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Sozialrecht

Einfühlungsverhältnis

Bei einem sog. Einfühlungsverhältnis (zum Teil auch „Schnupper-Praktikum“ genannt) handelt es ich um eine Abrede darüber, dass sich etwaig zukünftige Parteien eines Arbeitsverhältnisses – Arbeitnehmer und Arbeitgeber – besser kennenlernen und daher beide Seiten für eine kurze Zeit die mögliche Zusammenarbeit testen. Die Rechtsprechung anerkennt ein solches Einfühlungsverhältnis ausdrücklich (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 24.05.2007, 2 Sa 87/07).

Arbeitgebern ist zu empfehlen, vor der Eingehung eines Einfühlungsverhältnisses durch eine schriftliche Vereinbarung ausreichend klarzustellen, dass (noch) kein Arbeitsverhältnis begründet werden soll. Ansonsten besteht die Gefahr, dass allein die tatsächliche Beschäftigung als schlüssige Erklärung – gerichtet auf ein Arbeitsverhältnis – verstanden wird. Nach der zitierten Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz trifft den angeblichen Arbeitnehmer als anspruchsbegründende Tatsache die Beweislast für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses; gelingt der Nachweis nicht, so bleibt es grundsätzlich bei der Annahmen eines bloßen Einfühlungsverhältnisses.

Im Falle eines Einfühlungsverhältnisses wird der etwaig zukünftige Arbeitnehmer zwar im Betrieb des potentiellen Arbeitgebers aufgenommen. Der Zweck des Aufeinandertreffens der Parteien des Einfühlungsverhältnisses ist jedoch nicht auf die Erbringung einer Arbeitsleistung gerichtet. Vielmehr geht es darum herauszufinden, ob es im Hinblick auf die beteiligten Personen und die konkreten Umstände unter denen die Arbeitsleistung erfolgen soll, sinnvoll ist, ein Arbeitsverhältnis zu begründen.

Um nicht Gefahr zu laufen, dass es zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses kommt, sollte sich der Arbeitgeber für die Dauer des Einfühlungsverhältnisses keinerlei Weisungsrechte einräumen lassen. Den etwaig zukünftigen Arbeitnehmer darf keine Pflicht zum (pünktlichen) Erscheinen treffen, es muss ihm freigestellt sein, wie lange er tatsächlich im Betrieb des potentiellen Arbeitgebers erscheint. Ebenfalls zur Vermeidung der Annahme eines Arbeitsverhältnisses sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass das Einfühlungsverhältnis nur auf einen Zeitraum von wenigen Tagen beschränkt bleibt.

Schließlich darf das Einfühlungsverhältnis nicht mit einer sog. Probearbeit verwechselt werden. Letztere begründet bereist wechselseitige Rechte und Pflichten, so beispielsweise eine Pflicht zur Vergütung geleisteter Arbeit.

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LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 25.04.2007 – 13 Sa 129/05:

„Ein Einfühlungsverhältnis kann aus Gründen der Vertragsfreiheit wirksam begründet werden und mit einer solchen Vertragsgestaltung werden keine zwingenden Schutzvorschriften des Arbeitsrechts umgangen.

Beim Einfühlungsverhältnis übernimmt der potenzielle Arbeitnehmer keine Arbeitspflicht und unterliegt nicht dem Direktionsrecht des künftigen Arbeitgebers, sondern nur dessen Hausrecht. Ihm soll zunächst Möglichkeit gegeben werden, sich einen Überblick zu verschaffen (vgl. LArbG Chemnitz vom 05.03.2004, 2 Sa 386/03 sowie LArbG Bremen vom 25.07.2002, 3 Sa 83/02).

Für den Sonderfall des Einfühlungsverhältnisses trägt regelmäßig derjenige, der sich auf ihn beruft, die Beweislast. Werden die Hauptleistungspflichten eines Arbeitsvertrags (Arbeitsleistung und Vergütung) schon konkretisiert, obliegt es dem Anbietenden, seinen vom Regelfall des Arbeitsvertragsangebots abweichenden Willen des Angebots einer bloßen nicht vergüteten Kennenlernphase unzweideutig auszudrücken sowie ein solches Handeln – und damit die Ausnahme – darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.

