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Ist die Teilnahme eines Apothekers an einem Lieferdienst, der sonntags ausliefert, ein Verstoß gegen das Ladenöffnungs- und Feiertagsgesetz in NRW?

Ist die Teilnahme eines Apothekers an einem Lieferdienst, der sonntags ausliefert, ein Verstoß gegen das Ladenöffnungs- und Feiertagsgesetz in NRW?
Frage des Tages
12.02.2024

Ist die Teilnahme eines Apothekers an einem Lieferdienst, der sonntags ausliefert, ein Verstoß gegen das Ladenöffnungs- und Feiertagsgesetz in NRW?

Ja, meint das Oberlandesgericht (OLG) Köln (OLG Köln, Urt. v. 12.01.2024 – 6 U 65/23). Der Kläger, ein Wettbewerbsverein, nimmt den beklagten Apotheker auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten mit der Begründung in Anspruch, dieser verstoße gegen das Ladenöffnungs- und das Feiertagsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, indem er sich an einem auch sonntags tätigen Lieferdienst für Medikamente beteilige. Das OLG bestätigt diese Auffassung.

In den Entscheidungsgründen des Urteils heißt es:

„Das Landgericht ist auf Grundlage einer zutreffenden Interpretation des Verhältnisses zwischen § 23 ApoBetrO einerseits und dem LÖG NRW andererseits zu dem richtigen Ergebnis gelangt, dass dem Kläger ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3, 3a UWG zusteht.

(…) Soweit im angefochtenen Urteil angenommen worden ist, dass der Beklagte gegen § 7 Abs. 2 LÖG NRW bzw. die auf dieser Grundlage erlassene Schließungsverfügung der zuständigen Apothekerkammer und gegen § 3 FeiertagsG NRW verstoßen hat, hält dies den Angriffen der Berufung stand.

Kern des Streits der Parteien ist die Interpretation des § 23 ApoBetrO, der Apothekerinnen und Apotheker zur ständigen Dienstbereitschaft verpflichtet, zugleich aber der zuständigen Behörde (hier der jeweiligen Apothekerkammer) die Befugnis einräumt, einen Teil der Apotheken u.a. an Sonn- und Feiertagen von der Pflicht zur Dienstbereitschaft zu befreien (§ 23 Abs. 1 S. 1 und 2 ApoBetrO) sowie die Wirksamkeit der Regelung des § 7 Abs. 2 Ladenöffnungsgesetz (LÖG) NRW, wonach die zuständige Apothekerkammer regelt, dass an Sonn- und Feiertagen abwechselnd ein Teil der Apotheken geschlossen sein muss.

Die Auslegung des Zusammenspiels dieser Regelungen durch das Landgericht ist nicht zu beanstanden. Es kann daher zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die zutreffende Begründung der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden. Im Hinblick auf die Berufungsbegründung sind folgende Ausführungen veranlasst:

(…) Es kann entgegen der Auffassung der Berufung nicht davon ausgegangen werden, dass der Bundesverordnungsgeber mit der Neufassung des § 23 ApoBetrO im Jahr 2012 eine abschließende Regelung auch für die Befugnis der Apotheken, an Sonn- und Feiertagen unabhängig von den Ladenöffnungszeiten der Länder zu öffnen, treffen wollte.

Auch das Landgericht hat nicht verkannt, dass der Wortlaut des § 23 ApoBetrO im Vergleich zur vor 2012 geltenden Fassung keine ausdrückliche Befugnis zum Erlass von Schließungsanordnungen mehr vorsieht. Hieraus lässt sich indes entgegen der Berufung, die sich allerdings auf Befürworter im apothekenrechtlichen Schrifttum stützen kann (Wesser A&R 2019, 252 = Anlage B3, Bl. 114 ff. GA; Cyran/Rotta, Kommentar zur ApoBetrO, Stand Januar 2017, § 23 Rn. 11 ff. = Anlage B2, Bl. 101 ff. GA; Krämer, in: Rixen/Krämer, ApoG, 2014, § 23 Rn. 2 = Anlage B4, Bl. 119 ff. GA), nicht schließen, dass die Vorschrift den Apotheken die uneingeschränkte Befugnis verleiht, an Sonn- und Feiertagen ihre Dienstbereitschaft auch unabhängig von ihrer Notdiensteinteilung und ungeachtet der Vorschrift des § 7 Abs. 2 LÖG NRW zu versehen.

