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Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einem Arbeitnehmer, der in einem privaten Haushalt tätig ist, unterfällt nicht § 622 Abs. 2 BGB!

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einem Arbeitnehmer, der in einem privaten Haushalt tätig ist, unterfällt nicht § 622 Abs. 2 BGB!
Aktuelles
07.09.2020

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einem Arbeitnehmer, der in einem privaten Haushalt tätig ist, unterfällt nicht § 622 Abs. 2 BGB!

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden (BAG, Urt. v. 11.06.2020 – 2 AZR 660/19):

Die verlängerten Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB gelten nicht für Arbeitsverhältnisse, die ausschließlich in einem privaten Haushalt durchzuführen sind.

In den Entscheidungsgründen heißt es weiter:

1. Wortlaut, Systematik und Historie des Gesetzes sprechen dafür, dass solche Arbeitsverhältnisse nicht von § 622 Abs. 2 BGB erfasst sind.

a) Ein privater Haushalt ist kein Unternehmen. Bei einem solchen handelt es sich um eine organisatorische Einheit, mit der ein Unternehmer in einem Betrieb oder mehreren zusammengefassten Betrieben wirtschaftliche oder ideelle Zwecke fortgesetzt verfolgt ( BAG 10. Juli 1996 – 10 AZR 76/96 – zu 1 der Gründe; 30. Juni 1994 – 8 AZR 544/92 – zu C II 1 c aa (1) der Gründe, BAGE 77, 174). Das ist bei einem auf bloße Konsumtion angelegten Privathaushalt nicht der Fall.

b) Ein privater Haushalt unterfällt auch nicht dem allgemeinen Betriebsbegriff (vgl. BAG 19. Januar 1962 – 1 ABR 14/60 – zu II 2 der Gründe, BAGE 12, 184). Dieser erfasst nur organisatorische Einheiten von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe der Arbeitgeber allein oder in Gemeinschaft mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt, der nicht allein in der Befriedigung von Eigenbedarf liegt ( BAG 27. Juni 2019 – 2 AZR 38/19 – Rn. 21; 2. März 2017 – 2 AZR 427/16 – Rn. 15). In letzterem erschöpft sich aber die Führung eines Privathaushalts.

c) Der Einwand, die Befriedigung von Eigenbedarf liege hinter dem arbeitstechnischen Zweck, den als solchen auch ein Privathaushalt erfülle (vgl. Richardi/Maschmann in Richardi BetrVG 16. Aufl. § 1 Rn. 50; Kocher NZA 2013, 929, 931), greift deshalb nicht durch, weil die begriffliche Trennung von Betrieb und Unternehmen nicht bedeutet, dass es sich um entgegengesetzte Organisationen handeln müsste (vgl. Richardi/Maschmann in Richardi BetrVG 16. Aufl. § 1 Rn. 11). Vielmehr ist ein Betrieb stets eine Teilorganisation eines Unternehmens bzw. dessen arbeitstechnisches Spiegelbild, wenn das Unternehmen nur eine Produktions- oder Dienstleistungsstätte hat (vgl. BAG 9. Dezember 1975 – 1 ABR 80/73 – zu III 4 a der Gründe, BAGE 27, 374; 5. März 1974 – 1 ABR 19/73 – zu III 2 b der Gründe, BAGE 26, 36). Das belegt der Blick auf § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b KSchG , wonach bei der Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung auch Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten an einem anderen Arbeitsplatz „in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens“ zu berücksichtigen sind. Danach handelt es sich bei Betrieben um Einheiten, die zur Erfüllung eines Unternehmenszwecks beitragen, der sich nicht in der Befriedung von Eigenbedarf erschöpfen darf. Damit ist die Verwendung des Begriffs „Betrieb“ in § 622 Abs. 2 BGB nicht überflüssig. Durch diesen wurden noch vor der Einführung von § 613a BGB (BGBl. 1972 I S. 13) Fälle des Übergangs eines Betriebs von einem Unternehmen auf ein anderes erfasst. Insoweit kommt dem Zusatz gegenwärtig noch klarstellende Bedeutung zu. Zugleich verdeutlicht die Benennung der Einheiten „Betrieb“ und „Unternehmen“, dass nicht auf die dritte denkbare Einheit „Konzern“ abzustellen ist (vgl. BeckOGK/Klumpp Stand 1. März 2020 BGB § 622 Rn. 45).

