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Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf ein Elternteil im Zusammenhang mit einer Impfung gegen Covid-19

Aktuelles
02.11.2022

Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf ein Elternteil im Zusammenhang mit einer Impfung gegen Covid-19

Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg hat entschieden (OLG Brandenburg, Beschl. v. 05.07.2022 – 13 UF 42/22, NJW-Spezial 2022, 612 [aus den Entscheidungsgründen]):

„Bei der Frage, ob die Zustimmung zur Immunisierung durch eine Schutzimpfung erteilt wird, handelt es sich, darüber sind die Eltern einig, um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung (vgl. OLG Rostock, NZFam 2022, 69, 72; OLG Frankfurt a. M., NZFam 2021, 872; OLG München BeckRS 2021, 33306; auch BGH NZFam 2017, 561; KG BeckRS 2008, 26040).

Eine Entscheidung nach § 1628 S. 1 BGB ist auch nicht deshalb hinsichtlich der knapp sechzehnjährigen J… entbehrlich, weil sie nach § 630d BGB für den medizinischen Eingriff bereits einwilligungsfähig im Verhältnis zu der ärztlichen Impfperson sein könnte. Denn selbst bei der hier naheliegenden Einwilligungsfähigkeit der Jugendlichen betrifft § 630d BGB lediglich die Einwilligungsfrage in die tatsächliche ärztliche Behandlung und nicht die rechtliche Vertragsbeziehung des der Behandlung zugrundeliegenden Vertrages zwischen der Minderjährigen bzw. ihren Eltern und dem handelnden bzw. impfenden Arzt (vgl. BeckOK BGB/Veit, § 1626 BGB, Rn. 44, vgl. auch BGH NZFam 2021, 872 m. w. N.).

Maßstab für die Entscheidung des Gerichts ist das Wohl des Kindes. Dies ergibt sich aus der Generalklausel des § 1697a BGB (MüKoBGB/Huber, 8. Aufl. 2020, § 1628 BGB Rn. 17). Für die Entscheidung ist gemäß § 1697a BGB maßgebend, welcher Elternteil am ehesten geeignet ist, eine am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung zu treffen (KG Beschl. v. 18.5.2005 – 13 UF 12/05, BeckRS 2008, 26040; BVerfG, FamRZ 2003, 511). Handelt es sich um eine Angelegenheit der Gesundheitssorge, so ist die Entscheidung zugunsten des Elternteils zu treffen, der im Hinblick auf die jeweilige Angelegenheit das für das Kindeswohl bessere Konzept verfolgt (BGH FamRZ 2017, 1057= NZFam 2017, 561; NZFam 2021, 872), wobei das Gericht nicht anstelle der Eltern eine eigene Sachentscheidung zu treffen hat (vgl. BVerfG Beschl. v. 4.12.2002 – 1 BvR 1870/02, BeckRS 2003, 20004 Rn. 8, beck-online).

An diesem Maßstab sind die Vorstellungen der Eltern zu messen. Beide Eltern haben – insoweit übereinstimmend geäußert – durch ihre jeweilige Entscheidung die Kinder vor Schaden bewahren zu wollen.

Die Mutter will durch die Impfung Schaden abwenden, der den Kindern durch eine Erkrankung, durch drohende Isolation bei möglichen künftig zu erwartenden Kontaktbeschränkungen oder Einschränkungen für ungeimpfte Kinder und Jugendliche und durch sozialen Druck aus dem persönlichen Umfeld drohen könnte, welches sich ausschließlich bzw. vorwiegend aus geimpften Personen zusammensetze.

Der Vater will die Kinder vor Schäden bewahren, die ihnen infolge unerwünschter Impfwirkungen drohen könnten und die aus seiner Sicht nicht im Verhältnis zu den tatsächlich aus einer Infektion resultierenden Gefahren stünden.

Nach Abwägung der von den Eltern jeweils als Begründung für ihre zu treffende Entscheidung angeführten Gründe bietet die Mutter die bessere Gewähr, ihre Entscheidung auf valide Tatsachen zu stützen und konkret am Wohl der beiden hier betroffenen Kinder zu orientieren als der Vater.“

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Katrin Kaiser
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht, Fachanwältin für Verkehrsrecht

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Daniela Wackerbarth
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Familienrecht

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