Denn dem Umstand allein, dass der Verordnungsgeber § 23 Abs. 1 S. 1 und 2 ApoBetrO in der ab dem 12.06.2012 geltenden Fassung dahin gefasst hat, dass er lautet:

´Apotheken sind zur ständigen Dienstbereitschaft verpflichtet. Die zuständige Behörde befreit einen Teil der Apotheken ganz oder teilweise zu folgenden Zeiten von der Pflicht zur Dienstbereitschaft´

kann in der gebotenen Gesamtschau zwischen Wortlaut und Systematik nicht die vorgenannte Aussage entnommen werden.

Die zwischen dem 01.01.2004 und dem 11.06.2012 geltende Fassung der Vorschrift lautete:

´Die Apotheke muss außer zu den Zeiten, in denen sie auf Grund einer Anordnung nach § 4 Abs. 2 des Ladenschlussgesetzes geschlossen zu halten ist, ständig dienstbereit sein. Die von einer Anordnung betroffene Apotheke ist zu folgenden Zeiten von der Verpflichtung zur Dienstbereitschaft befreit`.

Soweit die Berufung und die vorgenannten Literaturstimmen meinen, der Wortlaut stelle in diesem Fall die Grenze der Auslegung dar, trifft das nicht zu. Denn nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen ist zwar der in einer Gesetzesvorschrift zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgeblich, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung ergibt. Daneben und gleichrangig ist aber auch der Sinnzusammenhang zu berücksichtigen, in den die Vorschrift hineingestellt ist (BGH GRUR 2017, 1281, 1285 Rn. 40 – Großhandelszuschläge m.w.N.).

(…) Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Landgericht (ebenso auch das Landgericht Berlin in dem Parallelverfahren, das der Kläger gegen den Lieferdienst angestrengt hat, Urteil vom 22.06.2023 = PharmR 2023, 598, überreicht auch als Anlage BK1, Bl. 250 ff. eA) mit Recht angenommen, dass sich der Streichung des Verweises auf Ladenschlussvorschriften des Bundes nicht entnehmen lässt, dass nunmehr die Ländervorschriften über den Ladenschluss durch § 23 Abs. 1 S. 1 ApoBetrO verdrängt werden sollten.

In der Begründung zu der Verordnungsänderung (BR-Drs. 61/12) finden sich weder bei den Zielen der Verordnung noch bei der Begründung im Allgemeinen Teil spezifische Aussagen zu einer solchen Zielrichtung. Vielmehr heißt es zu den Gesetzesfolgen ausdrücklich:

´Die Rechtsverordnung beschränkt sich auf die grundlegenden Bestimmungen, die für die Herstellung, Prüfung und Lagerung der Arzneimittel und deren sichere Abgabe in der Apotheke erforderlich sind.´ (BR-Drs. 61/12, S. 34).

Wenn der Bundesverordnungsgeber jedoch einen Wechsel des zuvor bestehenden Systems des Zusammenspiels von Dienstbereitschaft und Ladenschlussregelung unter Inanspruchnahme seiner seit der Föderalismusreform I (von 2006) bestehenden Kompetenz zur Regelung des Rechts des Apothekenwesens (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG) hätte herbeiführen wollen, wäre es zu erwarten gewesen, dass dies als hervorgehobenes oder zumindest ausdrücklich erwähntes Ziel erwähnt worden wäre.