d) Die Herausnahme von Arbeitsverhältnissen, die nach ihrem Inhalt nur in einem privaten Haushalt durchzuführen sind, aus dem Anwendungsbereich von § 622 Abs. 2 BGB mangels Zugehörigkeit zu einem Unternehmen steht im Einklang damit, dass ein Arbeitgeber, der einen Arbeitsvertrag allein für seinen Privathaushalt abschließt, nicht als Unternehmer iSv. § 14 Abs. 1 BGB handelt, weil die Führung eines privaten Haushalts keine gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit darstellt (vgl. LAG Düsseldorf 10. Mai 2016 – 14 Sa 82/16 – zu II A 1 der Gründe; LAG Baden-Württemberg 26. Juni 2015 – 8 Sa 5/15 – zu I der Gründe).

e) Hausangestellte in Privathaushalten bzw. im Haushalt beschäftigte Arbeitnehmer sind in § 1 Abs. 2 Satz 1 ArbSchG und § 17 Abs. 1 ASiG ausdrücklich vom Anwendungsbereich dieser Gesetze ausgenommen. Dies bestätigt, dass arbeitsrechtliche Schutzvorschriften bei diesen Arbeitsverhältnissen nach der Vorstellung des Gesetzgebers jedenfalls teilweise unanwendbar sein können (zu den Gründen für die Ausnahme vom öffentlichen Arbeitsschutzrecht vgl. BeckOK ArbSchR/Winkelmüller/Gabriel Stand 1. März 2020 ArbSchG § 1 Rn. 59).

f) Hingegen lässt sich aus dem expliziten Ausschluss vom Geltungsbereich anderer Bestimmungen nicht folgern, Arbeitsverhältnisse, die ausschließlich in einem privaten Haushalt durchzuführen sind, sollten von § 622 Abs. 2 BGB erfasst sein. In der Entstehungsgeschichte der Vorschrift findet sich kein Hinweis auf die Verwendung eines von den allgemeinen Definitionen (Rn. 11 ff.) abweichenden, Privathaushalte nicht ausschließenden Unternehmens- oder Betriebsbegriffs. Der Zusatz „in demselben Betrieb oder Unternehmen“ wurde durch das Gesetz zur Änderung des Kündigungsrechtes und anderer arbeitsrechtlicher Vorschriften (Erstes Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz) vom 14. August 1969 (BGBl. I S. 1106) in § 622 Abs. 2 BGB aufgenommen und die Bestimmung insoweit an § 1 Abs. 1 KSchG angepasst. Nach der seinerzeit ganz herrschenden Auffassung waren private Haushalte mangels Unternehmens- und Betriebseigenschaft schon von der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes 1951 ausgenommen (vgl. die Nachweise bei Steinke RdA 2018, 232, 235). Das Bundesarbeitsgericht hatte im Jahr 1962 in anderem Zusammenhang bestätigt, dass ein Privathaushalt kein Betrieb ist ( BAG 19. Januar 1962 – 1 ABR 14/60 – zu II 2 der Gründe, BAGE 12, 184 zur – fehlenden – Tariffähigkeit eines Verbands zur Vertretung von Hausgehilfinnen). Durch das Gesetz zur Vereinheitlichung der Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten (Kündigungsfristengesetz – KündFG) vom 7. Oktober 1993 (BGBl. I S. 1668) hat der Gesetzgeber den Zusatz „in demselben Betrieb oder Unternehmen“ bloß redaktionell geändert in „in dem Betrieb oder Unternehmen“ und damit an dessen Regelungsinhalt festgehalten (Steinke RdA 2018, 232, 236). Mit dem Gesetz zur Änderung des Mutterschutzrechts vom 20. Dezember 1996 (BGBl. I S. 2110) hat er weibliche Hausangestellte hinsichtlich des mutterschutzrechtlichen Kündigungsschutzes gleichgestellt, in den Materialien aber „die Beschäftigung im Familienhaushalt“ ausdrücklich mit „dem regelmäßigen Arbeitsplatz im Betrieb“ kontrastiert (…).

