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Online-Coaching ohne ZFU-Zulassung ist nichtig, Gebühren können zurückgefordert werden!

BGH, Urteil vom 12.06.2025 - III ZR 109/24

Online-Coaching ohne ZFU-Zulassung ist nichtig, Gebühren können zurückgefordert werden!
Aktuelles
23.07.2025 — Lesezeit: 4 Minuten

Online-Coaching ohne ZFU-Zulassung ist nichtig, Gebühren können zurückgefordert werden!

BGH, Urteil vom 12.06.2025 - III ZR 109/24

Sachverhalt

Ein Unternehmer buchte ein „9‑Monats‑Business‑Mentoring‑Programm Finanzielle Fitness“ zum Preis von 47.600 €. Im Rahmen des Programms erhielt er Online-Videos, Live‑Calls, Hausaufgaben, Messaging‑Optionen und Einzel-Coachings. Der Anbieter verfügte für sein Angebot nicht über eine ZFU-Zulassung (Bestätigung, dass ein Fernlehrgang den Anforderungen des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) entspricht. Nach Kündigung forderte der klagende Unternehmer Rückerstattung der bereits gezahlten 23.800 €. Der beklagte Anbieter erhob hilfsweise Widerklage auf die ausstehende Vergütung.

Entscheidung Vorinstanzen und BGH

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen und der Hilfswiderklage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 23.800 € nebst Zinsen zu zahlen.

Der BGH bestätigt das OLG: der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag sei gemäß § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig, weil die Beklagte für das von ihr angebotene Mentoring-Programm nicht über die nach § 12 Abs. 1 Satz 1 FernUSG erforderliche Zulassung verfügte. Der Beklagten stehe auch kein zu saldierender Wertersatzanspruch zu.

Kernaussagen der Entscheidung des BGH

  1. Fernunterricht im Sinne des § 1 Abs. 1 FernUSG ist ein Vertrag, der auf die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten gerichtet ist; eine irgendwie geartete „Mindestqualität“ der Kenntnisse oder Fähigkeiten ist nicht erforderlich.

    Auf die Frage, inwieweit auch sogenannte Coaching- oder Mentoring-Angebote, bei denen der Schwerpunkt auf der individuellen und persönlichen Beratung und Begleitung des Kunden liegt, auf die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten im Sinne des § 1 Abs. 1 FernUSG gerichtet sind, kam es im vorliegenden Fall nicht an, weil die Wissensvermittlung gegenüber einer individuellen und persönlichen Beratung und Begleitung des Teilnehmers deutlich im Vordergrund stand.

  1. Das Tatbestandsmerkmal der zumindest überwiegenden räumlichen Trennung zwischen Lehrendem und Lernendem bei der Vermittlung der Kenntnisse und Fähigkeiten bejahte der BGH, da im vorliegenden Fall überwiegend asynchrone Unterrichtsanteile vorlagen. Synchrone Unterrichtsanteile, die zusätzlich aufgezeichnet und den Teilnehmern anschließend zur Verfügung gestellt werden, sind als asynchroner Unterricht zu behandeln, weil sie zeitversetzt zu einem beliebigen Zeitpunkt angeschaut werden können und eine synchrone Teilnahme damit entbehrlich machen.
  2. Nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag war auch eine Überwachung des Lernerfolgs durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten geschuldet (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG). Dieses Tatbestandsmerkmal der Überwachung des Lernerfolgs ist weit auszulegen und bereits dann erfüllt, wenn der Lernende nach dem Vertrag den Anspruch hat, zum Beispiel in einer begleitenden Unterrichtsveranstaltung durch mündliche Fragen zum erlernten Stoff eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten zu erhalten. Es genügt eine einzige Lernkontrolle.

    Es reiche die Möglichkeit und damit auch das Recht des Teilnehmers, Fragen zu stellen. Das Fragerecht bezieht sich – jedenfalls auch – auf das eigene Verständnis des erlernten Stoffs, wodurch der Teilnehmer eine persönliche Lernkontrolle herbeiführen kann. Auch das Stellen von Hausaufgaben, die erledigt werden müssen, spreche für eine Lernerfolgsüberwachung.

  1. Der persönliche Anwendungsbereich des FernUSG ist nicht auf Fernunterrichtsverträge mit einem Verbraucher im Sinne des § 13 BGB beschränkt. Vielmehr erstreckt er sich auf alle Personen, die mit einem Veranstalter einen Vertrag über die Erbringung von Fernunterricht im Sinne des § 1 FernUSG schließen; ob dies zu gewerblichen oder selbständigen beruflichen Zwecken erfolgt oder nicht, ist unerheblich. Auch eine Person, die den Fernunterrichtsvertrag als Unternehmer (§ 14 BGB) schließt, ist Teilnehmer i.S.d. FernUSG.
  2. Der Kläger musste auch keinen Wertersatz nach den Grundsätzen der Saldotheorie leisten. Gemäß § 818 Abs. 2 BGB ist, wenn die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich ist, der Wert zu ersetzen. Bei Dienstleistungen bemisst sich die Höhe des Wertersatzes nach der üblichen und hilfsweise nach der angemessenen, vom Vertragspartner ersparten Vergütung. Die Dienstleistung aufgrund eines nichtigen Dienstvertrags ist nicht wertlos, wenn der Leistungsempfänger mit den Diensten sonst einen anderen, dazu Befugten, betraut hätte und diesem eine entsprechende Vergütung hätte zahlen müssen. Dass der Kläger durch die von der Beklagten erbrachten Dienste entsprechende Aufwendungen erspart hat, war vorliegend nicht ersichtlich, denn die Beklagte hatte nicht vorgetragen, ob und in welchem Umfang der Kläger, falls er gewusst hätte, dass der in Rede stehende Fernlehrgang nicht über die gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 FernUSG erforderliche Zulassung verfügt, mit einem anderen Veranstalter einen Vertrag über eine entsprechende Dienstleistung geschlossen hätte.

Hinweise

Online-Programme mit strukturiertem Wissenstransfer, die (auch) die Wissensvermittlung als Videos und Lernerfolgskontrollen bereithalten, bedürfen der Zulassung nach dem FernUSG (ZFU-Zulassung). Fehlt die Zulassung, ist der Vertrag automatisch nichtig.

Wer in der Vergangenheit an einem solchen Unterricht oder Coaching/Mentoring ohne Zulassung teilgenommen hat, kann u.U. gezahlte Beiträge vollständig zurückfordern. Dies gilt auch für Unternehmer. Selbst bei (teilweiser) Nutzung der Inhalte ist nicht in allen Fällen Wertersatz zu leisten. Eine Einzelfallprüfung ist jedoch unabdingbar.

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Dr. Mario Hoffmann
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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Aigerim Rachimow, LL.M.
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Medizinrecht, Fachanwältin für Arbeitsrecht

Mail: rostock@etl-rechtsanwaelte.de


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