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Gesundheit / Medizinrecht

Nachbesetzung Vertragsärztliche Zulassung / Nachbesetzungsverfahren

Das Nachbesetzungsverfahren spielt nur in überversorgten Gebieten (Versorgungsgrad der relevanten Fachgruppe liegt über 110% im Planungsbereich) eine entscheidende Rolle. In allen anderen Planungsbereichen erhalten Ärzte auf ihren Antrag beim Zulassungsausschuss in der Regel ohne weiteres die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung. § 103 SGB V regelt die Nachbesetzung in überversorgten Gebieten.

Durch das Versorgungsstärkungsgesetz wird das Nachbesetzungsverfahren in diesen Bereichen zum Teil verändert, so dass den Ausführungen bereits die ab dem 01.08.2015 geltende Rechtslage zugrunde liegt.

Die Entscheidung über das Nachbesetzungsverfahren

Endet eine vertragsärztliche Zulassung aufgrund von Tod, Verzicht oder Entziehung und soll die Praxis von einem Nachfolger fortgeführt werden, entscheidet der Zulassungsausschuss auf Antrag ob ein Nachbesetzungsverfahren durchzuführen ist.

Der Zulassungsausschuss kann den Antrag ablehnen, wenn die Nachbesetzung aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist. Die Versorgungsrelevanz einer Zulassung wird von den Zulassungsausschüssen beurteilt, deren Entscheidung von den Gerichten nur eingeschränkt kontrolliert werden kann. Die Kontrolle beschränkt sich auf die Frage, ob der Verwaltungsentscheidung unter anderem ein vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die durch Auslegung des Begriffs „Erforderlichkeit aus Versorgungsgründen“ zu ermittelnden Grenzen eingehalten und ob die Substitutionserwägungen so hinreichend in der Begründung der Entscheidung verdeutlicht wurden, dass im Rahmen des Möglichen die zu treffende Anwendung des Beurteilungsmaßstabes erkennbar und nachvollziehbar ist. (SG Nürnberg, Urt. v. 20.03.2014 – S 1 KA 46/13).

Wann besteht Versorgungsrelevanz?

Der Gesetzgeber hat in der Begründung zum Versorgungsstärkungsgesetz Fallgruppen benannt, die für eine Versorgungsrelevanz einer Arztpraxis und damit zu Gunsten einer Nachbesetzung sprechen können.

Diese wären:

  • das Vorliegen eines besonderen lokalen oder qualifikationsgebundenen Versorgungsbedarfs;
  • Bedarf nach dem Arztsitz einer speziellen Fachrichtung;
  • Mitversorgungsaspekte;
  • Versorgungsbedürfnisse von Menschen mit Behinderung;
  • Erhalt eines besonderen Versorgungsangebots eines medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) oder einer Berufsausübungsgemeinschaft.

Zwingende Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens

Die Entscheidung des Zulassungsausschuss über die Frage, ob ein Nachbesetzungsverfahren durchzuführen ist, kann jedoch umgangen werden. Der Gesetzgeber sieht Tatbestände vor, die eine Nachbesetzung zwingend zur Folge haben. Diese vier Tatbestände lauten:

  1. Die Praxis soll vom Ehegatten, Lebenspartner oder einem Kind des bisherigen Vertragsarztes fortgeführt werden;
  2. der Nachfolger ist ein Angestellter oder ein Mitgesellschafter des bisherigen Vertragsarztes mit dem die Praxis bisher gemeinsam geführt wurde. Dieses Kriterium wird zukünftig dahingehend erweitert, dass eine Zusammenarbeit, die nach dem 03.03.2015 begonnen wurde mindestens 3 Jahre andauern muss.
  3. Der Praxisnachfolger verpflichtet sich, die Praxis in ein anderes Gebiet des Planungsbereichs zu verlegen, in dem nach Mitteilung der Kassenärztlichen Vereinigung aufgrund einer zu geringen Ärztedichte ein Versorgungsbedarf besteht.
  4. Ein weiterer Fall zwingender Nachbesetzung liegt vor, wenn der Nachfolger zuvor mindestens 5 Jahre in einem unterversorgten Gebiet arbeitete und diese Tätigkeit nach Inkrafttreten des Versorgungsstärkungsgesetzes erstmalig aufgenommen hat. Vertragsärzte, die bereits in einem unterversorgten Gebieten zugelassen sind und sich um einen Sitz im überversorgten Gebiet bewerben, werden nur bei der Auswahlentscheidung privilegiert berücksichtigt. Sie können aber nicht für sich beanspruchen, zwingend ein Nachbesetzungsverfahren durchzuführen.

