Abschnittskontrolle
Hierbei handelt es sich um ein Instrument der Verkehrsüberwachung. Bei der Abschnittskotrolle (auch Section Control genannt) erfolgt eine Geschwindigkeitsüberwachung über eine längere Strecke. Aus der ermittelte Durchschnittsgeschwindigkeit kann sodann auf eine unzulässige Geschwindigkeitsüberschreitung geschlossen werden.
Siehe auch OVG Lüneburg, Urt. v. 13.11.2019 – 12 LC 79/19 [aus den Entscheidungsgründen]:
„Die Unterlassungsklage ist aber unbegründet. Der Kläger hat zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt am Schluss der mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. bereits den o. a. Senatsbeschl. v. 3.7.2019 – 12 MC 93/19 -, juris) keinen Anspruch gegen den Beklagten, die abschnittsbezogene Geschwindigkeitskontrolle auf der B 6 zu unterlassen.
Die erhobene Unterlassungsklage setzt für ihren Erfolg voraus (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.10.2014 – 6 C 7/13 -, juris, Rn. 20, m. w. N.), dass dem Kläger durch die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften über die Abschnittskontrolle ein rechtswidriger Eingriff in sein grundrechtlich geschütztes Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Unterfall des allgemeinen Persönlichkeitsrechts droht. Das ist selbst dann, wenn man in der Abschnittskontrolle einen solchen Eingriff sieht, jedenfalls deshalb nicht der Fall, weil hierfür nunmehr mit § 32 Abs. 7 NPOG in der Fassung des Gesetzes vom 20. Mai 2019 (Nds. GVBl. S. 88) eine gesetzliche Eingriffsermächtigung vorliegt (1.) und sich die von der Polizeidirektion B-Stadt für den Beklagten zu verantwortende Kontrolle auf der B 6 in diesem gesetzlichen Rahmen hält (2.)
1. Die vom Kläger gegen die Verfassungskonformität der gesetzlichen Neuregelung vorgetragenen Argumente greifen aus den vom Senat bereits in seinem Beschluss vom 3. Juli 2019 angeführten Gründen nicht durch.
a) Das Land war gesetzgebungsbefugt.
Wie der Beklagte zutreffend ausgeführt hat, ist zwar die Zuordnung der Abschnittskontrolle als neuartige Form der Geschwindigkeitsüberwachung zu einer Gesetzgebungsmaterie noch nicht geklärt; erörtert wird neben der Qualifikation als Teil des Strafverfahrens- (oder genauer des Ordnungswidrigkeitenrechts, da eine Geschwindigkeitsüberschreitung in der Regel „nur“ eine Ordnungswidrigkeit darstellt) auch eine Einordnung als Maßnahme der Strafverfolgungsvorsorge, des Straßenverkehrsrechts oder des sonstigen allgemeinen Gefahrenabwehrrechts. Von praktischer Bedeutung für dieses Verfahren ist die richtige Zuordnung aber nur dann, wenn damit auch eine Gesetzgebungskompetenz des Landes ausgeschlossen ist. Wie in der mündlichen Verhandlung nochmals erörtert, ist dies nicht bereits dann der Fall, wenn es sich um eine Sachmaterie handelt, die (gemäß Art. 74 GG) in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes fällt. Nach Art. 72 Abs. 1 GG besteht auch insoweit eine Sperrwirkung von Bundesgesetzen gegenüber den Ländern nur, „solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz durch Gesetz Gebrauch gemacht hat“; im Übrigen verbleibt den Ländern nach der Grundnorm des Art. 70 Abs. 1 GG die Gesetzgebungskompetenz.
aa) Soweit § 32 Abs. 7 NPOG dazu dient, Geschwindigkeitsüberschreitungen zu verhüten, ist die landesrechtliche Gesetzgebungskompetenz ohne weiteres gegeben. Denn die Gesetzgebungsbefugnis der Länder für die Gefahrenabwehr betrifft nicht nur die Abwehr selbst, sondern auch vorgelagerte Maßnahmen zu deren Verhütung oder zur Vorbereitung von Maßnahmen, die der späteren Gefahrenabwehr dienen. Sie schließt damit auch Vorfeldmaßnahmen speziell der Verhütung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten ein (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.7.2005 – 1 BvR 668/04 -, juris, Rn. 93 ff.). Insoweit besteht schon keine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, d. h. für das gerichtliche Verfahren unter Einschluss des Strafverfahrens (vgl. Schriftlicher Bericht zum NPOG, LT-Drs. 18/3723, S. 41).
