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Besteht ein Anspruch auf Wohnungszuweisung nach § 1568a BGB auch dann, wenn ein anderweitig eingerichteter Wohnsitz besteht?

Frage des Tages
30.08.2022

Besteht ein Anspruch auf Wohnungszuweisung nach § 1568a BGB auch dann, wenn ein anderweitig eingerichteter Wohnsitz besteht?

Nein, grundsätzlich besteht dann ein solcher Anspruch nicht, meint das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg (OLG Brandenburg, Beschl. v. 18.03.2022 – 13 UF 134/22, NKW-Spezial 2022, 326).

In den Entscheidungsgründen heißt es:

„2. Ein Anspruch auf Überlassung der Ehewohnung besteht für die Antragsgegnerin nicht.

Nach § 1568a Abs. 1 BGB kann ein Ehegatte verlangen, dass der andere ihm die Ehewohnung anlässlich der Scheidung überlässt, wenn er auf deren Nutzung unter Berücksichtigung des Wohls der im Haushalt lebenden Kinder und der Lebensverhältnisse der Ehegatten in stärkerem Maße angewiesen ist als der andere oder wenn die Überlassung aus anderen Gründen der Billigkeit entspricht.

Ist das Kindeswohl nicht ausschlaggebend, weil – wie hier – keine Kinder mehr in der Ehewohnung leben, kommt es in einer Gesamtabwägung aller Umstände, die die Lebensverhältnisse der Ehegatten bestimmen, darauf an, ob der antragstellende Ehegatte in stärkerem Maße als der andere auf die Ehewohnung angewiesen ist (BeckOGK/Erbarth, Stand 01.12.2021, § 1568a BGB, Rn. 47).

Bei der Gesamtabwägung sind, immer unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles, in der Regel Alter und Gesundheitszustand der Ehegatten, der Umstand, dass ein Ehegatte die Wohnung schon vor der Eheschließung bewohnt hat, die Frage, welcher Ehegatte stärker auf die Ehewohnung angewiesen ist oder eher eine geeignete Ersatzwohnung finden kann und allgemein auch die finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten, die Nähe der Wohnung zum Arbeitsplatz oder die Verbindung mit Geschäftsräumen, Eigenleistungen, die ein Ehegatte zum Aufbau der Wohnung erbracht hat, und auch die Aufnahme eines nahen pflegebedürftigen Angehörigen zu berücksichtigen (Senat, Beschluss vom 16. November 2021 – 13 UF 73/21 –, Rn. 38 – 41, juris).

Nach diesen Maßstäben lässt sich nicht feststellen, dass die Antragsgegnerin in stärkerem Maße auf die Ehewohnung angewiesen ist.

Hinsichtlich ihres Alters und Gesundheitszustandes lässt sich auf der Grundlage des Beteiligtenvortrags kein stärkeres Angewiesensein eines der Beteiligten auf die gegenständliche Wohnung feststellen. Alters- oder Krankheitsgründe, die es notwendig machten, dass die Antragsgegnerin die ehemalige Ehewohnung nutzt, sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

Dies gilt auch für das Kriterium der größeren Angewiesenheit in Form des Nutzens, den ein Ehepartner hat, wenn ihm die Wohnung überlassen wird, etwa wegen der Nähe zum Arbeitsplatz oder zu anderen Verwandten oder wegen der Verbindung mit seinen Geschäftsräumen (vgl. Johannsen/Henrich/Althammer/Dürbeck, 7. Aufl. 2020, BGB § 1568a Rn. 6; MüKoBGB/Wellenhofer, 8. A., § 1568a Rn. 17).

Aus dem Kriterium des Anteils der gemeinsam aufgebrachten Mittel und Eigenleistungen zum Aufbau der Wohnung (vgl. KG NJW-RR 1989, 711) kann die Antragsgegnerin keinen wesentlichen Vorteil für sich herleiten, denn unbestritten haben beide Ehegatten das Grundstück gemeinsam erworben, saniert und die Darlehn zur Finanzierung der Immobile ebenfalls gemeinsam aufgenommen und getilgt.

Schließlich ist auch zu Gunsten der Antragsgegnerin kein längerer Zeitraum der Wohnungsnutzung als weiterer Gesichtspunkt bei der Zuweisung gegeben (KG NJW-RR 1989, 711; BeckOGK/Erbarth, a. a. O., § 1568a BGB Rn. 48; MüKoBGB/Wellenhofer, a. a. O., § 1568a Rn 20).

Tatsächlich hat sich die Antragsgegnerin bereits seit 2018 an einem anderen ständigen Wohnsitz eingerichtet. Entgegen ihrem Vortrag lebt sie ganzjährig in einem Haus unter der im Rubrum angegebenen Adresse. Dies ergibt sich aus dem von ihr selbst mit Schriftsatz vom 29.07.2021 vorgelegten Arztbrief vom 30.07.2020 (Bl. 123), wonach sie nach eigener Aussage mit Unterstützung seitens ihrer Geschwister und ihrer Mutter dort einen Bungalow in schöner Wohnlage in einem Naherholungsgebiet errichtet hat, in dem sie lebt. Auf eine von ihr nicht näher dargelegte Unzulässigkeit einer ganzjährigen Nutzung kommt es dabei nicht an; dass sie etwa von Räumung bedroht oder der Bungalow zu Wohnzwecken ungeeignet sei, hat sie nicht vorgetragen.“

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Autor(en)


Katrin Kaiser
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht, Fachanwältin für Verkehrsrecht

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Daniela Wackerbarth
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht

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