Betriebsprüfung der Rentenversicherung – sozialrechtlicher Status von Industriekletterern – Nachforderungen rechtswidrig
Praxisrelevante Lehren aus dem Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Urteil vom 2.7.2025, L 16 BA 21/24)
Was war der Streitfall?
Gegenstand des Klageverfahrens war der Bescheid der Rentenversicherung über Nachforderungen in Höhe von 187.188,58 € für die Jahre 2012–2015.
Kernfrage des Falles
Waren die eingesetzten Industriekletterer Selbstständige oder bestand ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis?
zentrale Begründung des Gerichts
Das Gericht prüfte, ob die 40 beurteilten Industriekletterer sozialversicherungsrechtlich als Beschäftigte oder als Selbstständige einzustufen sind. Es wurde eine Selbständigkeit bestätigt.
wichtige Detailpunkte (auszugweise)
betriebliche Vorgaben:
- die Aufträge wurden individuell vergeben
- es gab keine klare Rahmenvorgaben, die eine ständige Eingliederung in den Betriebsablauf der GmbH sichtbar machten
Arbeitsmittel und Eigenverantwortung:
- die Industriekletterer nutzten eigenes Equipment;
- keine Bereitstellung von Betriebsmitteln durch die GmbH;
- eigene Versicherungen der Industriekletterer
Vergütung:
- häufig Pauschalen pro Einsatz
- kein laufender Lohn/Gehaltsanspruch
- Risiken beim Stornieren von Aufträgen
Außendarstellung:
- viele Kletterer agierten eigenständig am Markt
- eigene Werbung/ eigene Auftritte im Internet
Weisungsfreiheit
Was bedeutet das Urteil konkret für Unternehmer?
Eine rein formale Zuordnung als „Selbstständiger“ reicht nicht. Es kommt auf das Gesamtbild der Arbeitsleistung an. Entscheidend sind die konkreten Umständen der Einsätze (Ort, Zeit, Art der Tätigkeit, Weisungsgebundenheit, Eingliederung in Arbeitsorganisation, Unternehmerrisiko).
Praxisempfehlungen für Unternehmer
Prüfen Sie Ihre Vertragsgestaltung. Dokumentieren Sie klar, ob und wie viel Entscheidungsspielraum der Auftragnehmer hat (Ort, Zeit, Art der Ausführung, Abnahme, eigenes Marketing).
Vermeiden Sie eine Status-Umkehr zugunsten eines Arbeitnehmerverhältnisses, indem Sie deutlich machen, dass Auftragnehmer eigenes Equipment, eigenes Marketing und eigenes wirtschaftliches Risiko haben.
Achten Sie auf eine klare Abgrenzung beim Einsatz von Subunternehmern zu den Beschäftigten Ihres Unternehmens.
Fazit des Anwalts für Sozialversicherungsrecht
Für Auftraggeber, die projektgebundene, spezialisierte Dienstleistungen nutzen oder anbieten, liefert das Urteil eine wichtige Orientierung. Die Einordnung von Tätigkeiten hängt vom konkreten Gesamtbild der Zusammenarbeit ab. Eine pauschale Einordnung als Selbstständige reicht nicht. Aber auch eine starre Annahme von Beschäftigung ist nicht zwingend. Der entscheidende Fokus liegt auf der Praxis der Zusammenarbeit – Weisungsabhängigkeit, Eingliederung in Arbeitsabläufe, eigenes unternehmerisches Risiko, und eigenständige Marktauftritte.
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