bb) Sollte die Abschnittskontrolle – entgegen des Vorbringens des Beklagten – daneben (gleich-) oder gar vorrangig als Maßnahme der Straf- bzw. Ordnungswidrigenverfolgungsvorsorge einzuordnen sein, so ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Bund von seiner vorgenannten konkurrierenden Kompetenz jedenfalls bezogen auf Vorsorgemaßnahmen durch offene Überwachung des öffentlichen Raums, wie dann hier, nicht abschließend und die Länder verdrängend Gebrauch gemacht hat, insbesondere nicht in der Strafprozessordnung (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.1.2012, a. a. O., juris, Rn. 35 f.).
cc) Gleiches gilt zwar nicht für die Verfolgung von Straftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten. Entgegen des Vorbringens des Klägers sind die hier umstrittenen Teile der Abschnittskontrolle bis einschließlich der Anfertigung des im Tatbestand angeführten „zweiten“ Fotos aber eigenständig zu beurteilen (vgl. neben dem o. a. Schriftlichen Bericht, S. 40, schon Arzt/Eier, NZV 2010, 113, 117, und aus neuerer Zeit etwa Brenner, DAR 2019, 243 f.); sie können rechtlich nicht als Bestandteil einer einheitlichen repressiven Maßnahme gegenüber vermeintlichen Verkehrssündern, d. h. als Maßnahme der „Strafverfolgung“, angesehen werden. Denn bis dahin werden die Daten aller die Strecke passierenden Fahrzeuge erfasst, und es besteht bei Einfahrt in die überwachte Strecke ersichtlich nicht der für ein Ermittlungsverfahren notwendige (vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 5.7.2010 – 2 BvR 759/10 -, juris, Rn. 13) Anfangsverdacht einer Geschwindigkeitsüberschreitung gegenüber allen Verkehrsteilnehmern oder auch nur einer erheblichen Anzahl unter ihnen. Dementsprechend beschränkt sich die hier streitige Ermächtigung in § 32 Abs. 7 NPOG bewusst allein auf die Regelung des präventiven Teils der Geschwindigkeitsüberwachung und verfolgt gerade das Ziel, Geschwindigkeitsüberschreitungen zu verhindern.
Erst wenn bei der Überwachung eine Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit und damit der Verdacht der Begehung zumindest einer Ordnungswidrigkeit festgestellt worden ist, richtet sich das weitere Verfahren mit der Anfertigung der weiteren Fotos nach § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO. Inwieweit dabei die Annahme, die bis dahin erhobenen Daten könnten nach § 39 Abs. 6 NPOG (i. V. m. §§ 161, 163 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG) von präventiven zu repressiven Zwecken umgewidmet werden (vgl. Schriftlicher Bericht zum NPOG, LT-Drs. 18/3723, S. 41, zur Streichung des Satzes 5 der Entwurfsfassung [LT-Drs. 18/850, 11, 56]), im Gesetzeswortlaut des NPOG hinreichend Niederschlag gefunden hat, ist vorliegend unerheblich. Jedenfalls hat der Bundesgesetzgeber mit dem Erlass des § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO als Rechtsgrundlage zur Anfertigung der bezeichneten Fotos keine – eine Länderregelung insoweit verdrängende – Regelung zu den zulässigen (technischen) Maßnahmen zur Verhinderung der Begehung von Ordnungswidrigkeiten (im Straßenverkehr) getroffen. Die „Anlage“ ist nur bei einem solchen repressiven Vorgehen, und dann auch nur technisch, mit den Worten des Klägers „auf jedes einzelne Teil angewiesen“; dies gilt aber nicht in gleicher Weise umgekehrt für ihre präventive Funktion. Diese verwirklicht sich vielmehr schon darin, dass sich repressive Maßnahmen wie die Anfertigung des dritten und vierten Fotos möglichst erübrigen, weil die Mehrzahl der Kraftfahrer im Wissen um die Inbetriebnahme der Anlage die zulässige Höchstgeschwindigkeit einhalten wird.
