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Versicherungsrecht

Schmerzensgeld

Schmerzensgeld ist ein Unterfall des so genannten immateriellen Schadens. Maßgeblich ist in erster Linie § 253 BGB.

Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden, § 253 Abs. 1 BGB.

Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadenersatz zu leisten, kann nach § 253 Abs. 2 BGB auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

Der Schmerzensgeldanspruch soll den vom Verletzten erlittenen immateriellen Schaden angemessen kompensieren. Der Anspruch auf Schmerzensgeld tritt als selbständiger Anspruch neben den Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens.

OLG Nürnberg, Urt. v. 28.08.2020 – 13 U 1187/20, NJW-Spezial 2020, 618 f.) [Leitsatz zu 2.]:

„Zur Bemessung des Schmerzensgelds ist das alleinige Abstellen auf den Ausgleichsgedanken unmöglich, weil immaterielle Schäden sich nie und Ausgleichsmöglichkeiten nur beschränkt in Geld ausdrücken lassen. Insbesondere bei großen immateriellen Schäden ist ein Ausgleich überhaupt kaum denkbar. Die durch Übereinkunft der Rechtsprechung bisher gewonnenen Maßstäbe müssen daher in der Regel den Ausgangspunkt für die tatrichterlichen Erwägungen zur Schmerzensgeldbemessung bilden. Hierzu sind in Schmerzensgeldtabellen erfasste `Vergleichsfälle` im Rahmen des zu beachtenden Gleichheitsgrundsatzes als Orientierungsrahmen zu berücksichtigen, ohne verbindliche Präjudizien zu sein.“

OLG Schleswig, Urt. v. 02.07.2020 – 7 U 264/19, NJW 2020, 3606:

„1. Grundsätzlich kann bei der Schmerzensgeldbemessung das zögerliche Regulierungsverhalten des in Anspruch genommenen Versicherers eine Rolle spielen. Das gilt jedoch dann nicht, wenn die Versicherung schon vorgerichtlich alle geltend gemachten materiellen Schäden weitgehend reguliert und auch auf das anstehende Schmerzensgeld nicht unerhebliche Zahlungen (hier 20.000 €) erbracht hat

  1. Maßgeblich für die Höhe des zuzubilligenden Schmerzensgeldes sind die durch den Unfall verursachten körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen des Geschädigten, wobei neben Stärke, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen ein besonderes Gewicht etwaigen Dauerfolgen der Verletzung zukommt. Einer Geschädigten, die im Alter von 29 Jahren einen unfallbedingten Dauerschaden am linken Knie mit einer dauerhaften MdE von (derzeit) 20 % erlitten hat, ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 € zuzubilligen. Ausgehend von einer normalen Lebenserwartung wird die Geschädigte deutlich über 50 Jahre lang mit den Folgen des Unfalls konfrontiert sein und leben müssen, wobei eine weitere Verschlechterung der Kniegelenksfunktion bis hin zu einer Kniegelenksendoprothese nicht ausgeschlossen ist.“

OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 04.06.2020 – 22 U 34/19, NJW 2020, 523 [Leitsatz zu 2.]:

„Bei der Bemessung von Schmerzensgeld sind – neben allen anderen, insbesondere auch individuellen Gesichtspunkten – die Grundsätze der taggenauen Schmerzensgeldberechnung im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle zu berücksichtigen, gerade um die Belastung durch dauerhafte Beeinträchtigung abzubilden (Fortführung von OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 18.10.2018 – 22 U 97/16). Der Senat wendet die Grundsätze allerdings mit modifizierten Prozentsätzen an. In einem weiteren Schritt ist wertend zu prüfen, ob das Schmerzensgeld insgesamt – auch im Hinblick auf bestehende Risiken und zukünftige Entwicklungen – angemessen erscheint.“

LG Frankfurt a. M., Urt. v. 17.07.2019 – 2-24 O 246/16:

„Schmerzensgeld ist taggenau nach den im ´Handbuch Schmerzensgeld´ (Schwintowski/Schah Sedi/Schah Sedi, 2013) dargelegten Grundsätzen zu berechnen.“

Dagegen BGH, Urt. v. 15.02.2022 – VI ZR 937/20!

