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Versicherungsrecht

Obliegenheitsverletzung

Grundlage eines jeden Versicherungsvertrages ist die Möglichkeit des Versicherers (VR), das durch ihn zu tragende Risiko einigermaßen sicher einschätzen zu können. Ist es dann zu einem Schadenfall gekommen, so ist der VR regelmäßig daran interessiert, den Schaden möglichst gering zu halten. Zudem wird in zahlreichen Fällen der VR darum bemüht sein, den eingetreten Schaden gegenüber Dritten (z. B. dem Dieb) ersetzt zu bekommen. Aus diesem Grund hat der Versicherungsnehmer (VN) in erheblichem Umfange (auch) die Interessen des VR zu beachten. Das gilt sowohl vor dem Abschluss eines Versicherungsvertrages wie auch während der Laufzeit eines solchen Vertrages, insbesondere im Schadensfall. In solchen Fällen spricht man von Obliegenheitsverletzungen. Als VN sollte man die sog. Obliegenheiten beachten, um sich den Versicherungs­schutz zu erhalten.

Beispiele für Obliegenheitsverletzungen:

  • Bei einem Verkehrsunfall werden die Polizei oder der VR nicht rechtzeitig eingeschaltet
  • Das Fahrrad ist im Keller einzuschließen oder mit einem Schloss zu sichern, was der VN unterlassen hat
  • Beim Abschluss eines privaten Krankenversicherungsvertrages werden nicht alle zulässigerweise angefragten Krankheiten und Arztbesuche angegeben
  • Ein leerstehendes Gebäude ist nicht ausreichend kontrolliert worden, die wasserführenden Leitungen wurden nicht entleert.

Gesetzliche Grundlage für Obliegenheitsverletzungen im Versicherungsvertragsgesetz ist u. a. § 28 VVG. Die Bestimmung lautet:

„(1) Bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit, die vom Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber dem Versicherer zu erfüllen ist, kann der Versicherer den Vertrag innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, ohne Einhaltung einer Frist kündigen, es sei denn, die Verletzung beruht nicht auf Vorsatz oder auf grober Fahrlässigkeit.

(2) Bestimmt der Vertrag, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist, ist er leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.

(3) Abweichend von Absatz 2 ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, soweit die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Satz 1 gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheit arglistig verletzt hat.

(4) Die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers nach Absatz 2 hat bei Verletzung einer nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehenden Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheit zur Voraussetzung, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat.

(5) Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer bei Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit zum Rücktritt berechtigt ist, ist unwirksam.“

Zum Fall einer Obliegenheitsverletzung siehe auch LG Hamburg, Urt. v. 11.09.2015 – 332 O 294/14.

(Letzte Aktualisierung: 27.11.2015)