Elterngeld (Mischeinkommen)
Das Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG) wurde in der Vergangenheit mehrfach geändert. Es sind daher Entscheidungen der Sozialgerichte früheren Datums nicht ohne weiteres auf aktuelle Fälle übertragbar.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 21.6.2016 – B 10 EG 8/15 R – zu der Frage der Berechnung des Elterngeldes bei verschiedenen Einkommen (Mischeinkommen) entschieden:
„Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen kann die Klägerin indes nicht verlangen, dass der Beklagte ihr Elterngeld gemäß § 2b Abs. 1 S 1 BEEG nach dem Einkommen bemisst, welches sie in den zwölf Monaten vor dem Geburtsmonat ihrer Tochter – von August 2012 bis Juli 2013 – aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit erzielt hat. Vielmehr hat der Beklagte als Bemessungszeitraum zutreffend nach § 2b Abs. 3 S. 1 BEEG i.V.m. § 4a Abs. 1 S 2 Nr. 3 S 1 Einkommensteuergesetz (EStG) das Kalenderjahr 2012 zugrunde gelegt; für ein Absehen von dieser Regelung gibt es im Fall der Klägerin keine gesetzliche Grundlage. ( )
Eine ungeschriebene Ausnahme von der eindeutigen gesetzlichen Anordnung des § 2b Abs. 3 S 1 BEEG schließen Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte der Vorschrift entgegen der Ansicht der Vorinstanzen aus. Schon ihr Wortlaut – „ist“ – eröffnet kein Ermessen. Vielmehr verpflichtet sie die Elterngeldbehörde in gebundener Entscheidung, den Bemessungszeitraum zu verschieben, wenn der Elterngeldberechtigte wie die Klägerin Mischeinkünfte aus selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit bezogen hat. Der Bemessungszeitraum des § 2b Abs. 3 S 1 BEEG ist dann zwingend zugrunde zu legen. ( )
Diese klare gesetzgeberische Absicht, die sich unmissverständlich im Gesetzeswortlaut niedergeschlagen hat, schließt die vom LSG vorgenommene teleologische Reduktion des § 2b Abs. 3 S 1 BEEG aus (aA Schnell in Tillmanns/Mutschler, Praxiskommentar zum Mutterschutzgesetz und BEEG, 1. Aufl. 2015, § 2b BEEG RdNr 20). Sinn und Zweck, die Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang des § 2b Abs. 3 S 1 BEEG sprechen nicht gegen eine uneingeschränkte, wortlautgetreue Anwendung, wie eine teleologische Reduktion es nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BSG Urteil vom 18.8.2011 – B 10 EG 7/10 R – BSGE 109, 42 = SozR 4-7837 § 2 Nr. 10, RdNr 26 ff mwN) erfordern würde, sondern bestätigen das Ergebnis der Wortlautauslegung. Der Wortlaut lässt sich auch nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung einschränken, die in der Argumentation des LSG anklingt, weil dies dem eindeutig erkennbaren Willen des Gesetzgebers widerspricht (vgl. Senat Urteil vom 5.5.2015 – B 10 KG 1/14 R – SozR 4-5870 § 1 Nr. 4 RdNr 36 mwN).“
Die Vorinstanzen hatten noch anders entschieden. Die Klägerin erzielte neben dem Einkommen aus abhängiger Beschäftigung im gesamten Jahr 2012 lediglich 871 EUR Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Betrieb einer Photovoltaikanlage).
Zwar seien bei einer streng am Wortlaut des § 2b BEEG orientierten Auslegung nur die im Jahr 2012 erzielten Einkünfte zugrunde zu legen. Dies führe jedoch zu sachwidrigen Ergebnissen und trage damit den gesetzgeberischen Zielvorstellungen und den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht angemessen Rechnung. Die Einkünfte in dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes dürften nur dann herangezogen werden, wenn dies keine erheblichen Nachteile für den Berechtigten mit sich bringe. Die Grenze zu erheblichen Nachteilen sei überschritten, wenn sich bei Heranziehung des Zwölfmonatszeitraums vor dem Geburtsmonat ein mehr als 20 Prozent höherer Elterngeldanspruch ergebe. In diesem Fall seien § 2b Abs. 2 und 3 BEEG teleologisch zu reduzieren. Andernfalls liege eine unzumutbare Härte vor, die von der gesetzgeberischen Kompetenz zur Typisierung nicht mehr gedeckt sei und gegen den Gleichheitssatz verstoße.
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(Letzte Aktualisierung: 25.01.2017)
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