Scheinselbständigkeit in der Anwaltskanzlei
Die Vereinbarung von freier Mitarbeit ist nach wie vor in vielen Branchen sehr üblich. So ist die Tätigkeit von Anwälten als freie Mitarbeiter in Anwaltskanzleien ein in der Praxis oft gelebtes Modell. Die sich daraus ergebenden arbeitsrechtlichen Fragen behalten die Beteiligten in der Praxis regelmäßig im Blick. Die sozialrechtlichen Risiken einer freien Mitarbeit werden dagegen oft unterschätzt. So sind die Höhe der Säumniskosten (12 % pro Jahr) oder das Risiko einer Nettolohnhochrechnung regelmäßig unbekannt. Zudem droht eine Strafbarkeit nach §266a StGB.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urt. v. 08.03.2023 – 1 StR 188/22 – die Verurteilung eines Rechtsanwalts nach §266a StGB bestätigt:
„Vor allem durfte das Landgericht seine Wertung rechtsfehlerfrei mit dem für die höheren Dienste zentralen Kriterium des Unternehmerrisikos, das hier fehlte, und der Art der Vergütung begründen. Es hat zutreffend insoweit darauf abgestellt, dass der Angeklagte den Rechtsanwälten für ihre volle Arbeitskraft faktisch ein festes Jahresgehalt auszahlte, dessen Höhe gänzlich unabhängig vom Gewinn und Verlust der Kanzlei und – insbesondere – der von ihnen erbrachten Arbeitsleistung war (…).“
Ergänzende Hinweise des Anwalts für Sozialversicherungsrecht
Das Urteil des BGH bestätigt die aktuelle Tendenz der Sozialgerichte zur Bewertung von freier Mitarbeit und Scheinselbständigkeit. Danach ist seit Jahren zu verzeichnen, dass die Anforderungen für die Akzeptanz als Selbständigkeit steigen. Die Gesamtabwägung muss ergeben, dass die Indizien der Selbständigkeit klar und eindeutig überwiegen.
Im vorliegenden Fall hatte der Anwalt mit seinen Kollegen eine freie Mitarbeit vereinbart. Tatsächlich hatten die „freien Mitarbeiter“ jedoch Anwesenheitspflichten, unterlagen den Weisungen des Anwalts und trugen kein Unternehmerrisiko. Neben der strafrechtlichen Verurteilung droht dem Anwalt im Sozialrecht eine Nachforderung von ca. 120.000,00 Euro. Hinzu kommen Säumniskosten von 12 % pro Jahr. Aufgrund der Strafbarkeit kann die Deutsche Rentenversicherung bis zu 30 Jahre in die Vergangenheit zurückrechnen.
Es wird fachkundige Unterstützung von spezialisierten Anwälten dringend angeraten. Wir helfen Ihnen gerne – bundesweit!
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