Kann die verspätete Auskunftserteilung auf ein Verlangen nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO als solche einen immateriellen Schaden darstellen?
Nein, meint das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz (LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 08.02.2024 – 5 Sa 154/23 m. Anm. Schlemann in DB 2024, 1195). Im Leitsatz des Urteils des LAG heißt es:
„Die verspätete Auskunftserteilung auf ein Verlangen nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO stellt als solche keinen immateriellen Schaden dar (ebenso LAG Baden-Württemberg 27. Juli 2023 – 3 Sa 33/22).“
In den Entscheidungsgründen heißt es im Übrigen auszugsweise:
„Die Berufungskammer teilt die Rechtsansicht anderer Landesarbeitsgerichte, dass der bloße Verstoß gegen die Vorgaben der DSGVO nicht genügt, um einen Schadensersatzanspruch gem. Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu begründen. Dafür spricht der Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 DSGVO, wonach Personen, denen materieller oder immaterieller ´Schaden´ entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz haben. Zwar soll nach Erwägungsgrund 146 Satz 3 der DSGVO der Begriff des Schadens im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH 04.05.2023 – C-300/21) auf eine Art und Weise weit ausgelegt werden, die den Zielen der DSGVO in vollem Umfang entspricht. Ein weites Verständnis des Schadensbegriffs bedeutet aber nicht, dass vom Vorliegen eines konkreten Schadens gänzlich abzusehen ist. Verspätete Auskünfte an eine Person gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO als solche sind somit nicht haftungsauslösend (vgl. LAG Düsseldorf 28.11.2023 – 3 Sa 285/23 – PM Nr. 29/2023; LAG Baden-Württemberg 27.07.2023 – 3 Sa 33/22 – Rn. 78 ff; LAG Hamm 02.12.2022 – 19 Sa 756/22 – Rn. 150 ff mwN).
(…) Der von der Klägerin angeführte ´Kontrollverlust´ über ihre personenbezogenen Daten stellt keinen ersatzfähigen immateriellen Schaden dar (ebenso LAG Baden-Württemberg 27.07.2023 – 3 Sa 33/22 – Rn. 82). Im Streitfall ist zudem nicht erkennbar, worin der ´Kontrollverlust´ der Klägerin bestanden haben soll. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass die Daten der Klägerin nicht ´außer Kontrolle´ geraten seien, sondern für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet wurden, § 26 BDSG. Hierauf kann sich die Beklagte – entgegen der Ansicht der Klägerin – im Berufungsverfahren berufen. Die Rüge einer ´Verspätung möglicher Verteidigungshandlungen´ ist rechtlich nicht tragfähig.
Es stellt auch keinen ersatzfähigen immateriellen Schaden dar, dass sich die Klägerin über die nicht fristgerechte Antwort der Beklagten auf ihr Auskunftsverlangen geärgert hat. ´Bloßer Ärger´ des Betroffenen genügt genauso wenig wie das ´bloße Warten´ auf die Auskunft (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts vom 06.10.2022 im Verfahren C-300/21), um einen immateriellen Schaden annehmen zu können.
Dieses Auslegungsergebnis steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, der in seinem Urteil vom 4. Mai 2023 (Rechtssache C-300/21 Österreichische Post) betont hat, dass ein Schadensersatzanspruch das Vorliegen eines ´Schadens´ erfordere. Der bloße Verstoß gegen die DSGVO reiche daher nicht aus, um einen Schadensersatzanspruch der betroffenen Person zu begründen (Rn. 42). Ein Schadensersatzanspruch hänge zwar nicht davon ab, dass der betreffende Schaden eine gewisse Erheblichkeit erreiche. Das bedeute allerdings nicht, dass eine Person, die von einem Verstoß gegen die DSGVO betroffen sei, der für sie negative Folgen gehabt habe, vom Nachweis befreit wäre, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden iSv. Art. 82 DSGVO darstellen (Rn. 50).
Im Streitfall ist es der Klägerin nicht gelungen, einen durch die verzögerte Auskunftserteilung entstandenen immateriellen Schaden im Sinne der Norm darzulegen.“