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Strafrecht/Strafprozessrecht

Vermögensbetreuungspflicht (§ 266 Abs. 1 StGB)

Siehe dazu etwa BGH, Beschl. v. 20.08.2019 – 2 StR 381/17, NJW 2020, 631 = NStZ 2020, 35 m. Anm. Brand, NStZ 2020, 38:

„(1) Eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB ist gegeben, wenn der Täter gegenüber dem (potentiell) Geschädigten eine innerlich besonders herausgehobene, nicht nur beiläufige Pflicht zur Wahrnehmung von dessen Vermögensinteressen innehat, die über die für jedermann geltenden Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten und die allgemeine Pflicht hinausgeht, auf die Vermögensinteressen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen. Dabei muss dem Täter Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen bleiben und ihm eine gewisse Selbständigkeit belassen werden (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 7. September 2017 – 2 StR 24/16, BGHSt 62, 288, 299 f. mwN; BGH, Beschluss vom 16. August 2016 – 4 StR 163/16, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 54; Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, BGHSt 61, 48, 62 f.; Urteil vom 11. Dezember 2014 – 3 StR 265/14, BGHSt 60, 94, 104 f.; jew. mwN).

Zwar kann eine faktische Herrschaft über Vermögensinteressen eines anderen im Einzelfall ausreichen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. August 2013 – 4 StR 255/13, NStZ-RR 2013, 344, 345; Urteil vom 10. Juli 1996 – 3 StR 50/96, NStZ 1996, 540, 541; Urteil vom 15. Mai 1990 – 5 StR 549/89, BGHR StGB, § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 13; Urteil vom 6. Dezember 1983 – VI ZR 117/82, juris Rn. 12). Da der Treubruchtatbestand sich jedoch nur gegen Angriffe „aus dem eigenen Lager“ des Geschädigten richtet, ist ferner erforderlich, dass der Täter nach dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Vermögensinhabers eine Einwirkungsmöglichkeit auf dessen, mithin dem Täter fremdes Vermögen hat (Schönke/Schröder/Perron, StGB, 30. Aufl., § 266 Rn. 30; Bittmann, Praxishandbuch Insolvenzstrafrecht, 2. Aufl., § 16 Untreue, § 266 StGB Rn. 11 f.).

Bei Darlehensverhältnissen oder sonstigen Kreditvereinbarungen ist der Darlehensnehmer gegenüber dem Darlehensgeber grundsätzlich nicht treupflichtig (BeckOK StGB/Wittig, 42. Edition, § 266 Rn. 40.5; Schönke/Schröder/Perron, aaO, § 266 Rn. 26; NK-StGB/Kindhäuser, 5. Aufl., § 266 Rn. 57). Denn der Darlehensnehmer handelt nicht in fremdem, sondern im eigenen Interesse. Über die Einzelheiten des Mitteleinsatzes entscheidet der Darlehensnehmer selbst, weil er mit dem zur Verfügung gestellten Darlehen ein zeitlich befristetes Kapitalnutzungsrecht erwirbt (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2007 – XI ZR 132/06, juris Rn. 15). Bei einem zweckgebundenen Darlehen kann jedoch durch die Einbeziehung auftragsähnlicher Elemente im Einzelfall eine derartige Vermögensbetreuungspflicht des Darlehensnehmers gegenüber dem Darlehensgeber begründet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 26. März 2018 – 4 StR 408/17, NJW 2018, 1486, 1488; Urteil vom 6. März 1984 – 5 StR 997/83, StV 1984, 326; Urteil vom 15. Juni 1976 – 1 StR 266/76, bei Holtz MDR 1976, 986, 987; Urteil vom 16. Oktober 1968 – 2 StR 429/68, bei Dallinger MDR 1969, 532, 534; OLG Hamm, Beschluss vom 5. März 1998 – 3 Ss 1395/97, StraFo 1998, 195 ff.). Erforderlich ist dabei, dass das Vertragsverhältnis Elemente einer Geschäftsbesorgung aufweist und die dadurch festgelegte Verpflichtung zur fremdnützigen Vermögenssorge einen wesentlichen Inhalt des Vertragsverhältnisses ausmacht und nicht von untergeordneter Bedeutung ist (BGH, Urteil vom 4. November 1988 – 1 StR 480/88, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 11 mwN). Dies wird bei einem Darlehen in der Regel nur dann in Betracht kommen, wenn durch die besondere Zweckbindung und die sich daraus ergebende Verpflichtung des Darlehensnehmers zur zweckgerechten Verwendung der Valuta Vermögensinteressen des Darlehensgebers geschützt werden und diese wirtschaftlich im Mittelpunkt des Vertrages stehen (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2018 – 4 StR 408/17, NJW 2018, 1486, 1488; Urteil vom 16. Oktober 1968 – 2 StR 429/68, bei Dallinger MDR 1969, 534 [Brauereidarlehen zur Investition in eine dauerhaft zu beliefernde Gaststätte]; Urteil vom 22. November 1955 – 5 StR 705/54, BGHSt 8, 271, 272 f. mwN [Baukostenzuschuss eines zukünftigen Mieters des zu errichtenden Hauses]). Demgegenüber können allgemeine schuldrechtliche Verpflichtungen des Darlehensgebers keine Vermögensbetreuungspflicht begründen (Bittmann, aaO, § 16 Untreue, § 266 StGB Rn. 16).“

(Letzte Aktualisierung: 28.02.2020)