Siehe auch OLG München, Urt. v. 24.11.2017 – 10 U 952/17, NJW-Spezial 2018, 11:

„aa) Entgegen seiner Ansicht hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf ein höheres als das bereits gezahlte Schmerzensgeld i.H.v. 3.500,00 €.

(1.) Der Kläger hat schon keinen Fehler des Ersturteils in Form der nicht vollständigen oder nicht richtigen Berücksichtigung der maßgeblichen Umstände oder der greifbar fehlerhaften Bewertung des Schmerzensgelds aufgezeigt. Der Senat ist im Übrigen aufgrund eigenständiger Überprüfung (vgl. dazu BGH NJW 2006, 1589 ff.; Senat, Urt. v. 30.7.2010 – 10 U 2930/10 [juris]) der Ansicht, dass das zugesprochene Schmerzensgeld angemessen ist. Soweit der Kläger sein Erhöhungsverlangen mit dem Hinweis auf die Entscheidung des LG München I vom 15.11.2001, Az.: 19 O 21405/98, begründet (vgl. S. 10 der Berufungsbegründung = Bl. 165 d.A.), ist dies nicht zielführend. §§ 253 II BGB, 11 S. 2 StVG sprechen von „billiger Entschädigung in Geld“. Da es eine absolut angemessene Entschädigung für nichtvermögensrechtliche Nachteile nicht gibt, weil diese nicht in Geld messbar sind (vgl. z.B. BGH – GSZ – BGHZ 18, 149 [156, 164]), unterliegt der Tatrichter bei der ihm obliegenden Ermessensentscheidung von Gesetzes wegen keinen betragsmäßigen Beschränkungen (BGH VersR 1976, 967 [968 unter II 1]). Die in den Schmerzensgeldtabellen erfassten „Vergleichsfälle“ bilden nur „in der Regel den Ausgangspunkt für die tatrichterlichen Erwägungen zur Schmerzensgeldbemessung“ (BGH VersR 1970, 134; 1970, 281). Sie sind nur im Rahmen des zu beachtenden Gleichheitsgrundsatzes als Orientierungsrahmen zu berücksichtigen (BGH VersR 1961, 460 [461]; 1964, 842 (843); 1967, 256 [257]). Sie sind aber keine verbindliche Präjudizien (BGH VersR 1970, 134; Senat in st. Rspr., u. a. Urt. v. 13.8.2010 – 10 U 3928/09 [juris]). Deshalb können aus der Existenz bestimmter ausgeurteilter Schmerzensgeldbeträge keine unmittelbaren Folgerungen abgeleitet werden (Senat in st. Rspr., u.a. Urt. v. 13.8.2010 – 10 U 3928/09 [juris]; OLG Hamm zfs 2005, 122 [124]). Im Übrigen ist der der o.g. Entscheidung des LG München I zugrundeliegende Sachverhalt mit dem hier streitgegenständlichen bereits insofern nicht vergleichbar, als es zwar in beiden Fällen um eine Fraktur im Bereich einer Hand geht, hier allerdings keine Nasenbeinfraktur und keine Zahnschmelzfrakturen hinzukommen, sondern andere Verletzungen, und hier kein Dauerschaden in Form einer MdE von 10 % vorliegt, sondern nur i.H.v. 2 %. Schließlich zeigt der Kläger nicht auf, aus welchen Gründen die Ausführungen im Ersturteil bzgl. der dort als Orientierungsrahmen zitierten Entscheidungen (vgl. EU S. 8/10 = Bl. 133/135 d.A.) unzutreffend sein sollten.

