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Eine Internet-Recherche des Patienten ersetzt nicht die ärztliche Aufklärungspflicht

Eine Internet-Recherche des Patienten ersetzt nicht die ärztliche Aufklärungspflicht
Aktuelles
10.11.2023

Eine Internet-Recherche des Patienten ersetzt nicht die ärztliche Aufklärungspflicht

Das Landgericht (LG) Dortmund hat sich unter anderem mit der Frage befasst, ob ein medizinischer Eingriff im konkreten Fall an einem sog. Aufklärungsversäumnis gelitten hat und diese Frage im Ergebnis bejaht (LG Dortmund, Urt. v. 17.08.2023 – 12 O 416/20). In den Entscheidungsgründen heißt es dazu:

„Dem Aufklärungsversäumnis steht auch eine etwaige Vorkenntnis des Klägers nicht entgegen.

Eine Vorkenntnis der für die Einwilligung wesentlichen Umstände kann eine Aufklärung gem. § 630e Abs. 3 BGB entbehrlich machen. Nach der Rechtsprechung des BGH entfällt die Haftung für einen etwaigen Aufklärungsfehler dann, wenn feststeht, dass der Patient über das maßgebliche Risiko bereits anderweitig aufgeklärt ist, da er dann weiß, in welchen Eingriff er einwilligt (vgl. BGH, Urt. v. 25.03.2003, VI ZR 131/02 – juris Rn. 23; Palandt-Weidenkaff, 80. Aufl. 2021, § 630e Rn. 12).

Zwar war der Kläger auch nach eigenen Angaben über die Eingriffsmethode bereits im Vorfeld durch entsprechende Internetrecherche informiert. Dass und inwieweit er auch über den unsicheren Stand der Behandlungsmethode in der Wissenschaft Bescheid wusste, ist allerdings nicht ersichtlich. Der Beklagte zu 2) teilte im Rahmen seiner persönlichen Anhörung mit, dass jedenfalls die Risiken der Behandlung auf der Internetseite der Beklagten zu 1) so nicht aufgeführt gewesen seien. Die eigeninitiativ vorgenommene Recherche kann die gebotene schonungslose Aufklärung, die den Patienten in die Lage versetzen soll, sorgfältig das Für und Wider der Behandlung abzuwägen, nach Auffassung der Kammer nicht ersetzen und die Beklagten daher nicht entlasten. Auch der Umstand, dass der Kläger die Beklagten wohl gezielt für eine solche Behandlung aufgesucht hat, führt zu keiner anderen Beurteilung.

Die Kammer hat sich im Rahmen der Parteianhörung nicht des Eindrucks erwehren können, dass der Beklagte zu 2) die Behandlung trotz seiner Kenntnis um die mangels ausreichender Datenlage unsicheren Erfolgschancen als erfolgsversprechende Behandlungsmethode möglicherweise sogar im Rahmen eines Geschäftsmodells empfohlen haben könnte. Dafür sprechen die Umstände, dass der Beklagte zu 2) selbst ausführte, man sei damals bei Eingabe des Suchbegriffes ´Hydrogeltherapie´ bei Google mit als erstem Eintrag auf die Beklagte zu 1) gestoßen, in den Praxisräumen hätten Flyer ausgelegen und man habe das Vorgehen anhand von bereitliegenden Hydrogelsticks in natürlicher und gequollener Form im Reagenzglas erläutern können. Solche gesondert organisierten und im Hinblick auf die Google-Abfrage auch in aller Regel mit nicht unerheblichen Kosten verbundenen Maßnahmen sind aus Sicht der Kammer jedenfalls als Indiz dafür zu werten, dass hier schmerzgeplagten und verzweifelten Patienten der Eindruck einer wirksamen Therapie bei tatsächlich völlig unklaren Erfolgsaussichten vermittelt werden sollte.“

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