dd) Soweit eine Zuordnung der Abschnittskontrolle als Maßnahme des Straßenverkehrsrechts in Betracht kommt, ist dem Beklagten (ebenso Müller, NZV 2019, 279, 283) und dem Gesetzgeber (vgl. nochmals den Schriftlichen Bericht, S. 41) darin zu folgen, dass der Bund von dieser Befugnis jedenfalls nicht erkennbar abschließend Gebrauch gemacht hat, insbesondere nicht durch die – bislang nicht umgesetzten – Verordnungsermächtigungen in § 6 Abs. 1 Nr. 3 StVG. Dafür spricht verstärkend, dass der Bund dort auch die herkömmlichen technischen Methoden zur Überwachung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht selbst geregelt, sondern vorausgesetzt und ihren Einsatz den Ländern überlassen hat, ohne dass hiergegen – soweit ersichtlich – bislang in der Rechtsprechung Einwände erhoben worden sind. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht, soweit es den Einsatz von Messgeräten zur Verkehrsüberwachung verfassungsrechtlich beanstandet hat, dafür eine (landes-)gesetzliche Grundlage vermisst, nicht aber dem Land die Gesetzgebungskompetenz abgesprochen (vgl. Beschl. v. 11.8.2009 – 2 BvR 941/08 -, juris, mit Anmerkung von Bücken, jurisPR-VerkR 25/2009 Anm. 1, wonach „abzuwarten bleibe, ob und wann einzelne Bundesländer rechtliche Grundlagen für eine verdachtsunabhängige Videoüberwachung des fließenden Verkehrs schaffen werden“).
ee) In dem in der mündlichen Verhandlung erörterten (Bundes-)Mess- und Eichgesetz sind ebenfalls nur die allgemeinen Voraussetzungen für den Einsatz von Messgeräten, zu denen auch solche zur Ermittlung der Geschwindigkeit von Kraftfahrzeugen auf öffentlichen Straßen zu rechnen sind, enthalten, nicht aber weiter gehende und abschließende bundesrechtliche Vorgaben dazu, welche geeichten Geschwindigkeitsmessgeräte zur Verkehrsüberwachung (von welchen Behörden) eingesetzt werden dürfen (vgl. zu den üblichen Geschwindigkeitsmessgeräten den Überblick nach dem Stand vom August 2010 bei Weber, in: Berz/Burmann, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, Werkstand: 40. EL Oktober 2019, Nr. 11 A.I.).
Demnach hat der Bund von einer (unterstellten) konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz insoweit keinen abschließenden Gebrauch gemacht. Eine nähere Auseinandersetzung mit der abweichenden Ansicht von Brenner (zuletzt DAR 2019, 241, 244) ist nicht möglich. Denn er stellt lediglich ein „Gebrauchmachen“ des Bundes fest, ohne auf die entscheidende Frage einzugehen, ob und weshalb dieses auch abschließend sein soll.
b) Auch materiell ist § 32 Abs. 7 NPOG verfassungskonform.
Als (unterstellte) Ermächtigung zu Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist die Norm im Ausgangspunkt insbesondere am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.12.2018 – 1 BvR 142/15 -, juris, Rn. 82, m. w. N.). Sie muss danach einen legitimen Zweck verfolgen, zur Erreichung des Zwecks geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein sowie insbesondere im Bereich der Datenverarbeitung zugleich den Grundsätzen der Normenklarheit und Bestimmtheit genügen.