Tritt der Wille des Arbeitgebers, einen Einfühlungsvertrag anzubieten, aus objektiver Sichteines Dritten nicht ausreichend deutlich hervor, sondern bringt eine Mitarbeiterin des Arbeitgebers dem künftigen Mitarbeiter gegenüber vielmehr den Willen zum Ausdruck, ein Arbeitsverhältnis zu begründen, handelt es sich um ein bloßes Problem der Auslegung der im Namen des Arbeitgebers abgegebenen Willenserklärung nach §§ 133, 157 BGB und nicht um eine Überschreitung der Vertretungsmacht nach §§ 164 Abs 1 S 1, 177ff BGB.“

Siehe auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 28.09.2017 – L 9 AL 164/15:

„Ein Einfühlungsverhältnis ist ein loses Rechtsverhältnis eigener Art. Es besteht darin keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung. Eine bestimmte Arbeitszeit muss nicht eingehalten werden. Im Gegensatz zum Arbeitsvertrag unterliegt derjenige, der in den Betrieb aufgenommen wird, um sich „einzufühlen“, nicht dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Das Einfühlungsverhältnis ist als Kennenlernphase anzusehen, die von beiden Seiten jederzeit abgebrochen werden kann. Charakterisierend sind damit die fehlende Eingliederung in den Betrieb und die fehlende Arbeitspflicht (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 06.07.2007 – 9 Sa 598/07 – juris Rn. 31; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.04.2007 – 13 Sa 129/05 – juris Rn. 25; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 17.03.2005 – 4 Sa 11/05 – juris Rn. 24). Weitere Kriterien können Nutzung der Betriebsmittel des Arbeitgebers und die Rücksichtnahme auf die zeitlichen Vorgaben sowie die Verfügbarkeit einweisender Mitarbeiter sein (LAG Düsseldorf a. a. O.).“

Siehe zudem LAG München, Urt. v. 09.05.2016 – 10 Sa 690/15:

„Anerkannt ist, dass die Vereinbarung eines so genannten Einfühlungsverhältnisses ohne Vergütungsanspruch und ohne Arbeitspflicht des potentiellen Arbeitnehmers kraft der Vertragsfreiheit grundsätzlich zulässig ist. Dabei ist unter einem Einfühlungsverhältnis ein loses Rechtsverhältnis eigener Art zu verstehen, welches sich von einem Arbeitsverhältnis – insbesondere auch von dem Probearbeitsverhältnis – dadurch unterscheidet, dass der in den Betrieb aufgenommene potentielle Arbeitnehmer während der Einfühlungsphase keine Pflichten übernimmt, insbesondere keine Arbeitspflicht hat, da er nicht dem Direktions- oder Weisungsrecht des potentiellen Arbeitgebers unterliegt, sondern lediglich dem Hausrecht des Betriebsinhabers untersteht. Zweck eines so genannten Einfühlungsverhältnisses ist es im Allgemeinen, die Voraussetzungen der Zusammenarbeit für das potentielle spätere Arbeitsverhältnis zu klären, also insbesondere dem künftigen Arbeitnehmer die Möglichkeit zu geben, die betrieblichen Gegebenheiten kennen zu lernen. Für den – lediglich in besonders gelagerten Fällen anzunehmenden – Sonderfall des Einfühlungsverhältnisses trägt regelmäßig derjenige, der sich auf ihn beruft, die Beweislast. Werden die Hauptleistungspflichten eines Arbeitsvertrags (Arbeitsleistung und Vergütung) schon konkretisiert, obliegt es dem Anbietenden, seinen vom Regelfall des Arbeitsvertragsangebots abweichenden Willen des Angebots einer bloßen nicht vergüteten Kennenlernphase unzweideutig auszudrücken sowie ein solches Handeln – und damit die Ausnahme – darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz v. 05.08.2015, 7 Sa 170/15 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Zwischen den Parteien ist vorliegend aber bereits streitig, ob das Einfühlungsverhältnis das von der Beklagten behauptet wird, einem Arbeitsverhältnis vorgelagert war. Die vorstehende dargestellte Beweiserleichterung setzt voraus, dass das Einfühlungsverhältnis einem Arbeitsverhältnis vorgelagert ist. Für den vorliegenden Fall kommt die dargestellte Beweiserleichterung allenfalls zum Zuge, wenn zwischen den Parteien tatsächlich ein Arbeitsverhältnis begründet worden ist und es um das Entgelt für die Tätigkeit während der Einfühlungszeit geht. Die Vereinbarung eines Einfühlungsverhältnisses sagt nichts dazu aus, ob das Vertragsverhältnis, das mit ihm angebahnt werden soll, eine selbständige Tätigkeit oder ein Arbeitsverhältnis umfasst oder umfassen soll. Für letzteres trägt nach wie vor der Kläger die Darlegungs- und Beweislast.“

(Letzte Aktualisierung: 14.02.2020)