Vorgetäuschte Krankheit
Das Vortäuschen einer zur Arbeitsunfähigkeit führenden Krankheit kann eine außerordentliche und fristlose Kündigung nach sich ziehen. Allerdings ist die Rechtsprechung zurückhaltend.
LAG Hamm, Urt. v. 24.09.2009 – 11 Sa 605/09:
„Einen Straßenbahnfahrer, der am Ende seiner Arbeitsunfähigkeit erfährt, dass er an zwei aufeinanderfolgenden Spätschichten am Wochenende Dienst habe und hierauf mit dem Hinweis reagiert, dass er bestimmt einen Rückfall erleiden werde, ist weder Nötigung noch beharrliche Arbeitsverweigerung vorzuwerfen. Auch eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt dieses Verhalten nicht.“
LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 13.12.2011 – Sa 63/11:
„Bereits die Ankündigung einer zukünftigen, im Zeitpunkt der Ankündigung nicht bestehenden Erkrankung durch den Arbeitnehmer für den Fall, dass der Arbeitgeber einem unberechtigten Verlangen auf Gewährung von Urlaub nicht entsprechen sollte, ist ohne Rücksicht auf eine später tatsächlich auftretende Krankheit an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung abzugeben (wie BAG 12. März 2009 – 2 AZR 251/07 – NZA 2009, 779 = AP Nr. 15 zu § 626 BGB Krankheit; BAG 5. November 1992 – 2 AZR 147/92 – AP Nr. 4 zu § 626 BGB Krankheit = EzA BGB § 626 nF Nr. 143; BAG 17. Juni 2003 – 2 AZR 123/02 – AP Nr. 13 zu § 543 ZPO 1977 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 4). Die Pflichtwidrigkeit der Ankündigung einer Krankschreibung bei objektiv nicht bestehender Erkrankung im Zeitpunkt der Ankündigung liegt in erster Linie darin, dass der Arbeitnehmer mit einer solchen Erklärung zum Ausdruck bringt, er sei notfalls bereit, seine Rechte aus dem Entgeltfortzahlungsrecht zu missbrauchen, um sich einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen.“
ArbG Berlin, Urt. v. 30.8.2013 – 28 Ca 1658/13:
„Gibt ein Arbeitnehmer nach Eigenkündigung zu erkennen, er werde bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zur Arbeit erscheinen, und bleibt er dem Dienst fortan bei ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit (AU-B) tatsächlich fern, so rechtfertigt dies nicht schon an sich die Annahme, der sogenannte Beweiswert der beigebrachten Bescheinigung (AU-B) sei „erschüttert“ oder die Arbeitsunfähigkeit gar „vorgetäuscht“. Das gilt erst Recht dann, wenn die vom Arbeitgeber veranlasste Überprüfung des medizinischen Diensts der Krankenkasse (MDK) den bescheinigten Zustand bestätigt.“
Das Verwaltungsgericht (VG) Cottbus hat die Entlassung eines Polizisten aus dem Staatsdienst gebilligt (VG Cottbus, Beschl. v. 13.07.2017 – 5 L 110/17). Der Polizist aus Brandenburg war entlassen worden, weil er trotz Krankschreibung an einem 16 Kilometer langen Hindernislauf teilgenommen hatte. Erkrankt war der Polizist angeblich am Fuß. Das Gericht ist der Meinung, dass das Verhalten des Polizisten Zweifel an der charakterlichen Eignung aufkommen lasse. Es liege ein Missbrauch der Krankschreibung vor. Der Beamte hatte seine sportliche Leistung über ein soziales Netzwerk bekannt gegeben.
LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 13.07.2017 – 5 Sa 49/17:
„1. Der allgemeine und durch eine Observierung belegte Vorwurf des „Arbeiten an den Weinstöcken/Rebentrieben“ reicht nicht aus, um den Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern oder dem Arbeitnehmer genesungswidriges Verhalten nachzuweisen, wenn die Art, Dauer und Schwere der Arbeiten nicht näher erläutert wird.
2. Ein genesungswidriges Verhalten liegt auch nicht vor, wenn der Arbeitnehmer von seinem Hausarzt keine besonderen Verhaltensmaßregeln oder Verbote auferlegt bekommen hat und daher in den letzten Tagen seiner ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit leichte Tätigkeiten wie Autofahren oder das Reinigen der Scheiben am Fahrzeug ausführt.“
(Letzte Aktualisierung: 27.02.2018)
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