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Sozialrecht

Berufsunfähigkeitsrente

1. Begriff der Berufsunfähigkeitsrente

Ab dem 01.01.2001 wird innerhalb des Sozialgesetzbuches VI (SGB VI) grundsätzlich nur noch zwischen der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 SGB VI) und Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 SGB VI) unterschieden.

Bis zum 31.12.2000 wurde darüber hinaus die Berufsunfähigkeitsrente (§ 240 SGB VI) gewährt. Aktuell kommt eine Berufsunfähigkeitsrente nur noch in Ausnahmefällen zum Tragen.

Unter der Berufsunfähigkeitsrente nach dem SGB VI wird eine gesetzliche Rente verstanden, die gezahlt wird, wenn die letzte berufliche Tätigkeit oder eine vergleichbare Tätigkeit nicht mehr in einem Umfang von 6 Stunden täglich ausgeübt werden kann.

Zu unterscheiden ist die gesetzliche Rente wegen Berufsunfähigkeit von einer privaten Berufsunfähigkeits­rente. Eine private Berufsunfähigkeitsrente richtet sich nach den Einzelheiten des (privatrechtlichen) Versicherungsvertrages. Die Bedingungen des Versicherungsvertrages unterscheiden sich dabei grundlegend von den gesetzlichen Voraussetzungen.

2. Voraussetzungen für die Bewilligung

Für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit sind nach § 240 SGB VI drei Kriterien zu erfüllen. Erstens kommt eine Berufsunfähigkeitsrente nur noch für bestimmte Altersgruppen in Betracht. Zweitens müssen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein. Drittens müssen die sozialmedizinischen Voraus­setzungen vorliegen.

a) Berufsunfähigkeitsrente nur noch für bestimmte Altersgruppen

Die Berufsunfähigkeitsrente wurde durch eine Gesetzesänderung zum 01.01.2001 abgeschafft. Durch die Übergangsregelung des § 240 SGB VI bleibt der Versicherungsschutz bei Berufsunfähigkeit für Personen bestehen, die vor dem 02.01.1961 geboren sind. Alle Personen, die nach dem 02.01.1961 geboren sind und aktuell berufsunfähig i.S.d. SGB VI werden, können nur dann eine Rente erhalten, wenn die zusätzlichen Voraussetzungen der Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt werden.

b) Versicherungsrechtliche Voraussetzungen

Unter den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen werden die Bedingungen bezeichnet, die der Antragsteller im Hinblick auf die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung erfüllen muss.

aa) Erfüllung der allgemeinen Wartezeit nach § 50 SGB VI von 5 Jahren

Unter Wartezeiten werden im SGB VI Zeiten bezeichnet, die der Gesetzgeber als anrechenbar für eine Rente definiert. Die Einzelheiten sind verzweigt. Beispielsweise sind nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 a) SGB VI i.V.m. § 55 Absatz 1 S. 1 SGB VI Beitragszeiten als Zeiten mit Zahlung von Pflichtbeiträgen oder freiwilligen Beiträgen definiert. Für eine Berufsunfähigkeitsrente muss nach § 50 Absatz 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI eine allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt sein. Dies bedeutet, dass der Antragsteller einen Block von fünf Jahren mit anrechenbaren Zeiten zu irgendeinem Zeitpunkt erfüllt haben muss. Es spielt damit keine Rolle, wann diese allgemeine Wartezeit erfüllt wurde.

bb) 3 Jahre Pflichtbeiträge vor Eintritt der Berufsunfähigkeit

Als zweite versicherungsrechtliche Voraussetzung wird gefordert, dass der Antragsteller drei Jahre Pflichtbeiträge vor Eintritt des Berufsunfähigkeitsfalls gezahlt hat. Es wird insgesamt ein Zeitraum von fünf Jahren betrachtet. Der Zeitraum beginnt an dem Tag, für den die Berufsunfähigkeit festgestellt wird. Dann wird rückwirkend ein 5 Jahreszeitraum gebildet.

Beispiel: Feststellung der Berufsunfähigkeit durch den Gutachter am 01.08.2013; maßgeblicher Zeitraum: 31.07.2013 – 31.07.2008. Innerhalb der fünf Jahre müssen drei Jahre Pflichtbeiträge gezahlt worden sein. Der Antragsteller muss daher nachweisen, dass insgesamt für 36 Monate Pflichtbeiträge gezahlt wurden.

c) Sozialmedizinischen Voraussetzungen

Eine Berufsunfähigkeitsrente wird nur dann gezahlt, wenn in der Person des Antragstellers gesundheitliche Einschränkungen derart vorliegen, dass die letzte berufliche oder andere vergleichbare Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig nicht mehr möglich sind.

aa) Es muss eine Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 Abs. 2 S. 1 SGB VI vorliegen. Danach ist der Antragsteller berufsunfähig, wenn dieser wegen Erkrankung oder Behinderung seine bisherige berufliche Tätigkeit oder vergleichbare Tätigkeiten weniger als 6 Stunden verrichten kann.