Anlasslose Kontrollen sind damit allerdings nicht generell ausgeschlossen (BVerfG, a. a. O., Rn. 94). Wenn polizeiliche Kontrollen an ein gefährliches oder risikobehaftetes Tun beziehungsweise an die Beherrschung besonderer Gefahrenquellen anknüpfen, kann schon darin ein dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügender Grund liegen. Die Rechtfertigung für Kontrollen kann dort bereits an die besondere Verantwortung der Betroffenen gegenüber der Allgemeinheit anknüpfen und bedarf deshalb grundsätzlich keines darüberhinausgehenden Anlasses. Für automatisierte Kennzeichenkontrollen kommt das etwa in Betracht, wenn mit ihnen Gefahren bekämpft werden, die sich gerade aus dem Betrieb der Kraftfahrzeuge ergeben. Die Lage ist insoweit nicht anders als bei zahlreichen anderen Arten polizeilicher Kontrollmaßnahmen wie bei anlasslos stichprobenhaft durchgeführten Straßenverkehrskontrollen oder anlasslosen Kontrollen in weiten Bereichen etwa des Umwelt- oder Wirtschaftsverwaltungsrechts.
Dem Kläger kann daher nicht in der Annahme gefolgt werden, von Verfassungs wegen müsse die in § 32 Abs. 7 NPOG enthaltene Ermächtigung zur Kennzeichenerfassung und ihrer vorübergehenden verschlüsselten Speicherung zwecks Verhütung von Geschwindigkeitsüberschreitungen zwingend bereits gesetzlich weiter gehend eingegrenzt werden, etwa auf Strecken mit besonderer Unfallträchtigkeit oder einer überdurchschnittlich hohen Quote von Geschwindigkeitsverstößen (vgl. Brenner, DAR 2019, 241, 243). Im Übrigen besteht jedenfalls gegenwärtig auch deshalb kein Anlass für den Landesgesetzgeber, den Anwendungsbereich des § 32 Abs. 7 NPOG zu beschränken, weil auf der in Rede stehenden Strecke bundesweit erstmals überhaupt eine entsprechende Abschnittskontrolle als Pilotbetrieb erfolgt (vgl. Kupper, NZV 2019, 233 f., sowie Märtens/Wynands, NZV 2019, 83 ff.) und jegliche Anzeichen für eine flächendeckende Ausdehnung in Niedersachsen als Massenerscheinung fehlen; dies liegt auch angesichts des vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung betonten Aufwands fern. Dementsprechend ist in Artikel 5 Satz 2 des Änderungsgesetzes vom 20. Mai 2019, mit dem § 32 Abs. 7 als spezielle Rechtsgrundlage für die Abschnittskontrolle in das zugleich umbenannte, jetzige NPOG eingefügt worden ist, ausdrücklich bestimmt worden, dass die Landesregierung ein Jahr nach Aufnahme des Wirkbetriebes unter wissenschaftlicher Begleitung die Wirksamkeit und die praktische Anwendung der Abschnittskontrolle zu prüfen und dem Landtag danach gemäß Satz 3 (auch) über das Ergebnis dieser Evaluierung zu berichten hat. Schließlich ist die Verhältnismäßigkeit der Kontrollen nach allgemeinen Grundsätzen ohnehin im Rahmen der Anwendung sicherzustellen (vgl. BVerfG, a. a. O., Rn. 100).
