Vorstandsmitglieder und Sozialversicherungspflicht
Für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft und deren Stellvertreter gelten in der Sozialversicherung einige Besonderheiten.
I. Beschäftigung im Sinne des Sozialversicherungsrechts
Die Frage der sozialrechtlichen Bewertung des Vorstandes einer Aktiengesellschaft war lange Zeit umstritten. Inzwischen ist geklärt, dass Vorstandsmitglieder grundsätzlich als abhängig Beschäftigte anzusehen sind, wenn sie nicht über eine Aktienmehrheit verfügen. Eine Aktienquote von 10 % oder 15% genügt nicht.
Dazu KassKomm/Gürtner, 92. EL Dezember 2016, SGB VI § 1 Rn. 32:
„Vorstandsmitglieder einer AG sind Beschäftigte iSd § 7 SGB IV und gehören zu den Beschäftigten nach S. 1 Nr. 1, wenn sie nach dem Gesamtbild ihrer Tätigkeit einem nach Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des ArbGeb unterliegen. Dabei kann dieses Weisungsrecht wie sonst bei Diensten höherer Art auch eingeschränkt und zu einer funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein, wenn der Vers nur in den Betrieb eingegliedert ist. Daran ändert nichts, dass sie als Mitgl des Vorstand der AG auf deren Willensbildung Einfluss nehmen können und dadurch von Weisungen weitgehend frei sind (BSG SozR 3-2940 § 3 Nr. 1 = NZA 1990, 950). ( ) Mit der Änderung des S. 4 zum 1.1.2004 wurde das Nichtbestehen der VersPfl der Vorstandsmitglieder einer AG auf die Beschäftigung als Vorstandsmitglied und die weiteren verspfl Beschäftigungsverhältnisse in dem Unternehmen beschränkt (BT-Drs. 15/1893, 12). Selbständige Tätigkeiten für die AG und die Konzernunternehmen sind nicht mehr erfasst. Die Regelung entspricht nunmehr der des § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III.“
Siehe auch BeckOK SozR/Ulmer, 44. Ed. 1.3.2017, SGB III § 27 Rn. 1:
„Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften sind zwar Beschäftigte, aber im SGB III versicherungsfrei (s. BSG SozR 4100 § 168 Nr. 10 mwN; 14.12.1999 NZA-RR 2000, 434 = SozR 3-2200 § 539 Nr. 48). Konzernunternehmen iSd § 18 AktG gelten hierbei als ein Unternehmen. Hier wird daran angeknüpft, dass diese bei typisierender Betrachtung zu den „großen“ Gesellschaften gehören und ihre Vorstandsmitglieder unter den für sie gegebenen wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage sind, sich außerhalb der Sozialversicherung gegen die Risiken des Arbeitslebens selbst zu schützen (zur Entstehungsgeschichte näher BSG 27. 2.2008 – B 12 KR 23/06 R).“
Die Frage der Selbständigkeit des Vorstandes hat noch eine besondere Bedeutung. Nach § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III und § 1 S. 4 SGB VI sind Vorstände von der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung und Rentenversicherung befreit. Diese Befreiung gilt nur für abhängige Beschäftigungen. Im Falle der Selbständigkeit wäre zu prüfen, ob nicht eventuell Versicherungspflicht in der Rentenversicherung besteht.
II. Zweige der Sozialversicherung
Die Einordnung der Vorstandstätigkeit als Beschäftigung im Sinne der Sozialversicherung bedeutet nicht automatisch, dass Versicherungspflicht in den weiteren Zweigen der Sozialversicherung besteht. Vielmehr definiert jeder Zweig die Versicherungspflicht eigenständig.
1. Krankenversicherung
Die Rechtsprechung geht grundsätzlich davon aus, dass Vorstände von Aktiengesellschaften grundsätzlich unter die Regelung von § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V fallen. Soweit die Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht überschritten wird, entsteht damit nach der Rechtsprechung der Sozialgerichte Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7.8. 2013 – L 9 KR 269/11).
Vorstandsmitglieder sind allerdings in der Regel aufgrund ihres Einkommens versicherungsfrei. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V besteht Versicherungsfreiheit, wenn die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten wird.
2. Rentenversicherung
Der Gesetzgeber hat angestellte Vorstände von Aktiengesellschaften nach § 1 Satz 4 SGB VI ausdrücklich aus der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht ausgenommen.
3. Arbeitslosenversicherung
Vorstände von Aktiengesellschaften werden nach § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III aus dem Kreis der versicherungspflichtig Beschäftigten herausgenommen.
III. Vorstände ausländischer Unternehmen
Die vorstehenden Ausführungen gelten grundsätzlich nur für Mitglieder des Vorstandes deutscher Aktiengesellschaften. Für Vorstandsmitglieder ausländischer Unternehmen können andere Regelungen gelten.
IV. Anderweitige Vorstände
Die aufgezeigten Regelungen gelten auch nicht für Vorstandsmitglieder anderer Organisationen. Die Vorschriften über die Versicherungsfreiheit von Vorständen einer Aktiengesellschaft sind zum Beispiel nicht auf Vorstände eingetragener Vereine entsprechend anzuwenden (BSG, Urt. v. 19.6. 2001 – B 12 KR 44/00 R).
(Letzte Aktualisierung: 20.04.2017)
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