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Kann ein Vergleich über Trennungsunterhalt wegen längeren Scheidungsverfahrens nach § 313 BGB angepasst werden?

Kann ein Vergleich über Trennungsunterhalt wegen längeren Scheidungsverfahrens nach § 313 BGB angepasst werden?
Frage des Tages
24.12.2022

Kann ein Vergleich über Trennungsunterhalt wegen längeren Scheidungsverfahrens nach § 313 BGB angepasst werden?

Ja, das ist grundsätzlich möglich. Eine Anpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage kommt aber regelmäßig nur dann in Betracht, wenn die Grundlagen der Unterhaltsvereinbarung feststellbar sind (OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.09.2022 – 13 UF 14/22, NJW-Spezial 2022, 741). In den Entscheidungsgründen heißt es:

„Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg.

Die Abänderung eines gerichtlichen Vergleichs ist zulässig, sofern ein Abänderungsantragsteller Tatsachen vorträgt, die die Abänderung rechtfertigen. Insoweit ist die Abänderung des Vergleichs vom 17.01.2019 nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) zu beurteilen und eine Anpassung hat unter größtmöglicher Wahrung der vertraglichen Maßstäbe und Wertungen zu erfolgen. Danach ist der geänderte Unterhaltsanspruch unter Einarbeitung der geänderten Elemente unter Beibehaltung der unveränderten Elemente zu ermitteln (…). Sind die Grundlagen der Unterhaltsvereinbarung nicht festgestellt und auch durch Auslegung oder auf sonstige Weise nicht feststellbar, besteht bereits kein hinreichender Ansatz für eine Anpassung an die veränderten Umstände (…). Dabei trägt derjenige, der Rechte aus § 313 BGB geltend macht, die objektive Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Wer einen Anpassungsanspruch aus § 313 Abs. 1, 2 BGB erhebt, muss also nachweisen, dass bestimmte Umstände zur gemeinsamen Geschäftsgrundlage geworden sind und dass diese Umstände entweder von Anfang an nicht gegeben waren oder sich später schwerwiegend verändert haben (…).

Der Antragsteller macht geltend, Grundlage des zum Trennungsunterhaltsanspruch der Antragsgegnerin abgeschlossenen Vergleichs sei ein von beiden Seiten zügig zu betreibendes Scheidungsverfahren gewesen. Dies ist weder dem Wortlaut des Vergleichs, noch dem Protokoll der Sitzung, in der der Vergleich geschlossen wurde zu entnehmen und wird von der Antragsgegnerin auch in Abrede gestellt.

Der Antragsteller hat auch auf entsprechenden Hinweis des Senats mit Verfügung vom 10.08.2022 nicht vorgetragen, dass seine Behauptung gleichwohl für beide Ehegatten Geschäftsgrundlage des Vergleichs war, insoweit also Übereinstimmung bestand. Auch hat der Antragsteller nicht dargelegt, welchen Zeitraum die Beteiligten hinsichtlich der genauen Dauer des Scheidungsverfahrens bei der Begrifflichkeit ´zügig´ gemeinsam im Blick gehabt haben sollten.

Nach Vortrag des Antragstellers entsprach es bei Abschluss des Vergleichs vielmehr nur seiner eigenen Vorstellung, das Scheidungsverfahren werde nach Ablauf des Trennungsjahres nur wenige Monate dauern.

Etwas anderes lässt sich auch durch Auslegung unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Falles nicht ermitteln, ergibt sich insbesondere nicht allein aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin vor Abschluss des Vergleichs erklärt hat, sie halte die Ehe für unwiederbringlich gescheitert, da eine derartige Erklärung keinen Einfluss auf zu regelnde Folgesachen und deren Dauer hat.

Gleichermaßen nicht vorgetragen ist, was die Beteiligten vereinbart hätten, wäre ihnen bei Vergleichsabschluss bekannt gewesen, dass das Scheidungsverfahren außergewöhnlich lange dauert, insbesondere welche genaueren Umstände in diesem Zusammenhang relevant sein sollten und ob diese auch einen vollständigen Wegfall der Zahlungsverpflichtung zur Folge gehabt hätten. Auch insoweit ist der Antragsteller darlegungs- und beweispflichtig.

Dass die Antragsgegnerin bei von ihr verursachter Verschleppung des Scheidungsverfahrens auf den Trennungsunterhalt verzichtet hätte, ist dabei mit Blick auf die vom Antragsteller behauptete bewusste Erschleichung des Trennungsunterhalts durch sie ebenso lebensfremd, wie die Annahme, der Antragsteller hätte sich durch eine von ihm verursachte Verzögerung des Scheidungsverfahrens seiner Zahlungsverpflichtung entledigen können.

Es liegt aber im Wesentlichen gerade im Verantwortungsbereich des Antragstellers, dass das Scheidungsverfahren insgesamt 2 1/2 Jahre gedauert hat. Immerhin ist der Scheidungsantrag des Antragstellers nicht bereits nach Ablauf des Trennungsjahres im Oktober 2019, sondern erst am 29.01.2020 beim Amtsgericht eingegangen. Dass die zeitlichen Ressourcen des Antragstellers die hierfür notwendige Zuarbeit zur Antragstellung durch seinen Verfahrensbevollmächtigten nicht zugelassen haben sollen, fällt in seine Risikosphäre.

In der Folgesache Zugewinnausgleich hat der Antragsteller von sich aus keine ausreichende Auskunft erteilt, musste vielmehr hierzu erst durch das Amtsgericht mit Teilbeschluss vom 12.05.2020 verpflichtet werden. Auch hat der Senat im Verfahren 13 UF 173/20 mit Beschluss vom 29.04.2021 festgestellt, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats, also noch Ende April 2021, seiner Auskunftsverpflichtung aus dem Teilbeschluss des Amtsgerichts vom 12.05.2020 bisher nicht nachgekommen war. Allein durch seine mangelnde Auskunftserteilung sogar noch nach erstinstanzlicher Titulierung derselben hat der Antragsteller das Scheidungsverfahren schon selbst um knapp ein Jahr verzögert. Es wäre ihm dabei auch ohne weiteres möglich gewesen, den von ihm behaupteten „bloßen Zahlendreher“ in der Auskunft über sein Vermögen mit einer berichtigten Auskunft auch ohne Entscheidung des Senats zu beheben. Auf eine abweichende Rechtsansicht des Antragstellers zur vermeintlichen Erfüllung seiner Auskunftspflicht kommt es dabei ebenso wenig an wie auf seine Annahme, die Antragsgegnerin habe ihre Zugewinnausgleichsansprüche auch auf Basis der bereits erteilten Auskünfte beziffern können. Sie war schon allein mit Blick auf den in 2. Stufe weiterhin möglichen Antrag, die Vollständigkeit der Auskunft durch den Antragsteller zunächst an Eides statt versichern zu lassen, jedenfalls nicht dazu verpflichtet.

Nach Abzug dieses Zeitraums dauerte das Scheidungsverfahren, welches vom Amtsgericht im Frühjahr 2022 entschieden und in der Beschwerdeinstanz seit dem 15.09.2022 rechtskräftig abgeschlossen ist, nicht übermäßig lang.“

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Autor(en)


Katrin Kaiser
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht, Fachanwältin für Verkehrsrecht

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Daniela Wackerbarth
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht

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