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Kündigungsgründe Arbeitsvertrag A-Z

Dienstwagen (verschmutzt/beschädigt)

Ob die Rückgabe eines verschmutzten und beschädigten Dienstwagens einen Grund für eine ordentliche, ggf. auch außerordentliche Kündigung darstellen kann, ist eine Frage des Einzelfalles.

Siehe dazu etwa LAG Köln, Urt. v. 07.08.2020 – 4 Sa 122/20 [Entscheidungsgründe]:

„3. Die außerordentliche und fristlose (Tat-)Kündigung der Beklagten vom 21.09.2018 ist vorliegend gemäß § 626 Abs. 1 BGB unwirksam, da kein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt.

a) Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Das Vorliegen eines wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB ist in zwei Stufen zu prüfen (ständige Rechtsprechung, vgl. bspw. BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 597/16, Rn. 13, NZA 2017, 1179 [1180]; BAG, Urteil vom 7. Juli 2005- 2 AZR 581/04, NZA 2006, 98 ff.). Im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist (1. Stufe). Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der (fiktiven) Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (2. Stufe) (ständige Rechtsprechung, siehe bspw. BAG, Urteil vom 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18, Rn. 15, juris; BAG, Urteil vom 25. Januar 2018 – 2 AZR 382/17, Rn. 26, juris; BAG, Urteil vom 14. Dezember 2017 – 2 AZR 86/17, Rn. 27, juris; BAG, Urteil vom 16. Juli 2015 – 2 AZR 85/15, Rn. 21 mwN, juris; BAG, Urteil vom 19. April 2012 – 2 AZR 186/11, Rn. 20 mwN, NJW 2013, 104 ff.).

b) Als wichtiger Grund „an sich“ (1. Stufe) iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet sind ua. erhebliche Pflichtverletzungen im Sinne von nachgewiesenen Taten. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung ist deren strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend sind der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (BAG, Urteil vom23. August 2018 – 2 AZR 235/18, Rn. 44, juris; BAG, Urteil vom 22. September 2016 – 2 AZR 848/15, Rn. 16, juris; BAG, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 2 AZR 700/11,Rn. 15, juris; BAG, Urteil vom 24. Mai 2012 – 2 AZR 206/11, Rn. 18, juris; BAG, Urteil vom 25. November 2010 – 2 AZR 801/09, Rn. 17, juris; BAG, Urteil vom 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09, Rn. 30, juris).

c) Die Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten kann „an sich“ einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Das betrifft sowohl auf die Hauptleistungspflicht bezogene Nebenleistungspflichten, die der Vorbereitung, der ordnungsgemäßen Durchführung und der Sicherung der Hauptleistung dienen und diese ergänzen, als auch sonstige, aus dem Gebot der Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) erwachsende Nebenpflichten (BAG, Urteil vom 25. April 2018 – 2 AZR 611/17, Rn. 43, juris; BAG, Urteil vom 20. Oktober 2016 – 6 AZR 471/15, Rn. 18, juris; BAG, Urteil vom 19. Januar 2016 – 2 AZR 449/15, Rn. 29, juris).

Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei eines Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann (BAG, Urteil vom 25. April 2018 – 2 AZR 611/17, Rn. 44, juris; BAG, Urteil vom 10. April 2014 – 2 AZR 684/13, Rn. 14, juris; BAG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 2 AZR 583/12, Rn. 26, juris).

d) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen (BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16, Rn. 26, juris; BAG, Urteil vom 20. Oktober 2016 – 6 AZR 471/15, Rn. 30, juris; BAG; Urteil vom 22. Oktober 2015 – 2 AZR 569/14, Rn. 46, juris). Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zuzumuten ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG, Urteil vom 19. April 2012 – 2 AZR 186/11, Rn. 21 mwN, NJW 2013, 104 ff.). Sie scheidet aus, wenn es ein „schonenderes“ Gestaltungsmittel – etwa Abmahnung, Versetzung, ordentliche Kündigung – gibt, das ebenfalls geeignet ist, den mit einer außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – nicht die Sanktion des pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses – zu erreichen (BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16, Rn. 27, juris; BAG, Urteil vom 20. Oktober 2016 – 6 AZR 471/15, Rn. 30, juris; BAG, Urteil vom 22. Oktober 2015 – 2 AZR 569/14, Rn. 46, juris).

e) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Einer entsprechenden Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 in Verbindung mit § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16, Rn. 28, juris; BAG, Urteil vom 20. November 2014 – 2 AZR 651/13, Rn. 22, juris; BAG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 2 AZR 865/13, Rn. 47, juris; BAG, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 2 AZR 495/11, Rn. 16; BAG, Urteil vom 19. April 2012 – 2 AZR 186/11, Rn. 22 mwN, NJW 2013, 104 ff.).

f) Hieran gemessen hat das Arbeitsgericht zurecht festgestellt, dass kein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorliegt.

aa) Soweit es die – ausgehend von dem gerichtlichen Vergleich beim Arbeitsgericht Siegburg vom 29.08.2018 (4 Ga 17/18) – Rückgabe des Dienstfahrzeugs betrifft, die zumindest fristgerecht erfolgte, könnte sich ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB für die Beklagte allenfalls ergeben, wenn das Dienstfahrzeug in nicht gereinigtem und verkehrstüchtigem Zustand, wie es die Beklagte behauptet, zurückgegeben worden wäre. In diesem Zusammenhang kann es dahinstehen, ob diese behauptete Pflichtverletzung, selbst wenn sie vorläge, einen wichtigen Grund an sich bilden könnte (1. Stufe). Eine fristlose Kündigung wegen der Zurückgabe eines verdreckten und nicht mehr verkehrssicheren Dienstfahrzeugs ist vorliegend jedenfalls unverhältnismäßig (2. Stufe). Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Klägerin – angesichts der zwischenzeitlich rechtskräftig festgestellten Unwirksamkeit der fristlosen Kündigungen der Beklagten vom 04.08.2018 und vom 07.09.2018 im Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 28.09.2019 (11 Sa 757/18) – gar nicht erst verpflichtet gewesen wäre, der Beklagten das Dienstfahrzeug zurückzugeben, da das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fortbestand, so dass die Klägerin das Fahrzeug auch weiter hätte nutzen dürfen. Allerdings hat sich die Klägerin in dem gerichtlichen Vergleich beim Arbeitsgericht Siegburg am 29.08.2018 dazu verpflichtet, das Dienstfahrzeug zurückzugeben. Bei der Rückgabe eines Dienstfahrzeugs handelt es sich um eine vertragliche Nebenpflicht und nicht um eine arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht der Klägerin. Sofern und soweit die Klägerin – entsprechend der Behauptungen der Beklagten – das Fahrzeug entgegen der übernommenen Verpflichtung nicht zuvor gereinigt und es sogar in einem nicht verkehrssicheren Zustand zurückgegeben hätte, handelt es sich dabei um keine schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung, so dass eine weitere Fortführung des Arbeitsverhältnisses für die Beklagte zumutbar ist. Da es das erste Mal vorgekommen ist, dass die Klägerin ihr Dienstfahrzeug zurückgeben sollte und es sich insofern um steuerbares Verhalten handelt, wäre eine etwaige Pflichtverletzung der Klägerin einer Abmahnung durch die Beklagte zugänglich. Hinzu kommt, dass die Parteien in dem gerichtlichen Vergleich nicht klar vereinbart haben, wie intensiv die Innen- und Außenreinigung des Fahrzeugs erfolgen sollte. Verglichen mit einer „üblichen“ Reinigung mit Staubsauger und einer Durchfahrt durch eine sog. Waschstraße waren jedenfalls eine „Innenaufbereitung mit Trockeneis“, die „Geruchsbeseitigung mit Ozon“ sowie eine „Lederreinigung“ nicht vertraglich vereinbart, so dass die Klägerin Derartiges auch nicht erbringen musste. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, eine Reinigung im Umfang von mehreren Hundert Euro vorzunehmen. Im Übrigen bestanden auch sonst mangels eines Dienstwagenüberlassungsvertrages keine Reinigungspflichten der Klägerin, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die von der Beklagten vorgenommene Reinigung des Dienstfahrzeugs die erste Reinigung überhaupt war, was aber zu ihren Lasten gehen würde. Soweit die Beklagte des Weiteren bemängelt, dass das Fahrzeug bei der Rückgabe am 10.09.2018 in nicht verkehrstüchtigem Zustand gewesen sein soll, wie es sich aus dem Untersuchungsbericht der DEKRA Automobil GmbH vom 11.09.2018 ergeben soll, hat die Beklagte nicht dargelegt, aus welchen Gründen die Klägerin dies hätte erkennen können. Unstreitig hat sie das Fahrzeug bis zuletzt im Straßenverkehr benutzt, und es ist nicht zu erkennen, warum die Klägerin das behauptete Schleifgeräusch hätte wahrnehmen und dies den hinteren Bremsen zuordnen müssen oder zumindest können. Selbst wenn dies aber zugunsten der Beklagten unterstellt würde, hätte der Klägerin mittels einer Abmahnung aufgezeigt werden müssen, welche Nebenpflichtverletzung sie denn begangen haben soll. Hinzu kommt, dass auch keine Wiederholungsgefahr besteht, da nach Rückgabe des Dienstfahrzeugs eine erneute Pflichtverletzung nicht zu besorgen war. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass jedenfalls im vorliegenden Fall angesichts einer Beschäftigungsdauer von mehr als 18 Jahren im Kündigungszeitpunkt – selbst unter Berücksichtigung der Abmahnung vom 29.06.2016, die jedoch einen anderen Pflichtenkreis betrifft – die von der Beklagten behauptete Pflichtverletzung bzgl. des Dienstfahrzeugs keine fristlose Kündigung zu rechtfertigen vermag. Andere Umstände, die im Rahmen der Prüfung der 2. Stufe zugunsten der Beklagten sprechen könnten, sind von dieser nicht dargelegt worden.

