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Zur antragsgemäßen Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist

Zur antragsgemäßen Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
Aktuelles
15.09.2023 — Lesezeit: 3 Minuten

Zur antragsgemäßen Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist

Der  Bundesgerichtshof (BGH) hat sich zur Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist wie folgt geäußert (BGH, Beschl. v. 31.07.2023 – VIa ZB 1/23 [aus den Entscheidungsgründen]:

„Gemäß § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO kann die Frist zur Berufungsbegründung auf Antrag wiederholt verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Die Bewilligung der Fristverlängerung hängt auch bei der wiederholten Fristverlängerung entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichts nicht davon ab, dass der Rechtsmittelführer hierfür erhebliche Gründe geltend machen kann, die er deshalb auch nicht darlegen muss (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2009 – VII ZB 111/08, NJW 2009, 3100 Rn. 9; Beschluss vom 30. Januar 2023 – VIa ZB 15/22, NJW 2023, 1449 Rn. 11). Das Vertrauen in die Gewährung einer wiederholten Fristverlängerung ist im Regelfall erst erschüttert, wenn aus Sicht eines Rechtsmittelführers Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass die Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens trotz der Einwilligung zu einer Ablehnung der begehrten Fristverlängerung führen kann.

Solche Anhaltspunkte lagen nicht vor. Weder war der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist missbräuchlich (vgl. zu einer Versagung unter diesem Gesichtspunkt Althammer in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 520 Rn. 13) noch bedurfte der Rechtsstreit nach Ablauf der zweifach verlängerten Frist (nunmehr) der Beschleunigung (vgl. dazu Gerken in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl., § 520 Rn. 39). Die aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) resultierende Verpflichtung der Fachgerichte, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen (vgl. BVerfGE 93, 1, 13; BVerfG, NZA 2015, 1403 Rn. 11 mwN), trat ohne Rücksicht darauf, ob hier aufgrund der ausstehenden Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache C-100/21 ein Abwarten der Instanzgerichte angezeigt war, zurück, solange der Gegner mit der weiteren Fristverlängerung einverstanden war (vgl. MünchKommZPO/Krüger, 6. Aufl., § 551 Rn. 13). Dass zahlreiche ähnlich gelagerte Rechtsstreitigkeiten bei Instanzgerichten anhängig sind, ändert im Übrigen nichts an der Gültigkeit allgemeiner prozessualer Grundsätze (aA für Fristverlängerungen in ´Massenverfahren´ OLG Bamberg, Beschluss vom 25. April 2019 – 8 U 2/19, juris Rn. 22).

Der mit der zweiten Fristverlängerung verbundene Hinweis der Vorsitzenden auf eine ´letztmalige´ Verlängerung stand dem Vertrauen des Prozessbevollmächtigten des Klägers in die Fristverlängerung ohne Rücksicht darauf nicht entgegen, ob er ihn bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt zur Kenntnis nehmen konnte. Ein solcher Hinweis entbindet das Gericht nicht davon, die in § 520 Abs. 2 ZPO angelegte Differenzierung danach, ob der Gegner eingewilligt hat oder nicht, und die vom Gesetzgeber (BT-Drucks. 14/4722, S. 95) beabsichtigte vereinfachte Verlängerungsmöglichkeit bei erteilter Einwilligung zu beachten (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2023 – VIa ZB 15/22, NJW 2023, 1449 Rn. 11 mwN). Entsprechend darf ein Rechtsmittelführer und durfte hier der Kläger davon ausgehen, dass das Berufungsgericht bei einer Einwilligung des Gegners in eine weitere Fristverlängerung sein Ermessen erneut pflichtgemäß ausüben werde, ohne sich an die Kundgabe der vorangegangenen Fristverlängerung als letztmalig gebunden zu halten oder wegen dieser Kundgabe andere Maßstäbe an die Begründetheit des Fristverlängerungsantrags anzulegen als die gesetzlich vorgegebenen. Eine Erschütterung des Vertrauens eines Rechtsmittelführers aufgrund eines entsprechenden Zusatzes hätte allenfalls in Betracht kommen können, wenn das Berufungsgericht mit der Fristverlängerung tragfähige und zum Zeitpunkt der Ermessensausübung fortgeltende Erwägungen offenlegt hätte, aus denen eine weitere Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung nicht in Betracht kam. Das war hier nicht der Fall.“

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Autor(en)

Dr. Uwe P. Schlegel
Rechtsanwalt

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