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Benötigt man für den Widerruf einer Schenkung eine Begründung?

Frage des Tages
26.01.2023

Benötigt man für den Widerruf einer Schenkung eine Begründung?

Nein, meint der Bundesgerichthof (BGH) in einer Entscheidung aus dem Oktober 2022 (BGH, Urt. v. 11.10.2022 – X ZR 42/20). Damit entscheidet der BGH eine bislang umstrittene Rechtsfrage. Im Leitsatz heißt es:

„Die Erklärung des Widerrufs einer Schenkung wegen groben Undanks bedarf keiner Begründung.“

In den Entscheidungsgründen des Urteils ist zu lesen:

„2. Die Erklärung des Widerrufs einer Schenkung wegen groben Undanks bedarf keiner Begründung.

a) Die obergerichtliche Rechtsprechung (OLG Hamm, Urteil vom 2. Juli 2001 – 22 U 1/01, juris Rn. 44; OLG Saarbrücken, Urteil vom 22. Juli 2015 – 2 U 47/14, juris Rn. 19) und der überwiegende Teil der Literatur (BeckOK/Gehrlein, BGB, Stand: 1. August 2022, § 531 Rn. 1; Dauner-Lieb/Langen/Dendorfer-Ditges/Wilhelm, BGB, 4. Aufl. 2021, § 531 Rn. 4; Erman/Hähnchen, BGB, 16. Aufl. 2020, § 531 Rn. 1; Jauernig/Mansel, BGB, 18. Aufl. 2021, § 531 Rn. 6; Münchener Kommentar-BGB/Koch, 8. Aufl. 2019, § 531 Rn. 3; Staudinger/Chiusi, BGB, Neubearb. 2021, § 531 Rn. 2) hält die Mitteilung des Widerrufsgrundes für erforderlich – insbesondere deshalb, weil der Beschenkte die Möglichkeit haben müsse, das Vorliegen eines Widerrufsgrundes (§ 530 BGB) und die Einhaltung der Widerrufsfrist (§ 532 BGB) zu prüfen.

b) Ein anderer Teil der Literatur lehnt eine Pflicht zur Mitteilung des Widerrufsgrundes ab und beruft sich dafür auf den Wortlaut des Gesetzes (BeckOGK/Harke, BGB, Stand: 1. Oktober 2022, § 531 Rn. 5).

c) Die zuletzt genannte Auffassung ist zutreffend.

Der Wortlaut des für die Beurteilung maßgebenden § 531 Abs. 1 BGB sieht eine Mitteilung des Widerrufsgrundes in der Widerrufserklärung nicht vor.

d) Eine Pflicht zur Begründung der Widerrufserklärung kann auch nicht aus dem Sinn und Zweck des § 531 Abs. 1 BGB sowie der §§ 530 und 532 BGB hergeleitet werden.

Angesichts der gravierenden Folgen, die der Widerruf einer Schenkung für den Beschenkten haben kann, hat der Beschenkte allerdings ein schutzwürdiges Interesse daran, die Wirksamkeit eines Widerrufs hinreichend zuverlässig überprüfen zu können. Das Gesetz stellt den Beschenkten insoweit aber nicht schutzlos. Es gewährt ihm dadurch Schutz, dass die materielle Wirksamkeit des Widerrufs an enge objektive und subjektive Voraussetzungen geknüpft ist und dass ein Rückgabeverlangen nur dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn der Schenker das Vorliegen dieser Voraussetzungen vor Gericht darlegen und beweisen kann.

Es stünde in Widerspruch zu diesem Regelungskonzept, zusätzlichen Schutz durch ein formelles Begründungserfordernis zu gewähren, obwohl das Gesetz ein solches Erfordernis nicht vorsieht.

e) Für dieses Ergebnis spricht auch ein systematischer Vergleich mit den Voraussetzungen für die fristlose Kündigung eines Dienstvertrags aus wichtigen Grund (§ 626 BGB).

Eine solche Kündigung setzt nach § 626 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB ebenfalls das Vorliegen eines besonderen Grundes und die Einhaltung einer – im Vergleich zu § 532 BGB deutlich kürzeren – Erklärungsfrist vor.

Nach § 626 Abs. 2 Satz 3 BGB muss der Kündigende dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen. Die Wirksamkeit der Kündigung hängt aber nicht davon ab, dass der Dienstherr dieser Pflicht nachkommt. Insoweit ist vielmehr allein ausschlaggebend, ob ein wichtiger Grund vorliegt und die Erklärungsfrist eingehalten ist (BAG, Urteil vom 17. August 1972 – 2 AZR 415/71, AP BGB § 626 Nr. 65 unter II 1).

Für den Widerruf einer Schenkung wegen groben Undanks, für die das Gesetz nicht einmal eine Pflicht zur nachträglichen Begründung vorsieht, kann insoweit nichts Anderes gelten.“

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Dr. Uwe P. Schlegel
Rechtsanwalt

Mail: koeln@etl-rechtsanwaelte.de


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