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Gesundheit / Medizinrecht

Extrabudgetäre Verordnung

Richtgrößen und Wirtschaftlichkeitsprüfung

Ärzte sind von Gesetzes wegen zu wirtschaftlichem Verordnungsverhalten gezwungen. Um die Verordnungspraxis eines Arztes kontrollieren zu können, werden jährlich arztgruppenspezifische, fallbezogene Richtgrößenvolumina als Durchschnittswerte festgesetzt. Soweit ein Arzt das Richtgrößenvolumen überschreitet, kann das eine Wirtschaftlichkeitsprüfung auslösen, an deren Ende u. U. eine Regresspflicht des Arztes steht (siehe auch unsere Erläuterungen zum Stichwort Richtgrößenprüfung).

Praxisbesonderheit und langfristiger Heilmittelbedarf sind extrabudgetär

Die Überschreitung der Richtgrößenvolumina ist jedoch unschädlich (und ein Regress damit ausgeschlossen), wenn sie auf Praxisbesonderheiten oder Verordnungen mit langfristigem Heilmittelbedarf zurückzuführen ist. Denn Verordnungen, die auf diesen beiden Alternativen beruhen, werden im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht berücksichtigt. Das wird durch Herausrechnung aus dem Verordnungsvolumen sichergestellt. Entsprechende Verordnungen werden daher auch als „extrabudgetär“ bezeichnet. In der Folge erhöht sich damit die Zahl auszustellender Verordnungen für einen Arzt. Regress droht ihm nur, wenn auch nach dem Herausrechnen der extrabudgetären Verordnungen das Richtgrößenvolumen überschritten wird.

Darlegungs- und Beweislast hat der Arzt

In der Praxis sollte dringend beachtet werden, dass die Voraussetzungen der extrabudgetären Verordnungen in einem späteren Verfahren durch den Arzt darzulegen und auch zu beweisen sind. Sieht sich ein Arzt einer Honorarrückforderung ausgesetzt, weil fälschlicherweise extrabudgetäre Verordnungen nicht herausgerechnet wurden, sollte ein Arzt hiergegen Widerspruch und Klage erheben. Dabei sind bereits im Widerspruchsverfahren die Einwände darzulegen und ggf. zu beweisen, da sie andernfalls in einem späteren Klageverfahren ausgeschlossen sind.

Vereinfachung durch Vereinbarung über Praxisbesonderheiten für Heilmittel

Durch die Vereinbarung des gemeinsamen Bundesausschusses über Praxisbesonderheiten für Heilmittel wird die Problematik extrabudgetärer Verordnungen stark vereinfacht. Sie enthält neben den Diagnosen, die als Praxisbesonderheiten (Anlage 1) gelten, auch Diagnosen, bei denen ein langfristiger Heilmittelbedarf (Anlage 2) vorliegt.

Die Vereinbarung erleichtert die Ausstellung von Verordnungen bei langfristigem Heilmittelbedarf erheblich, da das ursprünglich zwingende Genehmigungsverfahren von Verordnungen außerhalb des Regelfalls nun zur Disposition der Krankenkassen steht. Stellt der Arzt eine Diagnose, die in Anlage 2 der Vereinbarung aufgeführt ist, kann er sofort eine Verordnung außerhalb des Regelfalls ausstellen. Die Voraussetzungen für den langfristigen Heilmittelbedarf sind durch das Vorliegen einer Diagnose nach Anlage 2 erfüllt. Ein Antrag auf Genehmigung der Verordnung ist damit nur noch dann erforderlich, wenn die jeweilige Krankenkasse hierauf nicht verzichtet hat. Ärzte und Heilmittelerbringer sollten das Erfordernis des Genehmigungsverfahrens zu erfragen bzw. die Patienten entsprechend informieren.

Soweit die Diagnose nicht in Anlage 2 aufgeführt ist, kommt eine langfristige Verordnung dennoch in Betracht, wenn die Erkrankung mit denen in der Liste nach Schwere und Dauerhaftigkeit vergleichbar ist. Der Patient muss dazu zunächst den Regelfall durchlaufen und anschließend die Genehmigung einer Verordnung außerhalb des Regelfalls beantragen.

Anforderungen an die Verordnung

Die Verordnung, die sich auf eine Praxisbesonderheit nach Anlage 1 oder einen langfristigen Heilmittelbedarf nach Anlage 2 der Vereinbarung bezieht, muss auf dem jeweiligen Verordnungsvordruck neben der korrekten Diagnosegruppe auch den ICD 10-Code enthalten. Daneben muss die Verordnung auch weiterhin den Bestandteilen der Heilmittel-Richtlinie gerecht werden. Heilmittelerbringer sollten daher auch weiterhin jede Verordnung kritisch auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüfen und ggf. eine korrigierte Verordnung vom Arzt anfordern.

Inhalt eines Antrags auf Genehmigung langfristigen Heilmittelbedarfs

Verlangt die Krankenkasse trotz Diagnose nach Anlage 2 einen Antrag, oder liegt eine nur mit den Fallgruppen nach Anlage 2 vergleichbare Diagnose vor, muss der Patient einen Antrag an die Krankenkasse stellen. Dieser muss neben den persönlichen Daten und der Versicherungsnummer auch bekannte Diagnosen, die Pflegestufe oder das Merkzeichen des Schwerbehindertenausweises sowie den Zeitraum, seitdem die Heilmittelbehandlung in Anspruch genommen wird, enthalten.

Zur Beweisführung sollte der Patient aussagekräftige Bescheinigungen (z. B. Arztbericht, Gutachten, Feststellungen der Pflegekasse) und die Heilmittelverordnung samt medizinischer Begründung, ICD 10-Code und Indikationsschlüssel laut Heilmittel-Richtlinie beifügen.

Internes Qualitäts-Management-System erhöht Patientenzufriedenheit und schützt vor Regress

Durch interne Kontrollmechanismen können Ärzte bereits im Vorfeld extrabudgetäre Verordnungen gemäß der Vereinbarung des gemeinsamen Bundesausschusses über Praxisbesonderheiten für Heilmittel herausrechnen und so einen unverfälschten Blick auf das tatsächlich noch vorhandene Budget erhalten. Das ermöglicht es ohne Angst vor Regress weitere Heilmittel zu verordnen, was die Zufriedenheit von Patienten erheblich steigert.

Siehe auch die Vereinbarung über Praxisbesonderheiten für Heilmittel der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.

(Letzte Aktualisierung: 24.06.2014)