bb) Soweit es den von der Beklagten behaupteten (Eingehungs-)Betrug im Termin beim Arbeitsgericht Siegburg am 29.08.2018 (4 Ga 17/18) betrifft, nämlich dass die Klägerin sich eine um drei Tage längere Nutzungsdauer erschlichen habe, kann ein derartiges Verhalten zwar grundsätzlich einen wichtigen Grund an sich (1. Stufe) für eine fristlose Kündigung darstellen. Jedoch hat die Beklagte einen derartigen Betrug durch die Klägerin nicht substantiiert dargelegt. In dem dortigen Termin zur mündlichen Verhandlung wurde ausweislich des unstreitigen Parteivorbringens die weitere Dauer der Nutzung des Dienstfahrzeugs und die korrespondierende Reinigungsverpflichtung besprochen. Dass die Klägerin bei Abschluss des gerichtlichen Vergleichs nicht vorgehabt hätte, das Fahrzeug zu reinigen, sondern es vielmehr ungereinigt zurückzugeben, mag die Beklagte vermuten. Sie hat es aber nicht durch weitere Umstände konkretisiert. Hinzu kommt, dass die Klägerin angesichts der Unwirksamkeit der Kündigungen vom 04.08.2018 und vom 07.09.2018 ohnehin berechtigt gewesen ist, dass Dienstfahrzeug bis zu dem vereinbarten Rückgabezeitpunkt – und sogar darüber hinaus – zu benutzen.

g) Die streitgegenständliche fristlose Kündigung ist auch nicht nach § 140 BGB in eine hilfsweise ordentliche Kündigung umzudeuten und als solche wirksam. Zum einen hat die Beklagte nur eine außerordentliche und fristlose Kündigung ausgesprochen und hat auch nur hierzu den Betriebsrat angehört. Zum anderen greift der nachwirkende Sonderkündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG ein, der eine ordentliche Kündigung der Klägerin, deren Amtszeit als Betriebsratsmitglied erst am 11.05.2018 endete, ausschließt.“

(Letzte Aktualisierung: 23.09.2020)