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Arbeitsrecht

Haftung des Arbeitnehmers

Bei der Haftung des Arbeitnehmers im Arbeitsrecht gibt es gegenüber den nach Zivilrecht maßgeblichen Grundsätzen der Haftung eines Schädigers eine Reihe von Besonderheiten zu beachten. Üblicherweise bestimmen im Zivilrecht vor allem die §§ 249, 276 BGB die Grundsätze der Haftung eines Schädigers. Danach muss der Schädiger für jede -Form der Fahrlässigkeit uneingeschränkt haften.

Im Bereich des Arbeitsrechts gilt ein Sonderrecht. Das nennt man auch privilegierte Arbeitnehmerhaftung oder den innerbetrieblichen Schadenausgleich.

Die privilegierte Arbeitnehmerhaftung setzt immer voraus, dass der durch den Arbeitnehmer verursachte Schaden im Zuge (auch) betrieblich veranlasster Tätigkeit ausgelöst wurde.

Sodann ist für die Haftung des Arbeitnehmers ganz wesentlich, welches Verschulden der Arbeitnehmer gezeigt hat. Es gelten die folgenden Grundsätze:

  • Leichteste bzw. leichte Fahrlässigkeit = keine Haftung des Arbeitnehmers
  • Mittlere Fahrlässigkeit = anteilige Haftung des Arbeitnehmers nach Maßgabe der beiderseitigen Verantwortungsbeiträge
  • Grobe Fahrlässigkeit = in der Regel uneingeschränkte (= „volle“) Haftung des Arbeitnehmers
  • Vorsatz = uneingeschränkte (= „volle“) Haftung des Arbeitnehmers

Das Haftungsprivileg betrifft nur Schäden, die (auch) anlässlich der Wahrnehmung einer betrieblich veranlassten Tätigkeit entstanden sind (s.o.). Demzufolge greift das Haftungsprivileg beispielsweise dann nicht, wenn es bei einer „Spaßfahrt“ eines Auszubildenden mit einem Gabelstapler zu einem Schaden am Eigentum des Arbeitgebers kommt.

Eine uneingeschränkte Haftung wegen Vorsatzes setzt Vorsatz hinsichtlich der Schadenszufügung, nicht lediglich hinsichtlich der Pflichtverletzung voraus.

Bei mittlerer Fahrlässigkeit sind im Regelfall vor allem die folgenden Kriterien abzuwägen:

  • Gefahrgeneigtheit (= Risikoträchtigkeit) der Tätigkeit
  • Risikobewusstsein und Organisationsmängel beim Arbeitgeber
  • Versicherbarkeit eines Risikos im Rahmen üblicher Risikovorsorge (z. B. Kaskoschutz bei einem Dienst-Pkw)
  • Verdiensthöhe und etwaige Risikoprämie, die der Arbeitnehmer erhält
  • Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb
  • Bisheriges Verhalten des Arbeitnehmers
  • Höhe des Schadens im Verhältnis zum Verdienst
  • Persönliche Verhältnisse des Arbeitnehmers

Im Falle der groben Fahrlässigkeit gilt ein Haftungsprivileg, das grundsätzlich nach den oben genannten Kriterien ermittelt wird, wenn der durch den Arbeitnehmer hervorgerufene Schaden eine Höhe von drei Bruttomonatsentgelten übersteigt.

Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die darauf abzielen, die vorerwähnten Grundsätze zum Nachteil des Arbeitnehmers abzuändern, sind grundsätzlich unwirksam, das insbesondere auch in Verträgen die als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren sind.

Für die Beweislast ist § 619a BGB zu beachten.

Alles Vorerwähnte betrifft in erster Linie die Schädigung des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer. Für Schäden bei Dritten gilt Besonderes (s. dazu § 257 und § 670 BGB analog – sog. Freistellungsanspruch). Für Schäden, die ein Arbeitnehmer einem Arbeitskollegen verursacht, sind gleichfalls Besonderheiten zu beachten (s. dazu v. a. §§ 105, 104 SGB VII).

