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Strafrecht/Strafprozessrecht

Alternativvorsatz

Siehe dazu BGH, Urt. v. 14.01.2021 – 4 StR 95/20:

„a) Die Tatsache, dass der Angeklagte den Eintritt eines Körperverletzungserfolges bei nur einem der beiden Tatopfer für möglich hielt, nicht aber einen Erfolgseintritt bei beiden (sog. Alternativvorsatz), steht der Annahme von zwei bedingten Körperverletzungsvorsätzen nicht entgegen.

aa)Der Bundesgerichtshof hat – soweit ersichtlich – noch keine Entscheidung dazu getroffen, wie miteinander verbundene, auf sich gegenseitig ausschließende Erfolge bei verschiedenen Opfern gerichtete bedingte Vorsätze zu behandeln sind. Das Urteil des Senats vom 15. September 2005 (4 StR 216/05), das in der Literatur zum Teil als Entscheidung zu einem Fall sich gegenseitig ausschließender bedingter Vorsätze angesehen wird (so Bosch, JA 2006, 330), betrifft eine Konstellation, in welcher der Angeklagte den Tod eines der beiden Opfer anstrebte und daneben den Tod des zweiten Opfers billigend in Kauf nahm. Beide bedingten Vorsätze schlossen sich dabei also nicht gegenseitig aus, sondern konnten nach der Vorstellung des Täters nebeneinander verwirklicht werden (sog. kumulativer Vorsatz (…)) hat der Senat in einem Fall, bei dem der Täter mit einem Pkw in eine Menschengruppe fuhr und dabei wusste, dass er eine Person aus der Gruppe anfahren und verletzen konnte, auf die Revision des Angeklagten eine Verurteilung wegen (eines) versuchten Totschlags in gefährliche Körperverletzung abgeändert. Das tatrichterliche Urteil enthielt keine konkreten Feststellungen zu der Zahl der möglichen Alternativopfer und zu einem darauf bezogenen Vorsatz des Täters (…). Der Senat war daher nicht gehalten, sich zu der Frage eines sogenannten Alternativvorsatzes zu äußern. Für das Verhältnis zwischen einem mit bedingtem Tötungsvorsatz begangenen Totschlagsversuch und einer für den Fall des Überlebens alternativ zumindest für möglich gehaltenen schweren Körperverletzung gemäß § 226 Abs.1, Abs.2 StGB zum Nachteil desselben Opfers ist allerdings bereits anerkannt, dass sich nach der Vorstellung des Täters gegenseitig ausschließende Folgen (sofortiger Tod oder Weiterleben mit schweren Folgen) Gegenstand von zwei nebeneinander bestehenden Vorsätzen sein können (…).

In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, dass in den Fällen des sogenannten Alternativvorsatzes nur einer der beiden Vorsätze zurechenbar sein könne, weil es der Täter ausgeschlossen habe, mehr als eines der in Rede stehenden Delikte zu vollenden (…). Demgegenüber nimmt die Literatur mehrheitlich eine handlungseinheitliche Verwirklichung beider Vorsätze an und will sich hieraus ergebende Wertungsprobleme erst – mit unterschiedlichen Ergebnissen – auf der Konkurrenzebene lösen (…).

  1. bb) Der Senat geht entsprechend der überwiegenden Meinung in der Literatur davon aus, dass der Angeklagte mit zwei ‒ ihm zurechenbaren ‒ bedingten Körperverletzungsvorsätzen gehandelt hat.

Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, weiter, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet (…). Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen sowohl hinsichtlich der Nebenklägerin als auch in Bezug auf ihren Bruder erfüllt. Für die Annahme von nur einem zurechenbaren Vorsatz besteht kein Grund. Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt nicht vor, denn auf sich gegenseitig ausschließende Erfolge gerichtete Vorsätze können miteinander verbunden werden, solange sie – wie hier – nicht den sicheren Eintritt eines der Erfolge zum Gegenstand haben (…).

b)Auch hat die Strafkammer das Konkurrenzverhältnis zutreffend beurteilt. Jedenfalls dann, wenn sich alternative Vorsätze des Täters – wie hier – auf höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Rechtsgutsträger richten und einer der erwarteten Erfolge eintritt, stehen das vollendete und das versuchte Delikt zueinander in Tateinheit (§ 52 StGB).“

(Letzte Aktualisierung: 03.02.2021)

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