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Strafrecht/Strafprozessrecht

Verdeckungsmord / Verdeckungsabsicht (§ 211 Abs. 2, 3. Gruppe, 1. Var. StGB)

Unter einer Verdeckungsabsicht im Sinne von § 211 StGB versteht man das Bestreben des Täters, das Bekanntwerden einer Vortat oder des Täters selbst zu verhindern oder die Aufklärung dessen zu erschweren.

BGH, Beschl. v. 30.03.2022 – 4 StR 356, 21, NStZ 2022, 476 = L& L 2022, 685:

„In Verdeckungsabsicht im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB handelt, wer als Täter ein Opfer deswegen tötet, um dadurch eine vorangegangene Straftat als solche oder auch Spuren zu verdecken, die bei einer näheren Untersuchung Aufschluss über bedeutsame Tatumstände geben könnten. Zu den einer Verdeckung zugänglichen Tatumständen gehört insbesondere die eigene Beteiligung an der vorangegangenen Tat. Schon begrifflich scheidet eine Tötung zur Verdeckung einer Straftat dagegen aus, wenn diese bereits aufgedeckt ist. Für die Beurteilung dieser Frage kommt es nicht auf die objektiv gegebene Sachlage, sondern ausschließlich auf die subjektive Sicht des Täters an. Solange der Täter subjektiv davon ausgeht, dass die Umstände der Tat noch nicht in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang bekannt sind, kommt eine Tötung aus Verdeckungsabsicht in Betracht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 6. Juni 2019 – 4 StR 541/18, NStZ 2019, 605 Rn. 14; vom 17. Mai 2011 – 1 StR 50/11, BGHSt 56, 239, 243 ff.; vom 1. Februar 2005 – 1 StR 327/04, BGHSt 50, 11, 14 ff.; vom 2. Dezember 1960 – 4 StR 453/60, BGHSt 15, 291, 295 ff.).“

BGH, Beschl. v. 26.03.2020 – 4 StR 134/19, NJW 2020, 2421:

„a) Einen Verdeckungsmord im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB begeht, wer tötet, um dadurch eine vorangegangene Straftat als solche oder auch Spuren zu verdecken, die bei einer näheren Untersuchung Aufschluss über bedeutsame Tatumstände, insbesondere zur Täterschaft, geben könnten (…). Der Umstand, dass die spätere Tötung im Zeitpunkt der Begehung der zu verdeckenden Tat bereits geplant war, steht der Annahme eines Verdeckungsmordes nicht entgegen, wenn es sich bei der zu verdeckenden Vortat und der Tötung um ein zweiaktiges Geschehen handelt (…). Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die zu verdeckende Tat und die Tötung zueinander im Verhältnis der Tateinheit (natürliche Handlungseinheit, Teilidentität von Ausführungshandlungen) oder der Tatmehrheit stehen (…). Anders liegt es lediglich dann, wenn der Täter nur diejenige Tat verdecken will, die er gerade begeht. Dies ist dann der Fall, wenn er einen bereits aus anderen Motiven begonnenen Tötungsversuch nun auch aus Angst vor Strafverfolgung fortsetzt. In diesem Fall macht allein die im Fortgang der Tatausführung hinzutretende Verdeckungsabsicht die davor begangenen Einzelakte nicht zu einer anderen Tat (…).“

Siehe auch BGH, Beschl. v. 14.03.2017 –2 StR 370/16, NStZ 2017, 583 = L&L 2017, 695):

„1. Rauben mehrere Täter das Tatopfer in seiner Wohnung, in der es der Prostitution nachgeht, aus und setzen es hierzu durch massive körperliche Gewalt außer Gefecht, um in Ruhe die Wohnung durchsuchen zu können, so kommt als zu verdeckende Vortat der von den Angeklagten begangene Raub nicht in Betracht, wenn die Angeklagten die Wohnung der Geschädigten nach Wertgegenständen erst durchsuchen, nachdem sie diese durch die ihr beigebrachten Verletzungen und die Fesselungen in eine konkrete Lebensgefahr gebracht und dabei ihren Tod billigend in Kauf genommen hatten.

  1. Zwar steht der Annahme eines Verdeckungsmordes grundsätzlich nicht entgegen, dass sich bereits die zu verdeckende Vortat gegen Leib und Leben des Opfers richtet. Um eine andere – zu verdeckende – Straftat im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB handelt es sich jedoch dann nicht, wenn der Täter nur diejenige Tat verdecken will, die er gerade begeht.“

BGH, Urt. v. 15.02.2018 – 4 StR 361/17 [Verdeckungsabsicht und bedingter Tötungsvorsatz]:

„Zwar ist das Landgericht im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass Verdeckungsabsicht und bedingter Tötungsvorsatz einander nicht grundsätzlich ausschließen, sondern auch zusammen bestehen können (vgl. BGH, Beschluss vom 4. August 2010 – 2 StR 239/10, NStZ 2011, 34; Urteil vom 23. November 1995 – 1 StR 475/95, BGHSt 41, 358, 360). Dies kann der Fall sein, wenn die maßgebliche Handlung vom Täter vorgenommen oder eine gebotene Handlung von ihm unterlassen wird, um eine vorangegangene Straftat zu verdecken, dieser Erfolg nach seinem Vorstellungsbild aber auch ohne den Eintritt des für möglich gehaltenen und billigend in Kauf genommenen Todeserfolges bewirkt wird, der bedingt vorsätzlich herbeigeführte Tod des Opfers mithin keine verdeckungsspezifische Funktion aufweist. So ist Verdeckungsabsicht etwa anzunehmen, wenn der Täter durch Vornahme seiner Verdeckungshandlung vorsätzlich eine Person zu Tode bringt, von der ihm – wie er weiß – überhaupt keine Entdeckung droht (…). Geht der Täter dagegen davon aus, dass nur der Tod des Opfers zur Vortatverdeckung führt, können Verdeckungsabsicht und lediglich bedingter Tötungsvorsatz nicht nebeneinander angenommen werden. Hiervon wird in der Regel auszugehen sein, wenn das Opfer den Täter kennt und er deshalb befürchtet, durch dessen Angaben überführt zu werden, falls es überlebt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 1988 – 3 StR 89/88, NJW 1988, 2682).“

(Letzte Aktualisierung: 11.11.2022)