Siehe auch LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 29.10.2015 – 3 Sa 464/14:

„Der dem Arbeitgeber durch den Arbeitnehmer zugefügte Schaden, der entweder durch die oder gelegentlich der Arbeitsleistung bzw. infolge Ausfall der Arbeitsleistung durch eine vertragswidrige Verletzung entstanden ist, ist von diesem nach den §§ 280 ff., 241 Abs. 2 BGB, nach Maßgabe einschlägiger Spezialbestimmungen (z. B. § 61 HGB) sowie gem. §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. einem Schutzgesetz (z.B. § 303 StGB), 826 BGB zu ersetzen (vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß Handbuch des Fachanwalts für Arbeitsrecht, 13. Auflage 2016, Kap. 3, Rn. 645 ff.).

Das Verhalten des Arbeitnehmers muss vertragliche bzw. gesetzliche Rechte des Arbeitgebers verletzt haben und für die Rechtsgutsverletzung kausal geworden sein (so. haftungsbegründende Kausalität).

Erforderlich ist ein Verschulden des Arbeitnehmers (§ 276 BGB). Vorsatz und Fahrlässigkeit müssen sich nur auf die Rechtsgutsverletzung, nicht auf den Schaden erstrecken. Der für die Fahrlässigkeit maßgebliche Sorgfaltsmaßstab richtet sich nach der vertraglich vereinbarten Stellung des Arbeitnehmers und nach seiner Tätigkeits- und ggf. auch Altersgruppe. Innerhalb der einzelnen Gruppen (z.B. Facharbeiter, Kraftfahrer) gilt ein objektiv-abstrakter Maßstab. Mit Rücksicht auf die höchstpersönliche Natur der Arbeitsleistungspflicht (§ 613 BGB) ist im Arbeitsverhältnis allerdings auf die subjektiven Fähigkeiten des Arbeitnehmers abzustellen.

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden ist, d. h. wenn das nicht beachtet wurde, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen und wenn selbst einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt wurden (BAG 28.05.1960 AP Nr. 19 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers). Maßgeblich sind die persönlichen Umstände des Schädigers (vgl. BAG 18.01.1972 AP Nr. 69 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers).

So sind etwa bei Unfällen im Straßenverkehr das Alter des Arbeitnehmers, die Dauer des Führerscheinbesitzes und die Fahrpraxis von Bedeutung.

Schließlich muss dem Arbeitgeber ein Schaden entstanden sein (§§ 249 ff. BGB).

Letztlich muss die Verletzung des Rechtsguts kausal für den daraus entstandenen Schaden geworden sein (sog. haftungsausfüllende Kausalität; vgl. LAG Köln 12.12.2002 ARST 2004, 67 LS). Allerdings werden dem Verursacher nur diejenigen Schadensfolgen zugerechnet, deren Eintritt im Augenblick des Schadensereignisses vom Standpunkt eines erfahrenen Beobachters aus nicht völlig unwahrscheinlich erscheinen konnten.

Der Arbeitnehmer haftet grds. in vollem Umfang für alle von ihm verursachten und zu vertretenden Schädigungen des Arbeitgebers nach den Grundsätzen der pFV (§§ 280 ff., 241 Abs. 2 BGB) bzw. gem. §§ 823 ff. BGB. Dies erscheint bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten unbillig, weil wegen der Dauerhaftigkeit der Arbeitsleistung sich gelegentliche Fehler nicht vermeiden lassen und der Arbeitnehmer fremdbestimmte Arbeit innerhalb der Arbeitsorganisation des Arbeitgebers leistet. Zudem schuldet er vertraglich keinen Leistungserfolg, sondern lediglich eine Leistungshandlung; das dafür bezogene Arbeitsentgelt vergütet das Handeln, nicht aber die Übernahme eines Risikos (vgl. Busemann Die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber und Dritten Rn. 30 ff.; Krause NZA 2003, 577 ff.) Ein Handeln ist dann betrieblich veranlasst, wenn bei objektiver Betrachtungsweise aus der Sicht des Schädigers im Betriebsinteresse zu handeln war, sein Verhalten unter Berücksichtigung der Verkehrsüblichkeit nicht untypisch war und keinen Exzess darstellte. Der betriebliche Charakter der Tätigkeit geht auch nicht dadurch verloren, dass der Arbeitnehmer bei Durchführung der Tätigkeit grob fahrlässig handelt (BAG 28.10.2010 EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerhaftung Nr. 3).

