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Wie ist die Kleinbetriebsklausel (§ 23 KSchG) bei einem im Aufbau befindlichen Betrieb zu betrachten?

Wie ist die Kleinbetriebsklausel (§ 23 KSchG) bei einem im Aufbau befindlichen Betrieb zu betrachten?
Frage des Tages
07.04.2022

Wie ist die Kleinbetriebsklausel (§ 23 KSchG) bei einem im Aufbau befindlichen Betrieb zu betrachten?

Siehe dazu etwa LAG Düsseldorf Urt. v. 15.09.2021 – 12 Sa 10/21, NZA-RR 2022, 192:

„Auch bei einem im Aufbau befindlichen Betrieb gibt es einen regelmäßigen Beschäftigtenbestand im Sinne von § 23 Abs. 1 KSchG. Steigt die Mitarbeiterzahl innerhalb von sieben Monaten über den Schwellenwert von § 23 Abs. 1 KSchG und kündigt die Arbeitgeberin dann Arbeitnehmern zum Zwecke der Betriebseinschränkung, ist für die Frage der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes grundsätzlich ein Rückblick auf die bisherige Belegschaftsstärke maßgeblich. Diese kennzeichnet die regelmäßige Beschäftigtenzahl. Anders ist dies nur dann, wenn von Beginn an geplant war, diese Belegschaftsstärke nur kurz zu überschreiten. Das Kündigungsschutzgesetz findet hingegen – wie hier – Anwendung, wenn es darum geht, den im Aufbau befindlichen aber erreichten und eigentlich beabsichtigten Beschäftigtenstand oberhalb der Grenze § 23 Abs. 1 KSchG wieder zu reduzieren.“

In den Entscheidungsgründen heißt es:

„aa) Da § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG auf die ´in der Regel´ im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer abstellt, kommt es für die Betriebsgröße nicht auf die zufällige tatsächliche Anzahl der Beschäftigten im Zeitpunkt des Kündigungszugangs an. Maßgebend ist die Beschäftigungslage, die im Allgemeinen für den Betrieb kennzeichnend ist. Zur Feststellung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl bedarf es deshalb eines Rückblicks auf die bisherige personelle Stärke des Betriebs und einer Einschätzung seiner zukünftigen Entwicklung; Zeiten außergewöhnlich hohen oder niedrigen Geschäftsanfalls sind dabei nicht zu berücksichtigen (…). Bei der Berechnung des Schwellenwerts nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG ist der gekündigte Arbeitnehmer auch dann mit zu berücksichtigen, wenn Kündigungsgrund die unternehmerische Entscheidung ist, den betreffenden Arbeitsplatz nicht mehr neu zu besetzen. Wird etwa wegen Betriebsstilllegung gekündigt, so kommt nur ein Rückblick auf die bisherige Belegschaftsstärke in Frage. Entscheidend ist dann, wann der Arbeitgeber noch eine regelmäßige Betriebstätigkeit entwickelt und wie viele Arbeitnehmer er hierfür eingesetzt hat. Eine Betriebseinschränkung führt nur dazu, dass künftig eine andere, regelmäßige Arbeitnehmerzahl gegeben sein soll; im Kündigungszeitpunkt ist jedoch für den Betrieb noch die bisherige Beschäftigtenzahl kennzeichnend, da nicht absehbar ist, ob die Unternehmerentscheidung, die der Kündigungsabsicht zugrunde liegt, sich tatsächlich auch verwirklichen lässt, insbesondere also die beabsichtigten Kündigungen wirklich zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen. Es würde dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung widersprechen, wenn sich der Arbeitgeber durch den bloßen Entschluss, wegen Betriebseinschränkung bzw. Betriebsstilllegung einzelnen oder allen Arbeitnehmern zu kündigen, der Überprüfung der entsprechenden Kündigungen am Maßstab des Kündigungsschutzgesetzes entziehen könnte (…).

bb) Bereits nach dem eigenen Tatsachenvortrags der Beklagten zu 1) ist danach die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes gegeben, weil die Beklagte zu 1) im Kündigungszeitpunkt am 27.08.2019 ohne Berücksichtigung von Frau N. (…) in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigte. Daran ändert entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1) der Umstand, dass diese erst am 01.01.2019 ihre Geschäftstätigkeit aufnahm, nichts. Richtig ist – worauf bereits das Arbeitsgericht abgestellt hat – dass die Beklagte zu 1) nach ihrem Vortrag im Kündigungszeitpunkt am 27.08.2021 unter Berücksichtigung der Teilzeitbeschäftigung von Herrn L. nur noch 8,5 Mitarbeiter beschäftigte. Die Beklagte zu 1) startete ausweislich ihrer eigenen Aufstellung (Anlage B 13 zum Schriftsatz vom 22.02.2021) mit insgesamt acht Arbeitnehmern. Der Beschäftigtenbestand sank am 17.02.2019 auf sieben und stieg zu Ende März 2019 auf zehn. Ab dem 01.04.2019 war der Schwellenwert des § 23 Abs. 1 KSchG überschritten. Unter Berücksichtigung der Teilzeitbeschäftigung von Herrn L. waren es ab dem 01.04.2019 13,5 Beschäftigte, ab dem 01.05.2019 15,5 Beschäftigte, ab dem 31.05.2019 nur noch 14,5 und dann ab dem 01.07.2019 wieder 15,5. Zum 15.07.2019 reduzierte sich der Beschäftigtenstand auf 12,5 und zum 31.07.2019 auf 11,5 und zum 03.08.2019 auf 10,5. Ab dem 24.08.2019 betrug er 9,5 und ab dem 25.08.2019 8,5. Danach sank die Anzahl der Arbeitnehmer bei der Beklagten zu 1) nach deren Vortrag weiter ab auf 7,5 am 31.08.2019 und auf sieben am 13.09.2021 und auf sechs am 31.10.2021 (hier ist allerdings auch das Ausscheiden des Klägers bereits berücksichtigt). Er verblieb nachfolgend trotz einer Erhöhung auf wieder sieben zum 03.02.2020 unterhalb des Schwellenwertes des § 23 Abs. 1 KSchG und ab dem 01.01.2021 beschäftigte die Beklagte zu 2) nach deren Vortrag keine Arbeitnehmer mehr. Dies stimmt im Wesentlichen mit dem Schaubild der Beklagten in der Anlage B14 zum Schriftsatz vom 12.05.2021 überein. Zur Überzeugung der Kammer ist im Kündigungszeitpunkt betreffend den Kläger von der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auszugehen.“

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Dr. Stefan Müller-Thele
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