g) Ein anderes Ergebnis folgt nicht mit Blick auf das ILO-Übereinkommen Nr. 189 über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte (ILO-Übereinkommen Nr. 189). Die Ratifizierung dieses Abkommens in der Bundesrepublik Deutschland hatte keine Änderung der nationalen Gesetzeslage zur Folge (BGBl. 2013 II S. 922). Nach Ansicht der Bundesregierung waren keine Ergänzungen der innerstaatlichen Vorschriften erforderlich (BT-Drs. 17/12951 S. 1). Im ILO-Übereinkommen Nr. 189 ist eine Gleichbehandlung von Hausangestellten im Hinblick auf den formellen, zeitlich begrenzten Kündigungsschutz nicht vorgeschrieben. Nach dessen Art. 10 Abs. 1 sind von den Mitgliedern lediglich Maßnahmen mit dem Ziel zu ergreifen, die Gleichbehandlung von Hausangestellten sicherzustellen in Bezug auf die normale Arbeitszeit, die Überstundenvergütung, die täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten und den bezahlten Jahresurlaub, wobei die besonderen Merkmale der hauswirtschaftlichen Arbeit zu berücksichtigen sind. Nach Art. 7 Buchst. k ILO-Übereinkommen Nr. 189 hat der Arbeitgeber die Hausangestellten über die Bedingungen für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, einschließlich einer vom Hausangestellten oder vom Arbeitgeber „gegebenenfalls“ einzuhaltenden Kündigungsfrist zu informieren.

2. Der Zweck der Kündigungsfristenregelung in § 622 Abs. 2 BGB, länger beschäftigten, typischerweise älteren Arbeitnehmern einen verbesserten temporären Kündigungsschutz zu gewähren und damit ihre Chancen zu erhöhen, möglichst nahtlos ein neues Arbeitsverhältnis mit vergleichbarem Verdienst und vergleichbaren Arbeitsbedingungen zu begründen (vgl. BAG 24. Oktober 2019 – 2 AZR 158/18 – Rn. 45), steht dem Ausschluss von Arbeitsverhältnissen nicht entgegen, die ausschließlich in einem privaten Haushalt durchzuführen sind. Zwar sind die betreffenden Arbeitnehmer insoweit nicht weniger schutzbedürftig (Steinke RdA 2018, 232, 240). Doch handelt es sich bei den durch § 622 Abs. 2 BGB verlängerten Kündigungsfristen um das Ergebnis einer Abwägung mit den gegenläufigen Interessen der Arbeitgeber, die nach einer wirksamen Kündigung noch für eine bestimmte Zeit an das Arbeitsverhältnis gebunden bleiben (vgl. BT-Drs. 12/4902 S. 8). Diese Abwägung kann trotz gleicher Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer für verschiedene Sachverhalte bzw. aufgrund spezifischer Interessen bestimmter Arbeitgeber unterschiedlich ausfallen (…). So zeigen die gesetzliche Höchstfrist des § 113 Satz 2 InsO und die Tariföffnungsklausel in § 622 Abs. 4 BGB, dass § 622 Abs. 2 BGB keine umfassende Geltung beansprucht.3. Die Auslegung von § 622 Abs. 2 BGB , wonach Arbeitsverhältnisse, die nach ihrem Inhalt ausschließlich in einem privaten Haushalt durchzuführen sind, nicht von seinem Anwendungsbereich erfasst werden, ist unter Beachtung des dem Gesetzgeber zur Verfügung stehenden Regelungsspielraums verfassungskonform (aA LAG Baden-Württemberg 26. Juni 2015 – 8 Sa 5/15 – zu I der Gründe). Sie verstößt weder gegen die sich aus Art. 3 GG ergebenden Gleichheitsgebote noch gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Einer diesbezüglichen Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG bedarf es daher nicht.

a) Die Gleichheitssätze des Art. 3 GG werden durch die Nichtanwendung des § 622 Abs. 2 BGB auf Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis ausschließlich in einem privaten Haushalt durchzuführen ist, nicht verletzt.

(…).

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