Keine Privilegierung: „Kann“ oder „Soll“?

Besteht kein Privilegierungstatbestand und weist die Praxis auch keine Versorgungsrelevanz auf, so muss für die Entscheidung über den Antrag auf Nachbesetzung unterschieden.

Bei einem Versorgungsgrad zwischen 110 und 139,99% kann der Zulassungsausschuss weiterhin den Antrag ablehnen. Er hat damit lediglich eine nur eingeschränkt überprüfbare Ermessensentscheidung zu treffen.

Bei einem Versorgungsgrad ab 140% soll der Zulassungsausschuss den Antrag jedoch ablehnen. Er ist damit in seiner Entscheidung gebunden. Eine Abweichung vom gesetzlichen Leitbild ist nur bei einer Abweichung des konkreten Einzelfalls vom Regelfall möglich.

Entscheidung über den Antrag

Wird der Antrag abgelehnt, fällt die Kassenzulassung ersatzlos weg. Oft wird dies auch als Einziehung bezeichnet. Der Arzt kann damit allenfalls mit den Privatpatienten weiterarbeiten oder diesen Patientenstamm an einen Dritten verkaufen.

Wird dem Antrag stattgegeben, hat die kassenärztliche Vereinigung den Sitz in den für amtliche Bekanntmachungen vorgesehenen Blättern auszuschreiben und eine Bewerberliste zu erstellen. Unter den Bewerbern wählt der Zulassungsausschuss nun einen Bewerber aus. Folgende Auswahlkriterien spielen dabei eine Rolle:

  1. die berufliche Eignung,
  2. das Approbationsalter,
  3. die Dauer der ärztlichen Tätigkeit,
  4. eine mindestens fünf Jahre dauernde vertragsärztliche Tätigkeit in einem Gebiet, in dem der Landesausschuss nach § 100 Absatz 1 das Bestehen von Unterversorgung festgestellt hat,
  5. ob der Bewerber Ehegatte, Lebenspartner oder ein Kind des bisherigen Vertragsarztes ist,
  6. ob der Bewerber ein angestellter Arzt des bisherigen Vertragsarztes oder ein Vertragsarzt ist, mit dem die Praxis bisher gemeinschaftlich betrieben wurde,
  7. ob der Bewerber bereit ist, besondere Versorgungsbedürfnisse, die in der Ausschreibung der Kassenärztlichen Vereinigung definiert worden sind, zu erfüllen.

Der Arzt schließt einen Praxiskaufvertrag mit dem Erwerber ab und dieser erhält dann die Zulassung vom Zulassungsausschuss.

Die Folgen der Ablehnung des Antrags auf Nachbesetzung

Wird der Antrag auf Nachbesetzung abgelehnt, fällt die Kassenärztliche Zulassung weg. Die Kassenärztliche Vereinigung hat dem Arzt aber eine Entschädigung zu zahlen, weil es ihm ja nun nicht mehr möglich ist, die Praxis gewinnbringend zu verkaufen.

Die Entschädigungshöhe richtet sich nach dem Verkehrswert der Praxis, der bei dessen Fortführung maßgeblich wäre und umfasst damit die Praxis als Ganze. Die Ermittlung erfolgt anhand des Ertragswertverfahrens. In der Entschädigung sind auch Folgeschäden zu berücksichtigen. Solche sind etwa langlaufende Mietvertragsverbindlichkeiten, die aufgrund des fehlenden Nachfolgers nicht weitergegeben werden können. Der Arzt ist hier aber zur Schadensminderung verpflichtet. Das heißt er muss alles in seiner Macht stehende tun, um den Schaden so gering wie möglich zu halten. So muss er etwa versuch einen Nachmieter zu finden.

(Letzte Aktualisierung: 17.07.2015)