Dies ergibt sich bereits aus den verfassungsrechtlich maßgeblichen Auslegungsmaßstäben: Denn nach Art. 72 Abs. 1 GG tritt eine Sperrwirkung für den Landesgesetzgeber nur ein, solange und soweit der Bund auf einem Gebiet der konkurrierenden Zuständigkeit von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht hat. Der Erlass eines Bundesgesetzes (bzw. hier einer Verordnung) über einen bestimmten Gegenstand rechtfertigt für sich allein noch nicht die Annahme, dass damit die Länder von einer Gesetzgebung ausgeschlossen sind; es können noch Bereiche übrigbleiben, deren Regelung für die Gesetzgebung der Länder offen sind. Maßgeblich ist, ob ein bestimmter Sachbereich umfassend und lückenlos geregelt ist oder jedenfalls nach dem aus Gesetzgebungsgeschichte und Materialien ablesbaren objektivierten Willen des Gesetzgebers abschließend geregelt werden sollte. Für die Frage, ob und inwieweit der Bund von seiner Zuständigkeit Gebrauch gemacht hat, ist in erster Linie auf das Bundesgesetz selbst, sodann auf den hinter dem Gesetz stehenden Regelungszweck, ferner auf die Gesetzgebungsgeschichte und die Gesetzesmaterialien abzustellen (BVerfG NJW 2004, 750, 755). Dabei stellen Vorbehalte zugunsten des Landesgesetzgebers ein Indiz für eine nicht erschöpfende Regelung dar (vgl. Degenhart, in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 72 Rn. 27).

Gemessen hieran zeigt bereits die Verordnungsbegründung, dass der tragende Grund für das Entfallen des Verweises auf die Anordnungen nach dem LSchlG war, dass den Ländern seit der Föderalismusreform die Gesetzgebungszuständigkeit für das Ladenschlussrecht zugewiesen war. Auf S. 57 der Begründung heißt es:

´Die Neuregelung ist notwendig, weil durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034) die Bundesländer die Gesetzgebungskompetenz für das Ladenschlussrecht erhielten. Für Länder, in denen seitdem keine eigenen Ladenschlussregelungen getroffen wurden, gilt bis auf weiteres das Ladenschlussgesetz.´

Mithin ging der Verordnungsgeber selbst davon aus, dass die Länder mit ihren Ladenschlussgesetzen weiterhin befugt sein sollten, die zur Dienstbereitschaft verpflichteten Apotheken in den Geltungsbereich ihrer (eigenen oder als Bundesrecht fortdauernden) Regelungen über die Schließung an Sonn- und Feiertagen einzubeziehen. Hierin ist ein Vorbehalt zugunsten der Legislativen der Länder im erwähnten Sinne zu sehen, auch wenn er nicht im (insofern offenen) Normtext selbst, sondern in der Begründung enthalten ist, die indes, wie oben ausgeführt, ebenfalls heranzuziehen ist. Hierzu fügt es sich, dass sich der Verordnungsgeber zur Begründung der Streichung auf die Überlegung beschränkt hat, dass der ´Verweis auf § 4 Absatz 2 des Ladenschlussgesetzes […] nicht mehr für alle Bundesländer relevant ist.´ und gerade nicht ausgeführt hat, dass der Verweis nunmehr deshalb hinfällig sei, weil der Bund insofern eine abschließende Regelung des Rechts der Apothekenöffnung durch die Neufassung des § 23 ApoBetrO herbeiführen wollte.

