Funktionsweise einer Überwachungsmethode ist nicht geheimhaltungsbedürftig
Das Hessisches LAG hat am 13.10.2025 beschlossen, dass der Antrag auf Einstufung der Funktionsweise einer Überwachungsmethode als geheimhaltungsbedürftig ist nicht möglich ist (18 Ta 699/25).
Der Fall:
Die Beklagte ist Trägerin einer öffentlich-rechtlichen Börse nach deutschem Recht und unterliegt den Vorgaben des BörsG. Der Kläger ist als „Senior Associate Vice President“ für die Beklage tätig, die das zu dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 18.12.2024 außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 31.3.2025 kündige. Die Beklagte begründete die Kündigung damit, dass der Kläger vertrauliche, geheimhaltungsbedürftige Informationen im Internet veröffentlicht und eine nicht genehmigungsfähige Nebentätigkeit aufgenommen habe.
Die Beklagte beantragte, streitgegenständliche Informationen, soweit sie die Überwachungsmethode „P* M*“ betreffen, als geheimhaltungsbedürftig einzustufen, den Zugang zu von den Parteien eingereichten und vorgelegten Dokumenten, welche Geschäftsgeheimnisse zur Überwachungsmethode enthalten können, außerdem den Zugang zum Termin der mündlichen Verhandlung sowie zum Protokoll der mündlichen Verhandlung auf bestimmte Personen zu beschränken und die Öffentlichkeit am Termin der mündlichen Verhandlung auszuschließen.
Das ArbG wies die Anträge zurück. Sie hätten keine möglichen Geschäftsgeheimnisse i.S.d. § 2 Nr. 1 GeschGehG zum Gegenstand. Es werde nur eine Überwachungsmethode abstrakt beschrieben.
Die Entscheidung:
Die sofortige Beschwerde der Beklagten hatte vor dem LAG keinen Erfolg.
Die Möglichkeit, auf Antrag Informationen als geheimhaltungsbedürftig einstufen zu lassen und den Zugang zu diesen Informationen zu beschränken, ist durch § 273a ZPO* nicht mehr auf Geschäftsgeheimnisstreitsachen begrenzt. Es genügt, wenn in einem arbeitsrechtlichen Verfahren glaubhaft gemacht wird, dass eine Information ein Geschäftsgeheimnis i.S.d. § 2 Nr. 1 GeschGehG** sein kann. Es muss keine Geschäftsgeheimnisstreitsache vorliegen. § 273 a ZPO eröffnet damit grundsätzlich auch den Schutz sensibler Informationen, wenn – wie hier – wegen einer Kündigungsschutzklage darum gestritten wird, ob ein Arbeitnehmer durch Offenbarung oder Verwendung eines Geschäftsgeheimnisses Anlass zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses gegeben hat.
Die abstrakte Umschreibung der Funktionsweise eines Programms zur besseren Aufdeckung von Insiderhandel kann nicht als Geschäftsgeheimnis qualifiziert werden, wenn diese nicht ihrem Inhalt nach beschrieben oder zumindest dargelegt wird, was das Programm von anderen Softwarelösungen zur Aufdeckung von Insiderhandel unterscheidet oder welcher konkrete Programmbestandteil „neu“ ist und zu besseren Ergebnissen als andere Programme führt. Eine Funktionsweise ist nur dann eine geheimhaltungsbedürftige „Information“, wenn sich aus der Beschreibung für fachkundige Personen die Möglichkeit ergibt, diese nachzubilden. Ein „rechtsverletzendes Produkt“ i.S.d. § 2 Nr. 4 GeschGehG*** kann in seiner Funktionsweise, wie von dieser Norm erfasst, nur auf einem rechtswidrig offengelegten Geschäftsgeheimnis beruhen. Dies setzt jedoch voraus, dass die Funktionsweise nachgestaltet werden kann. Dazu enthält der Vortrag der Beklagten keine Angaben.
*Das Gericht kann auf Antrag einer Partei streitgegenständliche Informationen ganz oder teilweise als geheimhaltungsbedürftig einstufen, wenn diese ein Geschäftsgeheimnis nach § 2 Nummer 1 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen sein können.
**Geschäftsgeheimnis ist eine Information, die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.
*** rechtsverletzendes Produkt ist ein Produkt, dessen Konzeption, Merkmale, Funktionsweise, Herstellungsprozess oder Marketing in erheblichem Umfang auf einem rechtswidrig erlangten, genutzten oder offengelegten Geschäftsgeheimnis beruht.
