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Zivilrecht/Zivilprozessrecht

Missbrauch der Vertretungsmacht

Mit dem Missbrauch der Vertretungsmacht sind solche Fälle gemeint, in denen der Vertreter seine Pflichten aus dem Verhältnis zum Vertretenen (Innenverhältnis) verletzt. Das mit dem Missbrauch der Vertretungsmacht verbundene Risiko trägt grundsätzlich der Vertretene. Allerdings gelten für bestimmte Fallgruppen Ausnahmen von diesem Grundsatz.

Eine erste Ausnahme stellt die so genannte Kollusion dar. Hier wirken Vertreter und Vertragsgegner bewusst zum Nachteil des Vertretenen zusammen (Grüneberg/Ellenberger, Komm., BGB, 82. Aufl. 2023, § 164, Rn. 13 m.w.N.). Der Fall der Kollusion unterfällt § 138 BGB (Sittenwidrigkeit).

Eine weitere Ausnahme besteht in Fällen offensichtlichen Missbrauchs der Vertretungsmacht. Das betrifft solche Fälle, bei denen der Vertretene wegen Rechtsmissbrauchs deshalb nicht in Anspruch genommen werden kann, weil dem anderen Teil beim Abschluss des Geschäfts der Missbrauch der Vertretungsmacht bekannt war (Grüneberg/Ellenberger, a.a.O., Rn. 14). Ein Rechtsmissbrauch kann auch bei Kennenmüssen des Geschäftsgegners vorliegen, wenn der Vertreter von seiner Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch gemacht hat, so dass sich dem anderen Teil der begründete Verdacht eines Treueverstoßes aufdrängen musste (Grüneberg/Ellenberger, a.a.O.).

OLG München, Beschl. v. 05.04.2022 – 33 U 1473/21, NJW-Spezial 2022, 360:

„Ein Missbrauch der Vertretungsmacht liegt vor, wenn der Vertreter die ihm nach außen verliehene Vertretungsmacht unter Verletzung von Beschränkungen des Innenverhältnisses gebraucht, wobei Vorsatz unnötig ist (BGH NJW 1988, 3013). Insoweit ist die Vertretung wirksam; das Missbrauchsrisiko trägt grundsätzlich der Vertretene (MüKoBGB/Schubert 9. Auflage <2021> § 164 Rn. 225).

Die Missachtung von Regeln und Weisungen, die sich aus dem Innenverhältnis des Vertreters zum Vertretenen ergeben, wirkt sich erst dann im Außenverhältnis aus, wenn die Grenzen des rechtlich Tragbaren überschritten werden (BGH NZG 2021, 239 Rn. 10, beck-online). Erst dann spricht man von einem Vollmachtsmissbrauch im Rechtssinne, der sich auf die Wirksamkeit des vom Vertreter geschlossenen Rechtsgeschäfts auswirkt (BGH a.a.O., Staudinger/Schilken BGB, Neubearbeitung 2019, § 167 Rn. 91, 99).

Wenn der die im Innenverhältnis geltende Beschränkung seiner Vertretungsmacht überschreitende Vertreter zugleich den Geschäftsgegner vertritt, gelten für den Missbrauch der Vertretungsmacht besondere Regeln. Die Unwirksamkeit eines Insichgeschäfts gemäß § 181 BGB unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs der Vertretungsmacht setzt voraus, dass es für den Vertretenen nachteilig ist (BGH NZG 2021, 239 Rn. 10, beck-online).“

BGH, Urt. v. 18.10.2017 – I ZR 6/16 [Fall „Media Control“]:

„Eine unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs der Vertretungsmacht anzunehmende Unwirksamkeit eines von einem einzelvertretungsberechtigten GmbH-Geschäftsführers vorgenommenen Insichgeschäfts gemäß § 181 BGB, das zur Erfüllung einer Verbindlichkeit der GmbH, jedoch unter Verstoß gegen im Innenverhältnis zur GmbH bestehende Beschränkungen erfolgt, setzt voraus, dass das Insichgeschäft für die vertretene GmbH nachteilig ist.“

(Letzte Aktualisierung: 11.01.2023)