Die Deutung in dem von dem Beklagten mit Schriftsatz vom 30.11.2023 (dort S. 9 f., Bl. 276 f. eA sowie Anlage BK2, Bl. 265 ff. eA) nicht vollständig vorgelegten Gesetzentwurf des Hamburgischen Senats, aus dem entnommen werden könnte, dass dieser der im Schrifttum teilweise ebenfalls vertretenen Auffassung war, wonach der Bund mit der Regelung der Dienstbereitschaft in § 23 ApoBetrO eine abschließende Regelung treffen wollte, überzeugt demgegenüber nicht und kann auch die gebotene Auslegung nicht präjudizieren. Vielmehr verbleibt es bei dem vom Bundesverwaltungsgericht bereits 2011 auf Grundlage der Vorgängervorschrift herausgearbeiteten Verständnis, wonach die Öffnungszeiten der Apotheken einschließlich der Notdienstbereitschaften sich aus einem Zusammenwirken apothekenrechtlicher Vorschriften und solcher der Ladenschlussgesetze ergeben (vgl. BVerwG NVwZ-RR 2011, 819 Rn. 13). Auf die zwischen den Parteien diskutierte Frage, ob der Bundesgesetzgeber § 4 LadSchlG bei Änderung der ApoBetrO im Jahr 2012 überhaupt noch hätte ändern können, kommt es bei dieser Sachlage nicht an, weil sich bereits aus den dargestellten Erwägungen ergibt, dass die Verknüpfung zwischen Dienstbereitschaft und Ladenschlussrecht nicht aufgegeben werden sollte.

Vor diesem Hintergrund einer ausdrücklichen Anerkennung der weiter bestehenden Regelungsbefugnis der Länder kann auch nicht von der Inanspruchnahme einer Annexkompetenz des Bundes für das Recht der Apothekenöffnungszeiten gesprochen werden. Soweit der Bund ein Recht zur Gesetzgebung in einem bestimmten Sachbereich hat, kann er zwar auch punktuelle Annexregelungen zu einem der Zuständigkeit der Länder unterfallenden Regelungsbereich treffen, sofern diese in einem notwendigen Zusammenhang zu der in der Zuständigkeit des Bundes liegenden Materie stehen und daher für den wirksamen Vollzug der Bestimmungen erforderlich sind (vgl. BVerfG NJW 2004, 750, 751 f. m.w.N.). Der Annahme einer Annexkompetenz stehen jedoch die oben genannten Gesichtspunkte, wonach dies von einem Regelungswillen des Verordnungsgebers erkennbar nicht gedeckt war, ebenso entgegen.

Aus der Stellungnahme des ABDA im Zuge der Änderung der ApoBetrO im Jahre 2012 (Anlage B5, Bl. 129 ff. GA) lässt sich Gegenteiliges nicht herleiten. Diese hat zwar die Aufnahme einer ausdrücklichen Regelung zur Schließung der Apotheken befürwortet, um klarzustellen, dass das Entfallen der Dienstbereitschaft auch mit einer Schließung einhergeht. Ziel dieses Vorschlages war es jedoch (S. 58 der Stellungnahme, Bl. 132 GA) ´an der bewährten Struktur des § 23 ApoBetrO festzuhalten, dass von der generellen Dienstbereitschaft durch die zuständige Behörde Befreiungen erteilt werden´. Dass dies nicht ausdrücklich Eingang in die Verordnung gefunden hat, lässt sich ohne weiteres damit erklären, dass die Aufnahme dieser Passage entweder vom Verordnungsgeber als überflüssig angesehen wurde, weil das angestrebte Ziel (Apotheken müssen geschlossen bleiben, wenn sie von der Pflicht zur Dienstbereitschaft befreit sind) schon aus der fortbestehenden Länderkompetenz folgte oder weil diese Länderkompetenz für den Ladenschluss aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht durch die Inanspruchnahme einer Annexkompetenz, wie vom ABDA befürwortet (Bl. 131 GA), hätte überspielt werden können.