Der weitere, in der mündlichen Verhandlung vertiefte Einwand des Klägers, der Einsatz „klassischer“ Messgeräte sei bei gleicher Wirksamkeit weniger eingriffsintensiv, die Abschnittskontrolle deshalb unverhältnismäßig, trifft nicht zu. Dabei wird verkannt, dass die Abschnittskontrolle die Geschwindigkeit nicht nur punktuell, sondern über einen längeren Streckenabschnitt ermittelt und damit nicht nur über eine längere Strecke zur Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit beiträgt, sondern zusätzlich abrupte gefährliche Bremsungen vor dem „Blitzer“ vermeidet (vgl. nochmals den Schriftlichen Bericht, S. 40), also insoweit wirksamer als die bislang üblichen Überwachungsmethoden ist (Kupper, a. a. O., sowie ders., Untersuchung des Einflusses der Abschnittskontrolle auf die Verkehrssicherheit der B 6 bei B-Stadt, in: PTB Mitteilungen 2/2019, 60 Jahre „Blitzer in Deutschland, S. 57 ff., ebenso Koehl, SVR 2019, 199 f., vgl. ferner Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags, Verfassungsmäßigkeit der nds. Abschnittskontrolle, 5. März 2019, S. 16 f.). Dies gilt auch für die vom Kläger als Alternative aufgezeigte Möglichkeit, mehrere herkömmliche Überwachungsanlagen kurz hintereinander aufzustellen. Der dafür erforderliche personelle und sachliche Aufwand dürfte zudem jedenfalls bei der hier in Rede stehenden Streckenlänge von mehr als zwei Kilometern ungleich höher als bei der Abschnittskontrolle sein. Auf die vom Beklagten zugunsten der Abschnittskontrolle zusätzlich geltend gemachte höhere Akzeptanz unter den Verkehrsteilnehmern kommt es daher nicht entscheidend an. Zur Klarstellung wird nochmals darauf hingewiesen, dass gemäß § 32 Abs. 7 Satz 2 NPOG bei den in Rede stehenden Teilen der Abschnittskontrolle entgegen des schriftlichen Vorbringens des Klägers keine Daten von dem Fahrer oder gar von einem Beifahrer, sondern (zunächst, d. h. präventiv) ausschließlich fahrzeugbezogene Daten verschlüsselt erhoben werden.
Soweit nach dem Bundesverfassungsgericht (a. a. O., Rn. 101) im Übrigen aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung gewisse übergreifende Anforderungen an Transparenz, individuellen Rechtsschutz und aufsichtliche Kontrolle folgen, wird diesen Anforderungen, insbesondere an die Transparenz, durch die speziellen Regelungen in den Sätzen 2 bis 4 des § 32 Abs. 7 NPOG über die Kenntlichmachung der Abschnittskontrolle (Satz 4) sowie die Pflicht, Datensätze über sog. Nichttreffer sofort automatisch zu löschen (Satz 3), und durch die ergänzend anzuwendenden allgemeinen datenschutzrechtlichen Regelungen hinreichend Rechnung getragen.
Eine verfassungsrechtliche Grundlage für die Forderung des Klägers, über den bisherigen Inhalt des § 32 Abs. 7 Satz 4 NPOG hinaus nähere Einzelheiten zur „Kenntlichmachung“ der Abschnittskontrolle gesetzlich vorzugeben, ist nicht ersichtlich. Aus dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck der Regelung, die Verkehrsüberwachung in Gestalt der Abschnittskontrolle erkennbar offen durchzuführen, ergibt sich ausreichend deutlich, dass der örtliche Hinweis für den durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer wahrnehmbar sein muss. Dem Kläger ggf. vor Augen stehende millimetergenaue Mustervorgaben zur konkreten Ausgestaltung von Hinweisschildern überschritten hingegen die vom Gesetzgeber zu fordernde Regelungstiefe, sie können vielmehr, wie hier geschehen, der (Ministerial-)Verwaltung überantwortet werden. Dass es dem Land grundsätzlich offensteht, entsprechende Hinweisschilder zu gestalten, hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 3. Juli 2019 (S. 9 f. des Abdrucks) ausgeführt; hierauf wird verwiesen.
Sonstige Bedenken gegen die Verfassungskonformität des § 32 Abs. 7 NPOG sind von den Beteiligten nicht geltend gemacht worden und drängen sich auch dem Senat nicht auf. Insbesondere muss gesetzlich nicht auch die Art des eingesetzten (geeichten) Überwachungssystems – hier TraffiSection S450 – geregelt werden.
2. Soweit die Einwände des Klägers (auch) so zu verstehen sind, dass sie sich auf die fehlende Rechtmäßigkeit gerade der Abschnittskontrolle auf der B 6 beziehen sollen, greifen sie ebenfalls nicht durch.
a) Dass zu den polizeilichen Aufgaben nach § 1 NPOG in Niedersachsen die Überwachung des fließenden Verkehrs gehört (vgl. allgemein Müller, Rechtsgrundlagen der staatlichen Verkehrsüberwachung, NZV 2016, 254, 258) und diese polizeiliche Aufgabe einschließlich der streitigen Art der Geschwindigkeitsüberwachung im Bereich der B 6 von der Polizeidirektion B-Stadt (§§ 87 Abs. 1 Nr. 3, 90 Abs. 1 und 2 Nr. 3 NPOG) wahrgenommen wird, wird vom Kläger zu Recht nicht in Frage gestellt.
