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Sind Regelungen in einem Testament zulässig, die vorsehen, dass Nacherben durch Vorerben bestimmt werden?

Sind Regelungen in einem Testament zulässig, die vorsehen, dass Nacherben durch Vorerben bestimmt werden?
Frage des Tages
19.11.2022

Sind Regelungen in einem Testament zulässig, die vorsehen, dass Nacherben durch Vorerben bestimmt werden?

Ja, meint das Kammergericht (KG) zu dieser in Literatur und Rechtsprechung umstrittenen Frage (KG, Beschl. v. 26.08.2022 – 1 W 262/22). In den Entscheidungsgründen heißt es dazu:

„Der Erblasser kann ein Testament nur persönlich errichten, § 2064 BGB. Dabei muss er sich über sämtliche wesentlichen Teile seiner letztwilligen Verfügung allein schlüssig werden. Es ist ihm nicht gestattet, seinen letzten Willen in der Weise unvollständig zu äußern, dass es einem Dritten überlassen bleibt, ihn nach seinem Belieben oder Ermessen in wesentlichen Teilen zu ergänzen. Zu ihnen gehören die Bestimmungen über den Gegenstand der Zuwendung und über die Person des Bedachten, § 2065 Abs. 2 BGB (BGHZ 15, 199, 200).

Hingegen ist der Erblasser nicht gehindert, seinen letzten Willen auch hinsichtlich der Person des Bedachten und des Gegenstandes der Zuwendung bedingt zu äußern. Er kann insbesondere eine Erbeinsetzung unter einer Bedingung vornehmen, wobei die Bedingung auch in einem Tun oder Unterlassen des Bedachten oder eines Dritten bestehen kann. Er muss jedoch die Person des Bedachten und den Gegenstand der Zuwendung so bestimmt angegeben, dass die Bestimmung des Erben durch einen Dritten für jede sachkundige Person objektiv möglich ist, ohne dass ihr eigenes Ermessen dabei bestimmend ist (Senat, Beschluss vom 5. Februar 1998 – 1 W 6796/95 – DNotZ 1999, 679, 683).

Danach sollen Regelungen zulässig sein, zu Nacherben im Wege einer Bedingung diejenigen Personen zu bestimmen, die der Vorerbe zu seinen Erben einsetzt (OLG München, MittBayNot 2018, 50, 52; OLG Stuttgart, FamRZ 2005, 1863, 1865; ebenso zur Ersatzerbenstimmung: OLG Hamm, MittBayNot 2019, 594, 595; Kanzleiter, MittBayNot, 2019, 595; Reimann, ZEV 2019, 277, 278; Selbherr, in: Kroiß/Mayer, NK-Kommentar, 6. Aufl., § 2065, Rdn. 21; Leipold, in: Münchener Kommentar, BGB, 8. Aufl., § 2065, Rdn. 24; Gomille, in: BeckOGK BGB, § 2065, Stand August 2021, Rdn. 44; Lietzenburger, BeckOK BGB, Stand Mai 2022, § 2065, Rdn. 21; Grüneberg/Weidlich, BGB, 81. Aufl., § 2065, Rdn. 6; Otte, in: Staudinger, BGB 2019, § 2065, Rdn. 48, 53; Lenz-Brendel, in: jurisPK-BGB, § 2065, Stand April 2020, Rdn. 42; Ivo, DNotZ 2002, 260). Dem entspricht das zur UR-Nr. 359/2016 beurkundete Testament vom 7. September 2016 (vgl. Fröhler, in: Langenfeld/Fröhler, Testamentsgestaltung, 5. Aufl., 6. Kap. B. III, Rdn. 36; Gaberdiel, Rpfleger 1966, 265).