Das BAG (GS 25.09.1957 AP Nr. 3 zu §§ 898, 899 RVO; 21.01.1974 AP Nr. 74 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers) ist zunächst davon ausgegangen, dass – lediglich – für die sog. gefahr- oder schadensgeneigte Arbeit eine Haftungsbeschränkung erforderlich ist. Sie griff dann ein, wenn es die konkrete Tätigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit mit sich brachte, dass auch einem sorgfältigen Arbeitnehmer gelegentlich Fehler unterliefen, mit denen wegen der menschlichen Unzulänglichkeit erfahrungsgemäß zu rechnen ist. Das einschränkende Kriterium der Gefahrgeneigtheit hat das BAG (GS 12.06.1992 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerhaftung Nr. 58; zust. BGH 21.09.1993 AP Nr. 102 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers) aber schließlich ausdrücklich aufgegeben.

Denn bei der Haftung des Arbeitnehmers für dem Arbeitgeber zugefügte Schäden innerhalb betrieblicher Tätigkeit müssen die Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses und die Wertungen des Grundgesetzes berücksichtigt werden.

Das Arbeitsverhältnis ist geprägt einerseits u.a. durch die unternehmerische und betriebsorganisatorische Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers, durch das Weisungsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer und durch soziale Schutzpflichten, andererseits durch die Einbindung des Arbeitnehmers in das gesamte betriebliche Geschehen, durch seine Weisungsabhängigkeit und seine soziale Schutzbedürftigkeit.

Diesen Besonderheiten ist unter dem Aspekt der Art. 1, 2, 12, 14 GG durch eine alle Umstände berücksichtigende verfassungskonforme Auslegung der §§ 276, 254 BGB Rechnung zu tragen. Der Gesetzgeber hat dies durch § 276 Abs. 1 BGB ausdrücklich anerkannt, indem dort vorgesehen ist, dass der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten hat, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses zu entnehmen ist.

Bei der Haftung für Schäden, die der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber in Ausführung betrieblicher Verrichtungen zugefügt hat, ist deshalb ein innerbetrieblicher Schadensausgleich durchzuführen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob im Einzelfall gefahrgeneigte Arbeit vorliegt oder nicht.

Deshalb wurde letztlich die Anwendung der Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung auf alle Arbeiten ausgedehnt, die durch den Betrieb veranlasst sind und auf Grund eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden, auch wenn diese Arbeiten nicht gefahrgeneigt sind (BAG 27.09.1994 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerhaftung Nr. 59; 18.04.2002 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerhaftung Nr. 70).

Das BAG (13.05.1970 AP Nr. 56 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers) ist dann, wenn die Voraussetzungen für eine Haftungsbeschränkung an sich gegeben sind, im Hinblick auf das im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB zu Lasten des Arbeitgebers zu berücksichtigende Betriebsrisiko zunächst davon ausgegangen, dass der Arbeitnehmer bei sog. „leichtester Fahrlässigkeit“ überhaupt nicht haftet (s. ArbG Oberhausen 24.01.2011 – 2 Ca 1013/11, AuR 2011, 508 LS). Bei mittlerer Fahrlässigkeit sollte eine Schadensaufteilung zwischen den Vertragspartnern unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles eintreten; bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit sollte der Arbeitnehmer uneingeschränkt haften (vgl. Krause NZA 2003, 577 ff.).

Seit 1987 geht das BAG (24.11.1987 AP Nr. 16, 17 zu § 611 BGB Gefahrgeneigte Arbeit) dagegen davon aus, dass ein Schaden, den ein Arbeitnehmer nicht grob fahrlässig verursacht hat, bei Fehlern einer individual- oder kollektivrechtlichen Vereinbarung über weitergehende Haftungserleichterungen grds. zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer quotenmäßig zu verteilen ist.

Dabei sind die Gesamtumstände von Schadensanlass und Schadensfolgen nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgrundsätzen gegeneinander abzuwägen.

