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Keine tariflichen Verzugszinsen ohne Tarifunterworfenheit

Keine tariflichen Verzugszinsen ohne Tarifunterworfenheit
Aktuelles
19.12.2023 — Lesezeit: 3 Minuten

Keine tariflichen Verzugszinsen ohne Tarifunterworfenheit

Das Hessische Landesarbeitsgericht ändert seine Rechtsprechung (Hessisches LAG, Urt. v. 28.07.2023 – 10 Sa 1629/22 SK).

Nach § 20 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) hat die Urlaubskasse  Anspruch auf Verzugszinsen für das Jahr in Höhe von 0,9 v.H. der Beitragsforderung für jeden angefangenen Monat des Verzuges. Dies gilt aber nur, wenn der Betrieb im Verzugszeitraum auch dem VTV unterworfen ist.

Bis zu der oben genannten Entscheidung hatte das Hessische Landesarbeitsgericht stets angenommen, dass es für das Zinsbegehren keine Rolle spiele, dass der Betrieb zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr unter den Anwendungsbereich des VTV fiele. Derartige Ansprüche knüpften unmittelbar an entstandene tarifliche Ansprüche an und nicht etwa an eine während des gesamten Verzugszinszeitraums fortbestehende Tarifunterworfenheit des anspruchsverpflichteten Arbeitgebers (vgl. Hess. LAG, Urt. v. 29.01.2001 – 16 Sa 1164/00).

Daran hält das Hess. LAG nicht mehr fest. Dagegen spreche der Umstand, dass neben dem Entstehen der zu verzinsenden Beitragsschuld und der bloßen Nichterfüllung nach § 286 Abs. 4 BGB stets erforderlich ist, dass die Leistung infolge eines Umstandes unterbleibt, den der Schuldner nicht zu vertreten hat. Das fehlende Verschulden des Schuldners müsse sich auf jeden Zeitpunkt des Verzugszinszeitraums beziehen, den der Gläubiger geltend macht.

Für eine Tarifunterworfenheit kommt weder eine Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG noch eine Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG in Betracht. Ein direkter Anwendungsfall von § 3 Abs. 3 TVG liegt nicht vor, wenn der Betrieb nicht in einem Arbeitgeberverband organisiert ist. Aus diesem Grund ist auch § 4 Abs. 5 TVG nicht, auch nicht analog anwendbar. Nach Ansicht des LAG verträgt sich eine Nachwirkung nicht mit dem Sozialkassenverfahren, welches monatlich ständige neue Ansprüche in den Beitrags- und Leistungsbeziehungen entstehen lässt. Anderes führt zu absurden Ergebnissen: Ein Betrieb, der im Jahr 2014 bauliche Arbeiten verrichtete, müsste weiter Beiträge an die ULAK zahlen, auch wenn er im Jahr 2015 Autos verkaufte. Im Übrigen drohte eine „Ewigkeitsbindung“; Tarifverträge, die für allgemeinverbindlich erklärt worden sind, können nach dem Konzept des Bundesarbeitsgerichts weder durch einzelvertragliche Abmachung, Betriebsvereinbarung noch durch „branchenfremde“ Tarifverträge abgelöst werden (vgl. näher Hess. LAG 27. Januar 2017 – 10 Sa 1747/14 – Rn. 56, Juris).

Ob dem Kläger die gesetzlichen Verzugszinsen zustünden brauchte das LAG nicht zu entscheiden. Denn der Kläger hat im Prozess Verzugszinsen nur auf tariflicher Grundlage gemäß § 20 VTV gelten gemacht, nicht aber, auch nicht hilfsweise, auf gesetzlicher Grundlage. Das Bundesarbeitsgericht geht regelmäßig von verschiedenen Streitgegenständen aus, wenn ein Anspruch sowohl auf eine vertragliche als auch auf eine tarifvertragliche Grundlage gestützt wird. Der gesetzliche Verzugszinsanspruch ist mithin nicht bloß ein „Minus“, sondern ein „Aliud“.

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Steffen Pasler
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Mail: rostock@etl-rechtsanwaelte.de


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