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Strafrecht/Strafprozessrecht

Vermögensschaden (§§ 253, 263 StGB u.a.)

Ein Vermögensschaden tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung), siehe z.B. BGH, Urt. v. 02.02.2016 – 1 StR 435/15, NJW 2016, 2434, Beschl. v. 02.03.2016 – 1 StR 433/15, NStZ 2016, 409, Urt. v. 28.04.2016 – 4 StR 317/15, Urt. v. 16.06.2016 – 1 StR 20/16).

BGH, Beschl. v. 19.07.2023 – 2 StR 77/22, NStZ 2023, 680 m. Bespr. Schulte-Rudzio, NStZ 2024, 40:

„Ein Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB liegt vor, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 – 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 201 mwN). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Vermögensverfügung, also der Vergleich des Vermögenswerts unmittelbar vor und nach der Verfügung (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 19. Mai 2021 – 1 StR 496/20, NStZ-RR 2021, 310, 311 mwN). Danach ist dem jeweils angelegten Betrag der Wert des gleichzeitig erlangten Rückzahlungsanspruchs gegenüberzustellen. Der Rückzahlungsanspruch wird – bei grundsätzlich gegebener Zahlungswilligkeit des Schuldners – maßgeblich durch dessen Bonität und den Wert gegebenenfalls gestellter Sicherheiten bestimmt. Der Wert dieser Forderung bestimmt sich – wie auch sonst beim Vermögensvergleich – nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 2015 – 3 StR 247/15, NStZ 2016, 343 f. mwN) und ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschlüsse vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 224 f., 230 f., und vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09 u.a., BVerfGE 130, 1, 47 f.) konkret festzustellen und zu beziffern.“

BGH, Urt. v. 04.10.2018 – 3 StR 283/128, NJW 2019, 1473:

„Die Verurteilung wegen in Mittäterschaft begangenen versuchten Betrugs (§ 263 Abs. 1, 2, §§ 22, 25 Abs. 2 StGB) in Tateinheit mit Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 StGB) hält mit Ausnahme der Änderung der Konkurrenzen bezüglich zweier Fälle der rechtlichen Nachprüfung stand:

(…) Die – wenngleich noch nicht durchgreifend bedenklich – knappen Feststellungen belegen sämtliche Elemente des subjektiven Tatbestandes, insbesondere den Vorsatz bezüglich des Vermögensschadens. Dass das Landgericht den Angeklagten nicht wegen vollendeten Betrugs verurteilt, sondern sich der Bezifferung der dem Grunde nach festgestellten (Mindest-)Vermögensschäden durch die Verfahrensbeschränkung nach § 154a StPO entzogen hat, beschwert ihn nicht. Ebenso wenig verhilft es der Sachrüge zum Erfolg, dass das Landgericht – was von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmen ist – die Beschränkung der Strafverfolgung nicht durch gesonderten Beschluss, sondern im Urteil ausgesprochen (dazu BGH, Urteile vom 27. Juni 1984 – 3 StR 176/84, NStZ 1984, 468, 469; vom 5. Dezember 1995 – 1 StR 140/95, BGHR StPO § 154a Beschränkung 4) sowie erst in den Urteilsgründen die erforderliche und im Schlussvortrag erteilte Zustimmung der Staatsanwaltschaft dokumentiert hat (§ 154a Abs. 1 Satz 3 StPO). Im Einzelnen:

(…)  Vermögensschaden im Sinne des § 263 StGB ist die Vermögensminderung infolge der Täuschung, also der Unterschied zwischen dem Wert des Vermögens vor und nach der täuschungsbedingten Vermögensverfügung. Durch das Auszahlen des Darlehens hatte die Bank bereits ihre Hauptleistungspflicht (§ 488 Abs. 1 Satz 1 BGB) erfüllt (Erfüllungsstadium); daher sind die Grundsätze eines Eingehungsbetrugs durch Abschluss eines Vertrags, bei welchem für den Vermögensvergleich maßgeblich auf den jeweiligen Wert der beiderseitigen Vertragspflichten abzustellen ist, nur bedingt anwendbar. Dem Auszahlungsbetrag zu seinem nominellen Geldwert ist der Wert des dadurch erlangten Rückzahlungsanspruchs (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB) gegenüberzustellen. Ein etwaiger Wert dieser Forderung bestimmt sich – wie auch sonst beim Vermögensvergleich – nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise und ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschlüsse vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/09 u.a., BVerfGE 126, 170, 229; vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09 u.a., BVerfGE 130, 1, 47 f.) konkret festzustellen und zu beziffern. Es ist grundsätzlich zu ermitteln, was die Rückzahlungsforderung am Markt wert ist. Maßgeblich sind in erster Linie die Zahlungsfähigkeit und -willigkeit des Schuldners sowie der Wert gegebenenfalls gestellter Sicherheiten. Bankübliche Bewertungsansätze für die Wertberichtigung können im Ausgangspunkt berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 26. November 2015 – 3 StR 247/15, wistra 2016, 228, 229 mwN). Dabei darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass das handelsbilanzielle Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) die Vorschriften der § 340e Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 253 Abs. 4 HGB zur Bewertung von Darlehensrückzahlungsforderungen des Umlaufvermögens bestimmt; dies dient dem Grundsatz der Kapitalerhaltung und damit dem Gläubigerschutz. Mithin können die handelsbilanziellen Abschreibungen nicht stets „eins zu eins“ für die strafrechtliche Bestimmung des (tatsächlich realisierten) Minderwerts übernommen werden (vgl. Becker, HRRS 2009, 334, 337 ff.; ders., JR 2012, 82, 83; Hefendehl, wistra 2012, 325, 328 f.; Wessing/Krawczyk, NZG 2010, 1121, 1124).

Weiter ist in den Blick zu nehmen, dass eine Darlehensrückzahlungsforderung stets mit einem Ausfallrisiko behaftet ist. Das übliche, jeder Darlehenshingabe innewohnende Risiko wird regelmäßig in den Bedingungen des jeweiligen Vertrags berücksichtigt sein: Die Bank wird den Minderwert eines ungesicherten Rückzahlungsanspruchs durch Vereinbarung eines Risikozuschlags bei der Höhe des Zinssatzes auszugleichen versuchen. Im Ergebnis ist damit der Umfang des erhöhten Ausfallrisikos, das die Bank in Unkenntnis der schlechten Einkommensverhältnisse unbewusst eingeht, mit dem Umfang des marktüblichen Ausfallrisikos, das anzunehmen gewesen wäre, wenn die Angaben des Täters zu den risikobestimmenden Faktoren zutreffend gewesen wären, zu vergleichen. Dadurch, dass das „normale“ Ausfallrisiko auf die beschriebene Art und Weise eingepreist ist, begegnet es dabei indes regelmäßig keinen Bedenken, den Rückzahlungsanspruch bei einem nicht durch Täuschung erschlichenen Kreditvertrag mit 100 % des ausgereichten Darlehensbetrages zu bewerten (BGH, Urteil vom 26. November 2015 – 3 StR 247/15, wistra 2016, 228, 229 f. mwN).“

Siehe auch BGH, Urt. v. 04.10.2017 – 2 StR 260/17, NStZ 2018, 213 m. Anm. Schilling, NStZ 2018, 214.

(Letzte Aktualisierung: 22.01.2024)

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