(2.) Auch soweit der Kläger weiterhin rügt, die o.g. Zahlungen der Beklagten i.H.v. insg. 3.500,00 € hätten, entgegen der Ansicht des Erstgerichts, nicht zur Erfüllung des Schmerzensgeldanspruches geführt, weil es bis zur Verrechnungsbestimmung gem. Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 18.10.2017 an der erforderlichen Verrechnungsbestimmung gefehlt habe, ist dies nicht zielführend. Denn ausweislich der Darstellung des unstreitigen Parteivortrages im Tatbestand des angefochtenen Urteils (vgl. dort S. 3 = Bl. 128 d.A.) hat die Beklagte nicht etwa nur Vorschüsse ohne Verrechnungsbestimmung geleistet, sondern am 14.04.2014 einen Schmerzensgeldvorschuss i.H.v. 1.000,00 € und am 26.04.2014 einen weiteren Schmerzensgeldvorschuss i.H.v. 2.500,00 €. Dass es sich hier in Wirklichkeit nur um Vorschüsse zur beliebigen Verrechnung bzw. unter Verrechnungsvorbehalt gehandelt hätte, wird auch an keiner anderen Stelle des Ersturteils ausgeführt. Vielmehr heißt es auf S. 6 (= Bl. 131 d.A.): „… über das bereits erhaltene Schmerzensgeld in Höhe von 3.500,00 € kein weiteres Schmerzensgeld zu.“ Auf S. 14/15 (= Bl. 139/140 d.A.) heißt es: „… so dass sich – unter Abzug des zwischenzeitlich durch die Beklagten gezahlten Schmerzensgeldes in Höhe von 3.500,00 € – eine Schmerzensgeldforderung von noch 11.500,00 € ergibt.“ Soweit der Berufungsführer von einem anderen Tatbestand als dem des Ersturteils ausgeht oder diesen angreift, ist dies irrelevant, weil der Tatbestand des Ersturteils den für das Berufungsgericht nach § 529 I Nr. 1 ZPO maßgeblichen Sachverhalt bestimmt (BVerfG NJW 2005, 657 [i. Erg.]; RGZ 2, 401; BGH VersR 1959, 853; 1983, 1160; BGHZ 140, 335 [339]; NJW 2001, 448; NJW-RR 2002, 1386 [1388]; NJW 2004, 1381; MDR 2007, 853; NJW-RR 2009, 981). Mit der Berufung kann eine Tatbestandsberichtigung grundsätzlich nicht herbeigeführt werden (BGH VersR 1959, 853; 1983, 1160; BGHZ 122, 297; NJW 1994, 517; BGHZ 182, 76 [unter II 1]). Wenn der Kläger die erstgerichtliche Feststellung nicht hätte hinnehmen wollen, hätte er ein – fristgebundenes – Tatbestandsberichtigungsverfahren nach § 320 ZPO durchführen müssen (Senat in st. Rspr., u. a. r+s 2010, 434).“

OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 18.10.2018 – 22 U 97/16 [Leitsatz zu 3.]:

„Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Schmerzensgeldentscheidungen anderer Gerichte sind weder Maßstab noch Begrenzung. Angesichts der mangelnden Vergleichbarkeit vieler Fallgestaltungen fehlt es oft an brauchbaren Kriterien, wie insbesondere auch die Dauer der Beeinträchtigung ausreichend berücksichtigt wird. Der Senat hält deshalb eine Methode, das Schmerzensgeld nach der Art der Behandlung (Krankenhaus, Reha) und der Dauer der Beeinträchtigung zu bemessen, für geeignet, eine angemessene und vergleichbare Entschädigung zu errechnen. Die im Handbuch Schmerzensgeld 2013 unter Berücksichtigung des Grads der Schädigungsfolgen dargelegten Ansätze können dazu dienen.“

Siehe auch den Beitrag von Slizyk in NJW 2021, 3757 ff. [„Konkretisierung der Schmerzensgeldbemessung“]

(Letzte Aktualisierung: 01.04.2022)

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Katrin Kaiser
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Fachanwältin für Familienrecht, Fachanwältin für Verkehrsrecht

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