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Ist mein Resturlaub aus dem Jahr 2020 verfallen?

Untätigkeit des Gesetzgebers führt zu Unsicherheit
Frage des Tages
26.01.2021

Ist mein Resturlaub aus dem Jahr 2020 verfallen?

Untätigkeit des Gesetzgebers führt zu Unsicherheit

Trotz weitgehend klarer Rechtslage scheint nach wie vor vielen Arbeitnehmern nicht bekannt zu sein, wie es arbeitsrechtlich um ihre Ansprüche auf Resturlaub aus den Vorjahren steht. Woran liegt das? Der Grund für die Unsicherheit vieler Arbeitnehmer liegt mutmaßlich an einer zu beobachtenden, ärgerlichen Untätigkeit des Gesetzgebers. Das zu erklären ist nicht ganz einfach.

Seit dem Jahr 1963 hat Deutschland ein Gesetz, das sich mit dem Erholungsurlaub befasst, das sog. Bundesurlaubsgesetz. In diesem Gesetz ist geregelt, dass Urlaubsansprüche eines Arbeitnehmers grundsätzlich am Ende eines jeden Jahres ersatzlos verfallen. In Ausnahmefällen lässt das Gesetz eine Übertragung des Erholungsurlaubs zu, längstenfalls aber bis zum Ende des ersten Quartals des Folgejahres. Demnach verfallen Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers aus dem Jahr 2020 spätestens mit Ablauf des 31. März 2021. Soweit ist die Rechtslage eindeutig, scheinbar eindeutig. Denn in Wahrheit ist das, was im Gesetz steht, nicht bzw. nicht mehr geltendes Recht! Das liegt im Kern daran, dass zahlreiche Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) eine Rechtsänderung erzwungen haben. Diese ist zwar im Gesetzestext, also im Bundesurlaubsgesetz, nicht nachzuvollziehen, ist aber dennoch maßgeblich. In Kurzform: Die Rechtsprechung des EuGH verdrängt das zu dieser Rechtsprechung im Widerspruch stehende Gesetz!

Was sagt nun die erwähnte Rechtsprechung des EuGH? Nun, zu der hier interessierenden Frage nach der Übertragbarkeit von Urlaubsansprüchen hat der EuGH entschieden, dass es einen automatischen Verfall von Ansprüchen auf Erholungsurlaub nicht geben darf. Jedenfalls nicht hinsichtlich des gesetzlich und europarechtlich garantierten Anspruchs auf Urlaub in einem Umfang von vier Wochen jährlich. Soll Verfall eintreten, muss der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des EuGH die betroffenen Arbeitnehmer rechtzeitig und umfassend informieren, insbesondere auch über den erwähnten Verfall von Urlaubsansprüchen. Macht der Arbeitgeber das nicht, gibt es keinen Verfall. Anders ausgedrückt: Ohne die notwendige Information des Arbeitnehmers werden dessen Urlaubsansprüche grundsätzlich zeitlich unbegrenzt übertragen!

Zurück zum Ausgangspunkt. Warum vollzieht der Gesetzgeber die für die Rechtslage in Deutschland maßgebliche Rechtsprechung des EuGH nicht einfach dadurch nach, dass er das Gesetz, nämlich das Bundesurlaubsgesetz, ändert? Das fragen Sie bitte mal den für Ihren Wahlkreis zuständigen Bundestagsabgeordneten. Eines steht jedenfalls fest. Solange das Bundesurlaubsgesetz nicht geändert wird, werden zahlreiche Arbeitnehmer über die wahre Rechtslage im Unklaren bleiben und die ihnen an sich zustehenden Rechte nicht geltend machen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Am Ende ist das der Grund für die Untätigkeit des Gesetzgebers?

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Autor(en)


Dr. Uwe P. Schlegel
Rechtsanwalt

Mail: koeln@etl-rechtsanwaelte.de


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