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Wie die Corona-Krise Patentinhaber einschränkt

Aktuelles
18.06.2020

Wie die Corona-Krise Patentinhaber einschränkt

Corona macht vor keinem Rechtsgebiet halt. Auch bestehende Patentrechte sind von den Einschränkungen betroffen, die die Corona-Krise notwendig macht: So erlaubt das Gesetz Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, dass bestimmte Patentinhaber ihre Erfindungen zur Nutzung überlassen müssen.

Konkret ermächtigt das Gesetz vom 27.03.2020 das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) anzuordnen, dass eine Erfindung im Interesse der Sicherheit des Bundes benutzt werden soll. Gleichzeitig beschränkt das Gesetz damit insoweit die Rechte des Patentinhabers, als dass er nicht mehr selbst entscheiden darf, wer seine Erfindung benutzt und wer nicht.

Betroffen sind davon Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung mit Arzneimitteln einschließlich Betäubungsmitteln, der Wirk-, Ausgangs- und Hilfsstoffe dafür, mit Medizinprodukten, Labordiagnostik, Hilfsmitteln, sowie mit Gegenständen der persönlichen Schutzausrüstung und Produkten zur Desinfektion.

Ist die gesetzliche Regelung wirksam?

Umgesetzt wird die Regelung im Infektionsschutzgesetz. Auf der anderen Seite ist das Patentgesetz betroffen. Doch ein Verstoß gegen das Patentgesetz liegt nicht vor. Denn § 13 Patentgesetz enthält die Möglichkeiten:

  • einer Anordnung durch die Bundesregierung, dass die Erfindung im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt benutzt werden soll.
  • einer Anordnung durch die zuständige oberste Bundesbehörde oder in deren Auftrag von einer nachgeordneten Stelle, dass die Erfindung im Interesse der Sicherheit des Bundes benutzt werden soll.

Einschlägig ist hier der zweite Fall: Die Bundesregierung hat mit dem Gesetz das BMG ermächtigt, diese Anordnungen zu treffen. Das bedeutet auch, dass das Patentgesetz gar nicht geändert werden musste, sondern nur das Infektionsschutzgesetz. Da beide Gesetze gleichrangig sind, ist die Regelung – die Übertragung der Kompetenz von Bundesregierung auf Bundesgesundheitsministerium – auch ohne weiteres möglich ist.

In welchem konkreten Fall kommt die Regelung zur Anwendung?

Konkret betroffen sind insbesondere Wirkstoffe und Arzneimittel gegen das Coronavirus als auch etwa Beatmungsgeräte.

Beispiel: Ein bestimmter Wirkstoff ist durch ein Patent geschützt. Das BMG ordnet – zeitlich befristet bis zum Ende der Pandemie – an, dass ein Drittunternehmen diesen Wirkstoff im Wege einer Lizenz nutzen darf, um damit einen Impfstoff gegen das Coronavirus herzustellen. Dazu muss das BMG den jeweiligen Patentinhaber über die Benutzung informieren. Ob dieser damit einverstanden ist oder nicht, spielt keine Rolle.

Was passiert mit dem Patent?

Kommt es zu einer solchen Anordnung durch das BMG, verbleibt das Patent selbst trotzdem beim Patentinhaber. Er behält ein eigenes Nutzungsrecht. Der Staat muss dem Patentinhaber aber eine angemessene Vergütung zahlen. Was im konkreten Fall angemessen ist, ist sicher streitig. Der Patentinhaber wird sich womöglich in vielen Fällen mit der Höhe der Vergütung nicht zufriedengeben: Schließlich erhält er voraussichtlich nur einen Bruchteil dessen, was er dadurch einbüßt, dass er das Patent nicht alleine und gewinnmaximierend benutzen kann.

Kann der Patentinhaber dagegen vorgehen?

Will der Patentinhaber sich wehren, kann er die Anordnung vor dem Bundesverwaltungsgericht anfechten. Eine solche Anfechtung hat grundsätzlich aufschiebende Wirkung, soweit keine sofortige Vollziehung angeordnet wurde. Dann ist die Anordnung nicht wirksam, bis rechtskräftig über sie entschieden wird. Spinnt man diesen Ablauf weiter, ist der Fall denkbar, dass der Patentinhaber gleichzeitig selbst beispielsweise mit der Herstellung eines Impfstoffes beginnt und ein Zulassungsverfahren anstrebt, das für ihn womöglich schneller geht als für das Drittunternehmen.

Fazit

Die Neuregelung ist grundsätzlich begrüßenswert und auch zulässig: Sie verstößt in seiner aktuellen Ausgestaltung nicht gegen geltendes Patentrecht. Doch ganz ausgereift ist sie nicht und erlaubt Fallkonstellationen, die so vom Gesetzgeber nicht gewollt sein dürften.

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Autor(en)


Dr. Diana Taubert
European Design Attorney, European Patent Attorney, European Trademark Attorney, Patentanwältin

Mail: info@etl-ip.com


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