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Strafrecht/Strafprozessrecht

Rechtliches Gehör

Nach Art. 103 Abs. 1 GG (Grundgesetz) gilt:

„Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.“

BAG, Beschl. v. 21.03.2024 – 2 AZN 785/23 [aus den Entscheidungsgründen]:

„Die Beklagte hat die vorrangige außerordentliche fristlose Kündigung ua. darauf gestützt, dass der Kläger am 24. September 2021 auf dem Gelände B an einem Eigentumsdelikt zu ihren Lasten beteiligt gewesen sei. Als Zeugen für diesen Kündigungssachverhalt hat sie insbesondere Herrn C benannt. Das Landesarbeitsgericht ist diesem Beweisantritt nicht nachgegangen, weil die Beklagte nicht dargetan habe, woran der Zeuge die Identität des Klägers festgemacht haben will (vgl. S. 18 f. des Berufungsurteils). Aus diesem Grund erweise sich auch die hilfsweise erklärte außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist als unwirksam und die Widerklage der Beklagten auf Erstattung der für die Überwachung durch einen Detektiv (den Zeugen C) angefallenen Kosten als unbegründet. Zudem sei die Beklagte zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers verpflichtet.

(…) Das Landesarbeitsgericht hat die Anforderungen an ein ausreichend substantiiertes, einer Beweisaufnahme zugängliches Vorbringen in einer mit Art. 103 Abs. 1 GG nicht mehr zu vereinbarenden Weise überspannt. Gemäß § 373 ZPO hat die Partei, die die Vernehmung eines Zeugen beantragen will, den Zeugen zu benennen und die Tatsachen zu bezeichnen, über die dieser vernommen werden soll. Dagegen verlangt das Gesetz nicht, dass der Beweisführer sich auch darüber äußert, welche Anhaltspunkte er für die Richtigkeit der in das Wissen des Zeugen gestellten Behauptung habe (BAG 6. April 2022 – 5 AZN 700/21 – Rn. 3).

(…) Der Gehörsverstoß ist für die Entscheidung über alle Klageanträge erheblich, die Gegenstand der Berufung der Beklagten waren (Kündigungsschutzanträge, Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung und Widerklage auf Schadensersatz). Hierfür genügt es, dass das Landesarbeitsgericht insoweit bei Vernehmung des von der Beklagten benannten Zeugen C (und ggf. des Zeugen K) möglicherweise zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Das ist nicht auszuschließen. Insbesondere könnte es sein, dass der Zeuge C den Kläger – ggf. ´versteckt´ im Publikum – im Gerichtssaal als eine der am 24. September 2021 auf dem Gelände B anwesenden Personen wiedererkennt.“

BGH, Urt. v. 08.11.2016 – VI ZR 512/15:

„Gerichte sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen einer Partei ausdrücklich auseinanderzusetzen (…). Vielmehr ist auch ohne ausdrückliche Erwähnung von Parteivorbringen grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (…). Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann aber dann festgestellt werden, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt, dass das Gericht Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht in Erwägung gezogen hat (BVerfGE 54, 86, 91). Davon ist unter anderem dann auszugehen, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingegangen ist, sofern er nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts nicht unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (…).“

Siehe auch BGH, Urt. v. 26.10.2016 – IV ZR 52/14.

(Letzte Aktualisierung: 02.05.2024)