Nach anderer Ansicht seien solche Regelungen wegen Verstoßes gegen § 2065 Abs. 2 BGB nichtig (OLG Frankfurt am Main, DNotZ 2001, 143, 144; Hölscher, in: BeckOGK BGB, § 2151, Stand Mai 2022, Rdn. 65ff; Lamberz, Rpfleger 2019, 457f). In Folge dessen ist aus Gründen des notariellen Gebots, den sichersten Weg zu gehen, von der Verwendung solcher testamentarischer Regelungen wie vorliegend (sog. „Dieterle-Klausel“, vgl. Dieterle, BWNotZ 1970, 170, 1971, 14, 15f) abgeraten worden (Kanzleiter, DNotz 2001, 149, 150; Küpper, in: BeckOGK, BGB, § 2100, Stand Juli 2022, Rdn. 408; Dietz, in: Beck’sches Notar-Handbuch, 7. Aufl., § 17, Rdn. 136; Kössinger, in: Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, 6. Aufl., § 21, Rdn. 41a).

Der Senat schließt sich der erstgenannten Auffassung an. Dabei verkennt er nicht, dass die von dem Grundbuchamt beanstandete Klausel in dem notariellen Testament der Erblasserin einer Bestimmung im Sinne des § 2065 Abs. 2 Alt. 1 BGB nahe kommt. Im Zeitpunkt der Testamentserrichtung war nicht absehbar – und ist es bis heute nicht -, ob und welche Personen der damals erst 4jährige Beteiligte zu 3 zu seinen Erben bestimmen werde. Die Bestimmung der Nacherben der Erblasserin hängt damit nicht nur von einer Handlung – Testamentserrichtung durch den Beteiligten zu 3 -, sondern von dessen darin zum Ausdruck kommenden Willen ab. Die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll, kann der Erblasser aber nicht einem anderen überlassen, § 2065 Abs. 2 Alt. 1 BGB. Hingegen kann nicht übersehen werden, dass der Beteiligte zu 3 bei Errichtung einer eigenen Verfügung von Todes wegen unmittelbar nur seine eigenen Erben bestimmen wird, § 1937 BGB. Auf deren Stellung als Nacherben nach der Erblasserin werden solche letztwilligen Verfügungen des Beteiligten zu 3 nur mittelbar Einfluss haben. Seine letztwilligen Anordnungen werden sich also nicht in der Bestimmung der Nacherben der Erblasserin erschöpfen, was nach § 2065 Abs. 2 Alt. 1 BGB allerdings unzulässig wäre (OLG München, a.a.O, 51; BayObLG, NJW 1966, 662, 663).

Die Abgrenzung zwischen unmittelbarer und lediglich mittelbarer Bestimmung der (Nach-)Erben eines Erblassers durch Dritte ist aber durchaus von entscheidender Bedeutung für die Frage der Anwendung des § 2065 Abs. 2 BGB und hierfür auch ein geeignetes Kriterium (Otte, a.a.O., Rdn. 44). Unabhängig davon, ob der Dritte – hier der Vorerbe – die letztwillige Verfügung des Erblassers kennt, wird es ihm bei der Errichtung einer eigenen letztwilligen Verfügung in erster Linie auf die Regelung des eigenen Nachlasses und die Bestimmung der eigenen Erben ankommen. Diesen Personen auch einen im Rahmen der Vorerbschaft erworbenen Nachlass zukommen zu lassen, wird für den Vorerben hingegen von untergeordnetem Interesse sein.

Anders ist es bei dem Erblasser. Ihm kommt es offenbar darauf an, insoweit einen Gleichlauf zwischen den Erben seines Vorerben und den eigenen Nacherben zu erlangen. Damit bestimmt aber nicht der Dritte/Vorerbe über die Person der Nacherben des Erblassers. Diese Entscheidung trifft vielmehr der Erblasser selbst. Dass er die Person des Bedachten in seiner letztwilligen Verfügung nicht individuell benennt, ist nicht erforderlich, wenn sie sich aus Umständen außerhalb der Urkunde bestimmen lässt (vgl. BGHZ 15, 199, 201). Das ist vorliegend möglich. Nacherben sind entweder die von dem Beteiligten zu 3 zu seinen Erben bestimmten Personen oder – ersatzweise – die von der Erblasserin konkret bezeichnete Beteiligte zu 2.“

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Autor(en)


Pia Roggendorff-Jentsch
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Erbrecht

Mail: koeln@etl-rechtsanwaelte.de


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