(…) Soweit die Berufung meint, aus dem Konzept der Schließungsanordnungen des § 7 Abs. 2 LÖG NRW bzw. dem ´Verbot der Dienstbereitschaft´ einerseits und dem Terminus der ´Befreiung´ in § 23 Abs. 1 S. 2 ApoBetrO andererseits ergebe sich ein unauflöslicher Widerspruch, überzeugt auch dies nicht. Denn im Ausgangspunkt stellt die Pflicht zur Dienstbereitschaft der Apotheken eben dies dar: eine den Apotheken im Allgemeininteresse zur Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln auferlegte Belastung (vgl. OVG NRW NJW 1990, 2951; siehe auch VGH Mannheim NJW 1995, 1631, 1632). Dies spiegelt sich in Wortlaut und Normstruktur des § 23 ApoBetrO wider, der in Abs. 1 S. 1 eine Pflicht begründet, von der nach Maßgabe des Abs. 1 S. 2 sowie unter bestimmten Voraussetzungen weitergehend nach Abs. 2 Befreiungen erteilt werden können. Hiervon geht auch die Stellungnahme des ABDA aus, wenn sie ohne Regelung einer Schließungsanordnung befürchtet, ´dass einem Teil der Apotheken eine Öffnungspflicht auferlegt wird´ (Anlage B5, S. 57, Bl. 131 GA). Es handelt sich, anders als die Berufung es offenbar vertritt, daher bereits im Ausgangspunkt nicht um ein subjektives Recht des Apothekers, sich nach Belieben ´in Dienst versetzen zu dürfen´. Dem entspricht es rechtssystematisch, wenn Befreiungen von der Dienstpflicht als (zumindest auch) begünstigende Verwaltungsakte angesehen werden (vgl. VG München PharmR 2019, 196, 198). Für den vorliegenden Zusammenhang kann es offenbleiben, ob der Befreiung in Gestalt der Schließungsverfügung auch belastende Momente innewohnen können, wenn Apotheker – wie der Beklagte – sich aus wirtschaftlichen Gründen gegen die Schließung wenden. Denn für die grundsätzliche Einordnung der Dienstbereitschaft als Pflicht und nicht als subjektives Recht kommt es hierfür nicht an. Insofern stellt es keinen Widerspruch dar, wenn § 23 ApoBetrO von ´Befreiung spricht, während § 7 Abs. 2 LÖG NRW eine Befugnis zum Erlass von Schließungsanordnungen ausspricht, weil es sich in der Sache um Befreiungen von der ´Last´ des § 23 ApoBetrO handelt, die systematisch auf § 23 Abs. 1 S. 2 ApoBetrO beruhen. Dass sich dieses Verständnis von der Dienstbereitschaft im Zuge weitergehender Kommerzialisierung des Berufsbilds des Apothekers in den Augen mancher Angehöriger dieser Berufsgruppe im Sinne einer möglichen zeitlichen Erweiterung der Geschäftstätigkeit gewandelt haben mag, ändert an dieser systematischen Einordnung nichts.

(…) Damit steht zugleich ein Verstoß gegen den – unstreitig – bestandskräftigen Notdienstplan in Form der Allgemeinverfügung der zuständigen Apothekerkammer fest, der bereits ausreicht, um den Verstoß gegen eine Marktverhaltensnorm zu begründen.

Soweit die Berufung sich auch gegen die Annahme eines Verstoßes gegen § 3 FeiertagsG NRW durch das Landgericht wendet und hierfür teilweise neue Details zu den Liefervorgängen vorträgt, kann sie damit nicht durchdringen:

