausgegangen, er hätte der Beteiligten zu 1 lediglich eine rechtlich unverbindliche Abschrift/Kopie ausgehändigt, hätte er dies gegenüber dem Betreuer lediglich klarzustellen bzw. zu dokumentieren gehabt.

c) Schließlich wurde dieses Testament auch nicht wirksam widerrufen, § 2255 BGB. Die Vernichtung des in den Händen des Erblassers befindlichen Originals schlägt nicht auf das weitere Original vom selben Tag durch.

d) Der Umstand, dass die Beteiligte zu 1 auf Aufforderung durch den Betreuer des Erblassers (angeblich) das Testament nicht ausgehändigt hat, ist insoweit unerheblich. Dabei kann dahinstehen, aufgrund welches Rechtsverhältnisses die Beteiligte zu 1 in Besitz der Verfügung war und ob der Betreuer des Erblassers tatsächlich einen (fremden) Herausgabeanspruch geltend machen konnte. Selbst wenn ein wirksamer Herausgabeanspruch bestanden haben sollte, den die Beteiligte zu 1 zu erfüllen gehabt hätte, hätte die Verletzung dieser – unterstellten – Pflicht nicht die Unwirksamkeit der Verfügung zur Folge. Ob darin eine Erbunwürdigkeit der Beteiligten zu 1 gesehen werden kann, wie die Beschwerdeführer vortragen, kann ebenfalls dahinstehen. Eine Erbunwürdigkeit wäre vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen und erst beachtlich, wenn ein entsprechendes Urteil vorläge.

Mithin kommt es auch nicht auf die aufgeworfene Frage, ob der Erblasser bei Widerruf des Testaments noch testierfähig war, nicht an.“

(Letzte Aktualisierung: 09.07.2020)

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Pia Roggendorff-Jentsch
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