Verbrauchereigenschaft eines Geschäftsführers bei Schuldbeitritt
Auch der Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, der die Mithaftung für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft übernimmt, kann als Verbraucher zu behandeln sein. Erforderlich ist aber, dass die Haftungsübernahme auf einem eigenständigen Willensentschluss des Geschäftsführers als Privatperson beruht.
(OLG Stuttgart, Urteil vom 29.04.2025, Az. 6 U 139/24)
Sachverhalt
Der Alleingesellschafter und Geschäftsführer übernahm für ein der Gesellschaft gewährtes Darlehen die Mithaftung als Gesamtschuldner. Gegen seine Inanspruchnahme durch die klagende Darlehensgeberin wandte der beklagte Geschäftsführer u.a. ein, er hätte über sein Widerrufsrecht nach dem Verbraucherkreditrecht belehrt werden müssen, mangels Belehrung sei sein Schuldbeitritt unwirksam und er müsse nicht zahlen.
Entscheidung
Der Beitritt eines Verbrauchers zu den Verbindlichkeiten aus einem Darlehensvertrag ist seinem Wesen nach zwar kein Verbraucherdarlehensvertrag (§ 491 Abs. 1 BGB), weil der Beitretende selbst kein Darlehen erlangt, sondern lediglich die Mithaftung für die Verpflichtung des Darlehensnehmers übernimmt. Er ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einem Verbraucherdarlehensvertrag gleichzustellen, wenn es sich bei dem Vertrag, zu dem der Beitritt erklärt wird, um einen von einem Unternehmer gewährten Darlehensvertrag handelt.
Das OLG führt weiter aus:
Der Beklagte war als Alleingesellschafter wirtschaftlicher Eigentümer der Darlehensnehmerin. Die Klägerin sei in besonderer Weise auf das Vertrauen in den Beklagten und die Gewähr angewiesen, die er persönlich für die Erfüllung des Darlehensvertrages geboten hatte. Folgerichtig war für die Klägerin notwendige Voraussetzung der Kreditvergabe und des Zustandekommens des gesamten Geschäfts, dass der Beklagte aufgrund seiner Stellung als wirtschaftlich Berechtigter eine persönliche Einstandspflicht übernimmt. Auch in der vorliegenden Konstellation ist die Haftungsübernahme deshalb überwiegend dem Gewerbe zuzuordnen, das von dem Beklagten als wirtschaftlichem Eigentümer betrieben wurde, und sie beruht nicht auf einem eigenständigen Willensentschluss des Beklagten als Privatperson. Für diese Einordnung kommt es nicht darauf an, dass der Beklagte kein Garantieversprechen abgegeben hat, denn für die hier maßgebliche wirtschaftliche Betrachtungsweise spielt es keine Rolle, wie die Haftungsübernahme als Kreditsicherheit rechtlich ausgestaltet war. Die rechtlichen Unterschiede zwischen Garantieversprechen und Schuldbeitritt sind lediglich in Bezug auf die entsprechende Anwendbarkeit der §§ 491 ff. BGB von Bedeutung. Ebenso wenig hängt die rechtliche Beurteilung davon ab, ob die Stellung des Beklagten als wirtschaftlichem Eigentümer im Vertragstext besondere Erwähnung findet, wie dies in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (XI ZR 483/21) gegeben war, wo der beklagte Geschäftsführer in den Vorbemerkungen des Garantievertrages als „ultimativer wirtschaftlicher Eigentümer“ bezeichnet wurde. Entscheidend ist vielmehr, dass der Beklagte diese Stellung hatte und der Klägerin dies bekannt war.
Abschließend führt das OLG Stuttgart aus, dass der Schuldbeitritt auch nicht wegen krasser finanzieller Überforderung des Beklagten nichtig (§ 138 Abs. 1 BGB) sei, insbesondere sei es nicht verwerflich, dass die Klägerin die Darlehensvergabe von der Übernahme der persönlichen Haftung des Beklagten abhängig gemacht habe.
Hinweise
Mit Beschluss vom 26.07.2022 (XI ZR 483/21) hatte der BGH entschieden:
Auch der geschäftsführende Alleingesellschafter einer GmbH ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 28. Juni 2000 – VIII ZR 240/99, BGHZ 144, 370) Verbraucher, wenn er im eigenen Namen der Kreditschuld seiner GmbH beitritt (Senatsurteil vom 24. Juli 2007 – XI ZR 208/06, juris Rn. 16). Maßgebend für die Einstufung als Verbraucher sind dabei nicht die Motive, die der Mithaftungsübernahme zugrunde liegen; entscheidend ist vielmehr, ob die Haftung auf einem eigenständigen Willensentschluss des Geschäftsführers als Privatperson beruht.
Der BGH hatte seinerzeit indes ebenfalls einen solchen eigenständigen Willensentschluss nicht gesehen und den Geschäftsführer daher im konkreten Fall nicht als Verbraucher eingestuft.