Solange dem Arbeitnehmer eine normale Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, müssen sich der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer also den Schaden teilen. In welcher Höhe der Arbeitnehmer den Schaden zu zahlen hat, hängt vom Einzelfall ab (BAG 18.04.2002 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerhaftung Nr. 70; LAG Rhld-Pf. 19.06.2001 – 5 Sa 391/01).

Zu Lasten des Arbeitgebers (vgl. § 254 BGB) kann ins Gewicht fallen, dass der Schaden in einer den Rückgriff des Versicherers ausschließenden Weise hätte versichert werden können. Zwar ist der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer nicht verpflichtet, z. B. für ein betriebseigenes Kfz eine Kaskoversicherung abzuschließen, wenn sich dies nicht aus dem Arbeitsvertrag oder den das Arbeitsverhältnis gestaltende Bestimmungen ergibt. Im Rahmen der Gesamtabwägung kann eine nicht abgeschlossene Kaskoversicherung aber dazu führen, dass der Arbeitnehmer nur in Höhe einer Selbstbeteiligung haftet, die bei Abschluss einer Kaskoversicherung zu vereinbaren gewesen wäre (vgl. LAG Brem. 26.07.1999 NZA-RR 2000, 126; vgl. Busemann Die Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber und Dritten Rn. 31). Ein durch ein schädigendes Ereignis eingetretener hoher Vermögensverlust ist zudem umso mehr dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers zuzurechnen, als dieser einkalkuliert oder durch Versicherungen – ohne Rückgriffsmöglichkeit gegen den Arbeitnehmer – gedeckt werden kann. Von Relevanz ist eine abgeschlossene oder abzuschließende Versicherung aber nur dann, wenn durch sie ein Schutz des Arbeitnehmers erreicht wird. Decken Versicherungen das eingetretene Haftungsrisiko entweder nicht oder nicht mit der Folge ab, dass der Arbeitnehmer von diesen nicht in Regress genommen werden könnte, können sie bei der Beurteilung des Haftungsumfangs nicht berücksichtigt werden (BAG 18.01.2007 EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerhaftung Nr. 2; s. LAG Köln 27.01.2011- 7 Sa 802/10, AuR 2011, 313 LS).

Das BAG (24.11.1987 AP Nr. 16, 17 zu § 611 BGB Gefahrengeneigte Arbeit) hat das damit begründet, dass sich dem geltenden Recht (§§§ 276, 254 BGB) eine generelle Haftungsbeschränkung der zuvor angenommenen Art nicht entnehmen lässt und zudem die Voraussetzungen für eine richterliche Rechtsfortbildung mangels entsprechender gemeinsamer Rechtsüberzeugung insoweit nicht gegeben sind (vgl. Krause NZA 2003, 577 ff.).

Verursacht ein Arbeitnehmer grob fahrlässig einen Schaden, so hat er grundsätzlich den gesamten Schaden zu ersetzen (BAG 15.11.2012 EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerhaftung Nr. 4). Selbst bei grober Fahrlässigkeit kann aber nach der Auffassung des BAG (12.10.1989 EzA § 611 BGB Gefahrgeneigte Arbeit Nr. 23; 18.04.2002 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerhaftung Nr. 70; 28.10.2010 EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerhaftung Nr. 3; 15.11.2012 EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerhaftung Nr. 4; s.a. LAG Nds. 07.07.2003 LAGE § 611 BGB Arbeitnehmerhaftung Nr. 28; LAG Köln 09.11.2005 NZA-RR 2006, 311), eine Haftungserleichterung zugunsten des Arbeitnehmers eingreifen.

Denn auch dann kann gegenüber dem Verschulden des Arbeitnehmers das vom Arbeitgeber zu tragende Betriebsrisiko (vgl. dazu Krause NZA 2003, 577 ff.) ins Gewicht fallen und zu einer möglicherweise nicht unerheblichen Herabsetzung der Schadensersatzpflichten führen. Die Entscheidung darüber ist nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu treffen. In die Abwägung ist zwar der Grad des Verschuldens mit einzubeziehen. Insoweit kann auch eine besonders grobe Missachtung von Sorgfaltspflichten eine Rolle spielen. Jedoch sind Haftungserleichterungen auch bei gröbster Fahrlässigkeit nicht grds. ausgeschlossen (BAG 28.10.2010 EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerhaftung Nr. 3).