In § 32 Abs. 7 Satz 1 NPOG wird dementsprechend eine solche polizeiliche Aufgabe vorausgesetzt, indem ausdrücklich auch der „Polizei“ die Befugnis zur Abschnittskontrolle eingeräumt wird.
b) Wie dargelegt, bedarf eine, zumal eine offene, Überwachung der Einhaltung der Geschwindigkeit auf öffentlichen Straßen keiner besonderen einzelfallbezogenen Rechtfertigung; sie ist „anlasslos“ zulässig.
Im Übrigen hat der Beklagte unter Bezug auf die bereits zuvor zitierte Auswertung von Kupper (NZV 2019, 233 f.) hinreichend deutlich gemacht, dass es auf der vom Innenminister bereits vor dem Inkrafttreten des § 32 Abs. 7 NPOG ausgewählten, nachfolgend der Sache nach vom Landesgesetzgeber im Mai 2019 gebilligten Referenzstrecke in der Vergangenheit überdurchschnittlich häufig zu Überschreitungen der Höchstgeschwindigkeit gekommen ist und nach den Auswertungen diese Zahl während des Pilotbetriebs der Anlage signifikant zurückgegangen ist, es sich also danach auch im Einzelfall um eine effektive Maßnahme handelt. Den Angaben des Beklagten in der Klageerwiderung vom 5. März 2019 (S. 2, Bl. 81 GA) und lediglich ergänzend dem damit übereinstimmenden Beitrag von Buchheit („Abschnittskontrolle erstmalig in Betrieb“) in den o. a. PTB Mitteilungen 2/2019 (S. 39 ff.) lässt sich weiter entnehmen, dass es sich bei dem Abschnitt mit einem werktäglichen Verkehrsaufkommen von mehr als 15.000 Fahrzeugen um einen Unfallschwerpunkt (Bild 2) handelt. Aus welchen Motiven unter allen in Betracht kommenden Strecken gerade die B 6 als Pilotabschnitt ausgewählt worden ist, ist in diesem Verfahren daher ebenso unerheblich, wie sich eine Auseinandersetzung mit der vom Kläger aufgestellten Annahme erübrigt, auf anderen Straßen, insbesondere niedersächsischen Autobahnen, bestehe ein höherer Überwachungsbedarf oder es komme dort häufiger zu Unfällen. Denn ein Verkehrsteilnehmer drittschützendes Auswahlermessen hinsichtlich der zu überwachenden Strecke lässt sich § 32 Abs. 7 NPOG nicht entnehmen.
Dass die auf dem in Rede stehenden Abschnitt angeordnete Geschwindigkeitsbegrenzung auf 100 km/h unwirksam wäre und damit die Abschnittskontrolle ins Leere ginge, ist nicht ersichtlich.
c) Da jedenfalls dem Kläger die Strecke, auf der die Abschnittskontrolle auf der B 6 erfolgt ist und wiederaufgenommen werden soll, bekannt ist, kann er sich in diesem, auf die (mögliche) Verletzung in eigenen Rechten beschränkten Verfahren nicht erfolgreich darauf berufen, das dort bislang befindliche Hinweisschild werde den Anforderungen des § 32 Abs. 7 NPOG nicht gerecht; es befinde sich nicht in hinreichendem Abstand vor dem Beginn der überwachten Strecke oder sei zu klein. Soweit der Kläger in den Raum gestellt hat, dass sich aus § 32 Abs. 7 NPOG allgemein und damit auch für ihn ein Anspruch auf einen sachlichen Hinweis auf die Abschnittskontrolle gerade vor Ort ergebe, trifft dies nicht zu; ein hier der Sache nach an ihn vorab erfolgter individueller Hinweis ist dadurch nicht ausgeschlossen. Dass das zukünftig bei der Einfahrt in die Abschnittskontrolle vorgesehene Schild mit Kamerapiktogramm unverständlich oder zu klein wäre, trägt der Kläger im Übrigen selbst nicht substantiiert vor.