(1) Zunächst ist festzustellen, welche versicherungspflichtige Tätigkeit der Antragsteller zuletzt auf Dauer ausgeübt hat (so genannter Hauptberuf). Die Rechtsprechung zur Bestimmung des Hauptberufs ist äußerst kompliziert. Die Bestimmung der letzten Tätigkeit kann zum Beispiel dann Schwierigkeiten bereiten, wenn ein häufiger Wechsel erfolgte. Aber auch wenn die ursprüngliche Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben werden musste, können Besonderheiten greifen.

(2) Soweit der Antragsteller diese letzte Tätigkeit wegen Erkrankung oder Behinderung nicht mehr in einem Umfang von 6 Stunden täglich ausüben kann, ist festzustellen, ob eine zumutbare Verweisungstätigkeit möglich ist. Es wird hier zwischen verschiedenen Qualifikationen unterschieden. Dabei wurde von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ein Mehrstufenschema entwickelt. Anknüpfungspunkt sind die Tätigkeiten in den Bereichen der Arbeiter bzw. Angestellten. Maßgeblich ist die erforderliche Ausbildung. Die Einzelheiten sind sehr verzweigt und können hier nicht weiter dargestellt werden.

(a) Im Bereich der Arbeiter gilt grundsätzlich folgendes Schema:

Vorarbeiter mit Leitungsfunktion: Diese Stufe erreichen Personen, die Leitungs- und Vorgesetztenfunktion erfüllen und zusätzlich in der Regel mindestens eine Facharbeiterqualifikation haben (z. B. Meister oder Hilfsmeister).

Facharbeiter: Auf der zweiten Stufe sind Personen einzuordnen, die einen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf erlernt haben. Die Ausbildungsdauer muss dabei grundsätzlich zwei Jahre überschreiten.

Angelernte Berufe: Auf der dritten Stufe sind staatlich anerkannte Ausbildungsberufe mit einer Ausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren eingestuft. Darüber hinaus werden betriebliche Ausbildungen von 12 bis 24 Monaten berücksichtigt. Innerhalb dieser Stufe kann zudem zwischen dem oberen und dem unteren Bereich der angelernten Berufe differenziert werden.

Ungelernte Tätigkeiten: Unter ungelernten Tätigkeiten sind aller weiteren Tätigkeiten, Hilfsarbeiten und kurzfristig angelernte Tätigkeiten zu verstehen.

(b) Im Bereich der Angestellten gilt grundsätzlich folgendes Schema:

Führungsebene: In die Führungsebene werden Personen eingeordnet, die regelmäßig einen Hochschul­abschluss nachweisen können und deren Bruttoarbeitsentgelt in der Nähe der Beitragsbemessungsgrenze liegt.

Obere Ebene: Hier werden Personen mit einem abgeschlossenen Studium an einer Hoch- oder Fachschule eingestuft, die nicht zur Führungsebene gehören.

Mittlere Ebene: In die mittlere Ebene sind Personen zuzuordnen, die eine Meisterprüfung oder eine Fachhochschule abgeschlossen haben.

Untere Ebene: In die untere Ebene wurden Personen eingestuft, die eine Ausbildung nachweisen können, die regelmäßig eine Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren erfordert.

Angelernte Ebene: Auf dieser Stufe sind Ausbildungen mit einer Ausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren eingestuft. Innerhalb dieser Stufe kann zudem zwischen dem oberen und dem unteren Bereich der angelernten Berufe differenziert werden.

Ungelernte Tätigkeiten: Unter ungelernten Tätigkeiten sind aller weiteren Tätigkeiten, Hilfsarbeiten und kurzfristig angelernte Tätigkeiten zu verstehen.

bb) Durch die Berufsunfähigkeitsrente soll ein wesentlicher sozialer Abstieg verhindert werden. Insoweit ist eine Verweisungstätigkeit nur dann zumutbar, wenn diese Tätigkeit auf derselben Stufe wie die letzte Tätigkeit liegt oder eine Stufe darunter.

Beispiel: Ein Meister kann seine Tätigkeit nicht mehr 6 Stunden täglich ausüben. Dann ist eine Verweisung auf andere Meisterberufe aber auch auf Facharbeiterberufe zumutbar.

Welche Berufe im Einzelfall zumutbar sind, ist wiederum mit einer erheblichen juristischen Bewertung verbunden.

3. Verfahren auf Bewilligung

Eine Berufsunfähigkeitsrente muss grundsätzlich bei der deutschen Rentenversicherung beantragt werden. Damit wird ein förmliches Verwaltungsverfahren nach dem Sozialgesetzbuch X (SGB X) in Gang gesetzt.

Die Entscheidung über die Bewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente erfolgt durch Verwaltungsakt i.S. von § 31 SGB X. Nach § 33 Abs. 2 S. 2 SGB X besteht ein Anspruch auf einen schriftlichen Verwaltungsakt. Dieser ist nach § 35 Abs. 1 SGB X mit einer Begründung zu versehen. Die Begründung muss die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände beinhalten.

Gegen die Ablehnung der Berufsunfähigkeitsrente ist innerhalb eines Monats nach Zugang des Bescheides Widerspruch möglich. Bei Zurückweisung des Widerspruchs kann Klage zum Sozialgericht erhoben werden.

Bei Eintreten von neuen Tatsachen kann, trotz eines vorherigen Ablehnungsbescheides der deutschen Rentenversicherung, jederzeit ein neuer Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente gestellt werden.

(Letzte Aktualisierung: 11.10.2013)