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Wann liegt ein Glasbruchschaden vor?

Wann liegt ein Glasbruchschaden vor?
Aktuelles
15.03.2023

Wann liegt ein Glasbruchschaden vor?

Siehe dazu LG Saarbrücken, Urt. v. 10.02.2023 – 13 S 109/22 [aus den Entscheidungsgründen]:

„3. Auch der Einwand der Beklagten, es habe sich nicht um einen Glasbruch i.S.d. AKB 2015 gehandelt, hat sich nach der Beweisaufnahme nicht als durchgreifend herausgestellt.

a) Voraussetzung für einen ersatzpflichtigen Glasschaden ist ein Bruch an der Verglasung des Fahrzeuges. Was unter einem `Bruch´ der Verglasung zu verstehen ist, bestimmt sich entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Auslegung Allgemeiner Versicherungsbedingungen danach, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer den Begriff bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (vgl. etwa BGH, Urt. v. 26.01.2022 – IV ZR 144/21, VersR 2022, 312 Rn. 10; Urt. v. 9.11.2022 – IV ZR 62/22, juris Rn. 11).

b) Ausgehend vom Sprachgebrauch des täglichen Lebens und nicht etwa einer Terminologie, wie sie in bestimmten Fachkreisen üblich ist (BGH, Urteil vom 29. März 2017 – IV ZR 533/15, r+s 2017, 252 Rn. 13 m.w.N.), kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer dem Begriff ´Bruch´ entnehmen, dass die Scheibe nicht notwendigerweise zerbrochen sein muss, da nach allgemeinem Sprachgebrauch auch bereits Einschnitte, Risse oder Sprünge in Scheiben z.B. durch Steinschlag unter den Begriff des Glasbruches fallen. Dagegen fallen bloße Kratzer und Trübungen auf der Oberfläche des Glases nicht unter A.2.2.1.5 S. 1 AKB 2015 (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 28. Februar 2020 – 11 U 103/19 -, juris; Koch a.a.O. Rn 251; Klimke a.a.O. Rn. 77; Stadler in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 19. Aufl. 2017 Rn. 271, jew. m.w.N.). Folglich scheiden bloß oberflächliche Beschädigungen an den Fahrzeugscheiben aus, jedenfalls wenn sie ersichtlich keine Auswirkung auf die Verkehrssicherheit haben und ein Austausch der Scheibe in erster Linie aus kosmetischen Gründen erfolgen würde.

c) Im Streitfall liegen die Dinge dagegen anders. Wie die Vernehmung des Zeugen … und die anschließende Begutachtung durch den Sachverständigen … ergeben hat, war die streitgegenständliche Windschutzscheibe durch zahlreiche Steinschläge, darunter 4-5 mindestens 5 mm breite und entsprechend vertiefte, teils mit Schmutz gefüllte Ausbrechungen, beschädigt. Auch wenn daraus zwar noch kein sichtbarer Riss entstanden war und sich auch nicht mit hinreichender Sicherheit prognostizieren ließ, dass ein solcher Riss zeitlich unmittelbar drohte, lagen damit mehrere – wenngleich geringfügige – Aus´brüche´ am Glas vor. Die Anzahl der Steinschläge, deren Intensität sowie deren Verortung im Sichtfeld des Fahrers ließen zudem erkennen, dass die Verkehrssicherheit nicht unerheblich beeinträchtigt und eine Beanstandung im Rahmen der Hauptuntersuchung nicht ausgeschlossen war. Vor diesem Hintergrund diente der Austausch der Scheibe nicht mehr (allein) kosmetischen Gründen, sondern war unter dem Gesichtspunkt der eingeschränkten Verkehrssicherheit angezeigt, zumindest aber aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers vernünftig, zumal eine Reparatur von Steinschlägen im Sichtfeld des Fahrers mit § 40 Abs. 1 StVZO nicht in Einklang zu bringen ist. Er durfte daher davon ausgehen, dass eine solche, in der Summe und Intensität der Steinschläge nicht mehr nur oberflächliche Beschädigung der Scheibe als Glasbruch i.S.d. AKB einzuordnen ist.

Ausgehend vom Sprachgebrauch des täglichen Lebens und nicht etwa einer Terminologie, wie sie in bestimmten Fachkreisen üblich ist, kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer dem Begriff ´Bruch´ entnehmen, dass die Scheibe nicht notwendigerweise zerbrochen sein muss, da nach allgemeinem Sprachgebrauch auch bereits Einschnitte, Risse oder Sprünge in Scheiben z.B. durch Steinschlag unter den Begriff des Glasbruches fallen. Dagegen fallen bloße Kratzer und Trübungen auf der Oberfläche des Glases nicht unter A.2.2.1.5 S. 1 AKB 2015.“

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Stephan Schmid
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungsrecht, Fachanwalt für Verkehrsrecht

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