Dabei kann entscheidend sein, ob der Verdienst des Arbeitnehmers in einem deutlichen Missverhältnis zum Schadensrisiko der jeweiligen Tätigkeit steht (vgl. LAG Nds. 07.07.2003 LAGE § 611 BGB Arbeitnehmerhaftung Nr. 28). Dies kommt z. B. in Betracht, wenn Arbeitnehmer teure Fahrzeuge des Arbeitgebers zu führen oder wertvolle Maschinen zu bedienen haben.

Eine allgemeine Haftungsbeschränkung auf drei Bruttomonatsverdienste des Arbeitnehmers besteht allerdings nicht (BAG 15.11.2012 EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerhaftung Nr. 4).

Die konkrete Verteilung des Schadens zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist somit anhand einer Abwägung zu ermitteln, für die das maßgebliche Kriterium der Grad des Verschuldens (§ 276 BGB) ist, das dem Arbeitnehmer zur Last fällt. Bei Vorsatz hat er den Schaden stets, bei grober Fahrlässigkeit i.d.R. allein zu tragen. Bei leichter Fahrlässigkeit trägt den Schaden in voller Höhe der Arbeitgeber. Bei mittlerer Fahrlässigkeit ist der Schaden unter Berücksichtigung aller Umstände quotal zu verteilen (BAG 24.11.1987 EzA § 611 BGB Gefahrgeneigte Arbeit Nr. 16; 28.10.2010 EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerhaftung Nr. 3). Bei der Bestimmung der Haftungsquote bei mittlerer Fahrlässigkeit sind nach der Rechtsprechung (BAG 24.11.1987 EzA § 611 BGB Gefahrgeneigte Arbeit Nr. 16; 28.10.2010 EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerhaftung Nr. 3; LAG Nds. 07.07.2003 LAGE § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 28) zahlreiche Umstände maßgeblich:

Zu berücksichtigen sind der Grad des dem Arbeitnehmer zur Last fallenden Verschuldens, die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Höhe des Schadens, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes oder durch Versicherung deckbares Risiko (vgl. Hübsch BB 1998, 690 ff.), die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb oder die Höhe des Arbeitsentgelts, in dem möglicherweise eine Risikoprämie enthalten ist. Auch können unter Umständen die persönlichen Lebensverhältnisse des Arbeitnehmers wie die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Lebensalter, seine Familienverhältnisse und sein bisheriges Verhalten zu berücksichtigen sein (abl. Joussen AuR 2005, 432 ff.). Dieser Katalog ist für weitere Kriterien offen, denn die Umstände, denen je nach Lage des Einzelfalles ein unterschiedliches Gewicht beizumessen ist, können im Hinblick auf die Vielzahl möglicher Schadensursachen nicht abschließend bezeichnet werden (vgl. ausf. Peifer ZfA 1996, 70 ff.).

Bei hohen Schadenssummen – eine starre Haftungsobergrenze existiert nicht (LAG Köln 28.05.2003 LAGE § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 27 a; s. aber LAG Nds. 07.07.2003 LAGE § 611 BGB Arbeitnehmerhaftung Nr. 28; Begrenzung auf zwei Bruttojahreseinkommen) – kann die Haftung unbillig sein (vgl. dazu Annuß NZA 1998, 1089 ff.); das Arbeitsentgelt kann Aufschluss darüber geben, ob das Schadensrisiko angemessen vergütet wird. In entsprechender Anwendung des § 254 BGB kann eine nicht abgeschlossene Kaskoversicherung dazu führen, dass der Arbeitnehmer nur in Höhe einer Selbstbeteiligung haftet, die bei Abschluss einer Kaskoversicherung zu vereinbaren gewesen wäre.