Dabei hat bereits das Landgericht zu Gunsten des Beklagten zugrunde gelegt, dass eine Abholung (nur) per Fahrradboten erfolge. Gleichwohl liegt eine öffentlich bemerkbare Arbeit im Sinne der Vorschrift vor. Dazu reicht es aus, wenn sie die Aufmerksamkeit einer unbestimmten Anzahl von Personen auf sich ziehen kann. Auf die Art der Wahrnehmung kommt es dabei nicht an. Es ist insbesondere nicht entscheidend, ob der Arbeitsvorgang gerade als solcher optisch oder akustisch wahrgenommen werden kann. Es genügt, wenn die ohne weiteres erkennbaren Umstände den Schluss nahelegen, dass Arbeiten durchgeführt werden. Es bedarf insbesondere keiner ruhestörenden Tätigkeit (vgl. OVG Münster NJW-RR 1989, 431). Hiernach hat das Landgericht mit Recht angenommen, dass der durch das Angebot des Lieferdiensts entstehende Verkehr, sei es auch mit Fahrrädern, einen typisch werktäglichen Charakter hat. Dem kann die Berufung auch nicht die Existenz anderer (Gastronomie-)Lieferdienste am Sonntag entgegenhalten, weil diese über eine gesonderte Befugnis auf Grundlage des § 18 GaststättenG verfügen, so dass deren Tätigwerden den Ausnahmecharakter solcher Lieferdienste in der Verbraucherwahrnehmung bestärkt und nicht schwächt. Auch kann entgegen der Berufung nicht auf den sonstigen sonntäglichen Verkehr in einer Großstadt abgestellt werden, weil es schon im Interesse der Rechtssicherheit nicht maßgeblich auf die Verkehrsverhältnisse im Einzelfall, sondern auf eine abstraktgeneralisierende Betrachtung ankommt, die auch in einer Kleinstadt Gültigkeit beanspruchen kann.

(…) In dieser Auslegung liegt auch kein Verstoß gegen die aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Berufsfreiheit des Beklagten als Apotheker. Die Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit des Beklagten erfolgt durch ein formell wirksames Gesetz, hier § 7 Abs. 2 LÖG NRW, wie aus den obigen Ausführungen zum Verhältnis dieser Norm zu § 23 ApoBetrO hervorgeht. Die Regelungen über den Ladenschluss verfolgen – wie das BVerfG bereits entschieden hat – auch anerkannte Gemeinwohlbelange, wie es für den hier in Rede stehenden Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Beklagten erforderlich ist. Sowohl die Spezialregelungen für Apotheken als auch das Ladenschlussgesetz dienen hiernach dem Arbeitszeitschutz, insbesondere dazu, dem Personal möglichst weitgehend den arbeitsfreien Abend und ein zusammenhängendes freies Wochenende zu sichern. Im Verhältnis zu anderen Apotheken oder sonstigen Verkaufsstellen kann unter bestimmten Bedingungen auch noch der Wettbewerbsschutz als Gemeinwohlbelang hinzutreten (vgl. dazu BVerfG NJW 2002, 666, 667). Eine unverhältnismäßige Einschränkung der Berufsausübung des Beklagten liegt bei Abwägung seiner wirtschaftlichen Interessen an einer zeitlichen Erweiterung seiner Geschäftstätigkeit mit den vorgenannten Gemeinwohlbelangen nicht vor, da ihm – wie das Landgericht in anderem Zusammenhang zutreffend ausgeführt hat – lediglich ein potenzieller Einnahmeverlust an Sonn- und Feiertagen außerhalb des Notdienste entsteht. Insoweit geht es nicht um den Entzug einer dem Beklagten bereits zustehenden Erwerbschance. Vielmehr erstrebt der Beklagte eine Erweiterung seines Freiheitsraumes in Form einer Privilegierung gegenüber anderen sonntags geschlossenen Geschäften, was sich bei der Abwägung zu seinen Lasten auswirkt und der Annahme eines Verstoßes gegen das Übermaßverbot entgegensteht. Der Beklagte bringt zwar mit nicht von der Hand zu weisenden Argumenten vor, dass die von der Apothekerkammer Nordrhein getroffene Notdienst-Regelung für das Stadtgebiet L. aus seiner Sicht defizitär ist; dies gibt ihm indes nicht das Recht, sich über die getroffenen Anordnungen, soweit diese bestandskräftig sind, bzw. Gesetzesvorschriften hinwegzusetzen.“

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Jens Reininghaus
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