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Zu den Anforderungen eines gemeinsamen / gemeinschaftlichen Betriebes (vgl. § 23 KSchG)

Zu den Anforderungen eines gemeinsamen / gemeinschaftlichen Betriebes (vgl. § 23 KSchG)
Aktuelles
24.02.2022

Zu den Anforderungen eines gemeinsamen / gemeinschaftlichen Betriebes (vgl. § 23 KSchG)

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Chemnitz (Sächsisches Landesarbeitsgericht) hat entschieden (Sächsisches LAG, Urt. v. 20.09.2021 – 6 Ca 812/19) [aus den Entscheidungsgründen]:

„1. Ein Betrieb i. S. von § 23 Abs. 1 KSchG ist nach allgemeiner Ansicht die organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt. Von einem Gemeinschaftsbetrieb zweier selbständiger Unternehmen kann dann auszugehen sein, wenn mehrere rechtlich selbstständige Unternehmen so eng miteinander zusammenarbeiten, dass sie gemeinsam einen einheitlichen Betrieb führen. Dabei ist zu beachten, dass zwei Unternehmen allein dadurch, dass sie ihre betriebliche Tätigkeit in den gleichen Räumen und mit den gleichen sachlichen Mitteln entfalten, noch nicht notwendig einen Gemeinschaftsbetrieb bilden. Auch unter diesen Umständen bleiben die Betriebe selbstständig, wenn jedes der beteiligten Unternehmen seinen eigenen Betriebszweck unabhängig von dem anderen verfolgt, also keine gemeinsame Betriebsleitung besteht. Die in der Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel müssen für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst worden sein. Nur wenn die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat betriebsbezogen gesteuert wird und mehrere Unternehmen auf diese Weise in gemeinsamer Arbeitsorganisation und unter einheitlicher Leitungsmacht arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgen, liegt ein gemeinsamer Betrieb i. S. § 23 Abs. 1 KSchG vor (vgl. hierzu Bader in KR, Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, § 23 Rnr. 68).

Auch die Rechtsprechung betont, dass von einem gemeinschaftlichen Betrieb mehrerer Unternehmen nur ausgegangen werden kann, wenn die materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrerer Unternehmen zu arbeitstechnischen Zwecken zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat betriebsbezogen gesteuert wird (BAG, Urteil vom 20.5.2021, 2 AZR 560/20 -juris- RdNr.13). Diese einheitliche Leitung muss sich auf die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen in sozialen und personellen Angelegenheit erstrecken. Die beteiligten Unternehmen müssen sich insoweit zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben. Dabei kann die personelle Identität des Geschäftsführers der beteiligten Unternehmen ein Indiz für einen einheitlichen Leitungsapparat auf betrieblicher Ebene sein. Dieses Indiz spricht aber nicht zwingend für die einheitliche Leitung der Unternehmen in personellen und sozialen Angelegenheiten, denn derselbe Geschäftsführer kann die Unternehmen auch organisatorisch voneinander getrennt leiten. Allein der Umstand, dass zwei Unternehmen durch dieselbe Person geleitet werden, sagt noch nichts darüber aus, dass diese Person ihre Leitungsmacht für beide Unternehmen auch einheitlich ausübt. Es bedarf für einheitliche Ausübung der Arbeitgeberfunktion in sozialen und personellen Angelegenheiten ergänzender Anhaltspunkte (BAG, Beschluss vom 25.02.2005, 7 ABR 38/04, -juris- RdNr. 29). Das formale Merkmal des Bestehens einer steuerrechtlichen Organschaft, auf die eine einheitliche Umsatzsteuernummer hinweist, hat dagegen für die Frage des Vorliegens eines einheitlichen Betriebes i.S.v. § 23 Abs.1 KSchG keine ausschlaggebende Bedeutung. Organschaft ist eine wirtschaftliche Unternehmenseinheit, die der Verrechnung von Gewinnen und Verlusten im Organkreis dient. Umsatzsteuerrechtlich wird die Organgesellschaft als unselbständig behandelt, ihre Umsätze werden dem Organträger zugerechnet (BAG, Beschluss vom 25.2.2005, a.a.O. RdNr. 35 m.w.N.). Das Kündigungsschutzgesetz ist allerdings betriebsbezogen. Es knüpft nicht an die für die steuerrechtliche Organschaft maßgebliche Unternehmensebene an, sondern allein an den Betriebsbegriff, wie er § 23 Abs.1 KSchG und § 1 BetrVG zugrunde liegt.“

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Markus Golz
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Mail: erfurt@etl-rechtsanwaelte.de


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