d) Schon aus dem vorgenannten Grund, der erforderlichen, aber fehlenden Verletzung in eigenen Rechten, scheidet auch eine erfolgreiche Berufung des Klägers darauf aus, dass der Beklagte allgemein (sonstigen) Betroffenen nicht hinreichend die nach § 50 NDSG erforderlichen datenschutzrechtlichen Informationen, etwa über Auskunfts- und Löschungsrechte, vermittele.
Denn jedenfalls dem Kläger sind diese Informationen aus den gewechselten Schriftsätzen, insbesondere dem des Beklagten vom 28. August 2019, hinreichend bekannt, und zwar nicht nur als Teil der Allgemeinheit, sondern sogar individuell.
Im Übrigen erscheint dem Senat unabhängig hiervon zweifelhaft, welchen Sinn die vorgesehenen „Hinweise auf Ihre Rechte als betroffene Person“ haben sollen. Denn die darin angeführten Auskunfts-, Berichtigungs- und Löschungsansprüche nach §§ 51 f. NDSG setzen jeweils gedanklich voraus, dass der Beklagte überhaupt Zugriff auf entsprechende „personenbezogene“ Daten hat. Dies ist bei der Anlasskontrolle aber gerade nicht der Fall – so auch Seite 29 der von der Polizeidirektion B-Stadt unter dem 24. Januar 2019 durchgeführten Datenschutz-Folgenabwägung (Beiakte 1). Während der Durchfahrt besteht, auch für die Polizeidirektion B-Stadt als Betreiberin, kein Zugriffsrecht auf die ohnehin nur für Minuten als „Hashwert“ gespeicherten Fahrzeugkennzeichen; danach werden sie automatisch gelöscht. Dass in der Praxis diese gesetzlichen Vorgaben in § 32 Abs. 7 NPOG mißachtet werden, ist weder erkennbar noch vom Kläger geltend gemacht worden. Der jeweils nachträglich Anfragende würde also die zu schützende Information über eine vorhergehende Verkehrsteilnahme auf der B 6 gegenüber Mitarbeitern des Beklagten mit seiner Anfrage erst selbst offenbaren.
Eine Verwendung der Messergebnisse nach einem bejahten Geschwindigkeitsverstoß zu repressiven Zwecken ist wiederum nicht (mehr) Regelungsgegenstand des hier relevanten Teils der Abschnittskontrolle, sondern Gegenstand eines dann einzelfallbezogen gesondert zu führenden repressiven Ordnungswidrigkeitenverfahrens oder im Extremfall auch Strafverfahrens – hierauf wird auf der Homepage der Polizeidirektion B-Stadt zukünftig ebenfalls zutreffend mit dem Satz hingewiesen: „Bei Feststellung eines Verstoßes gegen die Höchstgeschwindigkeit richtet sich die Datenverarbeitung nach den einschlägigen Vorschriften des Ordnungswidrigkeitenrechts“.
Die weiter gehenden dortigen Hinweise auf die Rechtslage und die datenschutzrechtlich Verantwortlichen erlauben daher allenfalls eine (erneute) allgemeine Rechtmäßigkeitsüberprüfung der Abschnittskontrolle auf der B 6.
Der Senat braucht deshalb nicht näher der im Beschluss vom 3. Juli 2019 verneinten, von der Beigeladenen zu 2) bejahten Frage nachzugehen, ob sich unterbliebene datenschutzrechtliche Informationen nach §§ 50 ff. NDSG unter diesen Voraussetzungen überhaupt auf die hier streitige Rechtmäßigkeit der offenen, einwilligungsunabhängigen, temporären und sich regelmäßig erledigenden Datenerhebung nach § 32 Abs. 7 NPOG selbst auswirken.“
(Letzte Aktualisierung: 16.04.2020)
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