Wird die schädigende Handlung von einer gesetzlich vorgeschriebenen Haftpflichtversicherung erfasst, so ist die Existenz eines Versicherungsschutzes in die Abwägung einzubeziehen (BAG 28.10.2010 EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerhaftung Nr. 3). Ein Arbeitnehmer kann sich dann nicht auf Haftungsbeschränkungen berufen, wenn z. B. eine Kfz-Haftpflichtversicherung, eingreift (BAG 25.09.1997 EzA § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 63). Bei Bestehen einer Pflichtversicherung liegen Risiken vor, die der Gesetzgeber als so gefahrträchtig erachtet hat, dass er den Handelnden im Hinblick auf mögliche Gefahren für andere ohne Versicherungsschutz nicht tätig sehen wollte. Dieser Grund für eine gesetzliche Pflichtversicherung überlagert gleichsam die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung. Entsprechendes gilt, wenn die Vertragsparteien den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung vertraglich ausbedungen haben und der Arbeitnehmer dafür eine zusätzliche Vergütung erhält (BAG 28.10.2010 EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerhaftung Nr. 3).

Gem. § 619 a BGB hat der Arbeitnehmer abweichend von § 280 Abs. 1 BGB dem Arbeitgeber Ersatz für den aus der Verletzung einer Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis entstehenden Schaden nur zu leisten, wenn er die Pflichtverletzung zu vertreten hat. Damit ist das Verschulden des Arbeitnehmers und insbe. die den Grad des Verschuldens ausmachenden Tatsachen vom Arbeitgeber darzulegen und ggf. zu beweisen (BAG 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 63 = NZA 2013, 199; so bereits zum alten Recht BAG 17.09.1998 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerhaftung Nr. 64; vgl. Boemke SAE 2000, 8 ff; Deinert RdA 2000, 22 ff.); er hat also nicht nur die Beweislast für die Pflicht- bzw. Rechtsgutsverletzung, sondern auch die für die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität sowie den Schaden (s. Oetker BB 2002, 42 ff.).

Allerdings kommt eine sekundäre Darlegungslast der nicht darlegungsbelasteten Partei dann in Betracht, wenn es ihr zuzumuten ist, ihrem Prozessgegner durch nähere Angaben über die zu ihrem Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse zu ermöglichen, weil sie, anders als der Darlegungsbelastete, die wesentlichen Tatsachen kennt (BAG 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 63 = NZA 2013, 199).

Insgesamt obliegt es also dem Arbeitnehmer, der sich auf die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung beruft, darzulegen, dass deren Voraussetzungen vorliegen, er den Schaden also bei einer betrieblichen Tätigkeit verursacht hat (BAG 18.04.2002 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerhaftung Nr. 70).“

ArbG Magdeburg, Urt. v. 07.12.2016 – 11 Ca 1707/16:

„1. Ein Arbeitnehmer handelt grob fahrlässig, wenn er mit seinem Dienstfahrzeug rückwärtsfährt, ohne sich zu vergewissern, ob der Fahrweg hinter ihm frei ist. Es ist eine Selbstverständlichkeit, sich darüber Klarheit zu verschaffen, ob der rückwärtige Fahrweg ungehindert befahren werden kann. Rückwärtsfahren ist auf Grund der eingeschränkten Sichtverhältnisse mit besonderen Gefahren verbunden. Dies gilt insbesondere für einen Kastenwagen wie den Renault Kangoo. Daher ist es zwingend erforderlich, sich vor der Fahrt zu vergewissern, dass der rückwärtige Fahrweg frei von Hindernissen ist. Notfalls muss der Arbeitnehmer noch einmal aussteigen, wenn er bemerkt, dass er aus einer Parklücke nur rückwärts herausfahren kann. Gegebenenfalls muss er sich durch einen Beifahrer herauswinken lassen. Ist der Fahrer allein, muss er notfalls einen Passanten bitten, ihm beim Rückwärtsfahren durch Handzeichen zu helfen.

2. Macht der Arbeitgeber nur seinen Selbstbehalt im Rahmen einer Vollkaskoversicherung in Höhe von 300 Euro geltend, muss der Arbeitnehmer den Schaden in dieser Höhe ersetzen. Dieser Betrag ist nicht so hoch, dass eine Haftungserleichterung geboten ist.“

(Letzte Aktualisierung: 08.02.2021)

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