AGG-Entschädigungen können Prozesskostenhilfe kosten
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat mit Beschluss vom 04.07.2024 (Az. 9 SLa 359/24) eine praxisrelevante Entscheidung zur Berücksichtigung von Entschädigungszahlungen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) getroffen. Der Beschluss betrifft insbesondere Arbeitgeber und Unternehmer, die vermehrt mit Serienklagen nach dem AGG konfrontiert sind.
Ein Bürgergeldempfänger hatte wiederholt Klagen auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG erhoben. Nachdem seine Klage in erster Instanz abgewiesen wurde, beantragte er für das Berufungsverfahren PKH. Das Gericht verweigerte die Bewilligung mit Verweis auf fehlende Angaben zu früheren Entschädigungszuflüssen.
Entschädigungsleistungen als Einkommen oder Vermögen
- a) § 115 ZPO: Einkommen und Vermögen bei PKH
Gemäß § 115 Abs. 1 und 3 ZPO ist Prozesskostenhilfe nur zu gewähren, wenn die Partei nicht in der Lage ist, die Prozesskosten selbst zu tragen. Dabei sind sowohl laufendes Einkommen als auch Vermögen zu berücksichtigen. Das LAG Düsseldorf stellte klar: Auch Entschädigungszahlungen nach § 15 Abs. 2 AGG sind – je nach Einzelfall – entweder als Einkommen oder als Vermögen zu qualifizieren.
- b) Kein „geschütztes Vermögen“ bei AGG-Entschädigungen
Das LAG führt aus, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Entschädigungen nach § 15 Abs. 2 AGG als besonders schutzwürdiges Vermögen von der Einkommens- oder Vermögensberücksichtigung auszunehmen seien. Die Zahlungen hätten keinen „unantastbaren“ Charakter, sondern seien wirtschaftlich verwertbar und damit für die PKH-Prüfung relevant.
Missbrauchsabwehr und Lebensführungskonzept
Besonders relevant ist die Feststellung des Gerichts, dass bei einer Vielzahl vergleichbarer Entschädigungsklagen, die erkennbar als regelmäßige Einkommensquelle genutzt werden, ein Lebensstil entstehen kann, der nicht mehr dem Bedarf eines bedürftigen Bürgers entspricht. In solchen Konstellationen sei die Verweigerung der PKH geboten – auch um einem strukturellen Missbrauch staatlicher Prozessfinanzierung entgegenzuwirken.
Ein Anspruchsteller, der systematisch diskriminierende Stellenausschreibungen selektiert, Bewerbungen versendet und bei Ablehnung Entschädigungsklagen einreicht, kann nach Ansicht des Gerichts nicht zugleich auf eine staatliche Finanzierung weiterer Verfahren pochen. Entscheidend sei, dass der Lebensunterhalt zu einem erheblichen Teil aus AGG-Zahlungen bestritten werde.
Das LAG betonte außerdem, dass die Forderung nach Offenlegung aller Entschädigungszuflüsse innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten nicht unverhältnismäßig sei. Nur so könne das Gericht eine fundierte Einschätzung der wirtschaftlichen Verhältnisse vornehmen. Ein solcher Zeitraum sei insbesondere bei unregelmäßigen Einkünften erforderlich.
Die Mitwirkungspflicht nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO erfordere, dass der Antragsteller vollständige und überprüfbare Angaben macht – was hier trotz gerichtlicher Fristsetzung unterblieben war.
Bedeutung für Arbeitgeber und Personalverantwortliche
Arbeitgeber und Unternehmer, die sich mit diskriminierungsrechtlichen Forderungen konfrontiert sehen, gewinnen durch diese Entscheidung an Klarheit: Wiederholte Geltendmachung von AGG-Ansprüchen durch bestimmte Kläger kann als Erwerbsstrategie qualifiziert werden, insbesondere wenn die staatliche Prozesskostenhilfe zugleich beansprucht wird.
Das LAG stärkt mit seinem Beschluss nicht nur die Anforderungen an eine vollständige Darlegung der wirtschaftlichen Lage, sondern betont zugleich den Schutz der Justizressourcen vor missbräuchlicher Inanspruchnahme.
Fazit
Der Beschluss des LAG Düsseldorf unterstreicht die Notwendigkeit, AGG-Entschädigungen bei der Prüfung der PKH zu berücksichtigen – insbesondere bei mehrfacher Inanspruchnahme durch denselben Kläger. Arbeitgeber, die sich mit strategischen Klagen konfrontiert sehen, können daraus wichtige Argumente zur Verteidigung gegen mutmaßlich rechtsmissbräuchliche Geltendmachung ableiten.
Wenn Sie als Arbeitgeber eine rechtliche Bewertung von Diskriminierungsvorwürfen oder Unterstützung im Umgang mit AGG-Klagen benötigen, empfiehlt sich eine frühzeitige anwaltliche Beratung, um Ihre Interessen professionell zu schützen.