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Darf der Arbeitgeber die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie auf bestimmte Arbeitnehmer beschränken?

Darf der Arbeitgeber die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie auf bestimmte Arbeitnehmer beschränken?
Frage des Tages
20.09.2023 — zuletzt aktualisiert: 28.11.2023

Darf der Arbeitgeber die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie auf bestimmte Arbeitnehmer beschränken?

Das Arbeitsgericht (ArbG) Paderborn hat sich mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz im Zusammenhang mit der arbeitgeberseitigen Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie befasst (ArbG Paderborn, Urt. v. 06.07.2023 – 1 Ca 54/23).

In den Entscheidungsgründen heißt es:

„Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regelung gleich zu behandeln. Damit verbietet er nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb der Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung (BAG, 31.08.2005, 5 AZR 517/04). Der Gleichbehandlungsgrundsatz findet im Bereich der Vergütung Anwendung, wenn Arbeitsentgelte durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben werden und der Arbeitgeber die Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, wenn er bestimmte Voraussetzungen oder einen bestimmten Zweck festlegt (BAG, 27.07.1988, 5 AZR 244/87).

Dem Arbeitgeber ist es verwehrt, einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von ihnen aus unsachlichen oder sachfremden Gründen von einer Erhöhung der Arbeitsentgelte auszuschließen. Nach dem mit der Gehaltserhöhung verfolgten Zweck ist zu beurteilen, ob der ausgeschlossene Personenkreis zu Recht ausgenommen wird (BAG, 17.05.1978, 5 AZR 132/77). Steht eine Gruppenbildung fest, hat der Arbeitgeber die Gründe für die Differenzierung offen zu legen und so substantiiert darzutun, dass die Beurteilung möglich ist, ob die Gruppenbildung sachlichen Kriterien entspricht. Sind die Unterscheidungsmerkmale nicht ohne weiteres erkennbar, legt der Arbeitgeber seine Differenzierungsgesichtspunkte nicht dar oder ist die unterschiedliche Behandlung nach dem Zweck der Leistung nicht gerechtfertigt, kann die benachteiligte Arbeitnehmergruppe verlangen, nach Maßgabe der begünstigten Arbeitnehmergruppe behandelt zu werden.

Die Beklagte hat die Inflationsausgleichsprämie nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip ausgezahlt. Die Zahlung erfolgte an diejenigen Arbeitnehmer, die auf Sonderzahlungen verzichtet haben. Die Beklagte hat eine Gruppenbildung vorgenommen. Sie hat entschieden, dass diejenigen Arbeitnehmer, die den neuen Arbeitsvertrag nicht unterschrieben haben bzw. nicht auf die Sonderzahlung verzichtet haben, keine Inflationsausgleichsprämie erhalten. Auf diesen Fall findet der Gleichbehandlungsgrundsatz Anwendung. Die Beklagte nimmt eine bestimmte Arbeitnehmergruppe von der gezahlten Inflationsausgleichsprämie aus.

Die Beklagte durfte nach sachlichen Gründen differenzieren, welcher Arbeitnehmergruppe sie einen Inflationsausgleich zukommen lassen will und welcher Arbeitnehmergruppe nicht. Ein Ausgleich der inflationsbedingten Teuerungsrate muss nicht allen Arbeitnehmern gleichmäßig gewährt werden, wenn sachliche Gründe für eine Differenzierung bestehen. Die Beklagte hat mit der Beschränkung der Leistungen einen weitergehenden Zweck verbunden. Es wird dem Vortrag der Beklagten nicht gerecht, die Gleichbehandlung allein nach dem für alle gleichermaßen geltenden Ziel des Inflationsausgleichs zu beurteilen. Vielmehr zeigt die Verteilung der Leistung und die dafür gegebene Begründung, dass es der Beklagten bei der Differenzierung um eine Angleichung der Arbeitsbedingungen ging. Zwar bedankt sie sich auch für den Einsatz der Mitarbeiter. Mit der Bezeichnung als „Inflationsprämie“ und der Zahlung nur an diejenigen Mitarbeiter, die auf eine Sonderzahlung verzichtet haben, wird der Charakter als Ausgleichszahlung aber hinreichend deutlich.

Die Geltung verschiedener Vertragsmodelle ist ein formeller Gesichtspunkt und ersetzt nicht den sachlichen Grund für die Differenzierung. Eine Gruppenbildung ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Unterscheidung einem legitimen Zweck dient und zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich und angemessen ist. Die unterschiedliche Leistungsgewährung muss stets im Sinne materieller Gerechtigkeit sachgerecht sein. Das ist auch bei unterschiedlichen Vergütungssystemen nicht ohne weiteres gewährleistet. Die Beklagte bezweckt mit der Beschränkung der Leistung auf die Arbeitnehmer, die auf die Sonderzahlung verzichtet haben, einen Ausgleich gegenüber den übrigen Arbeitnehmern, die einen Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld haben. Das ist ein sachlicher Grund, der eine Differenzierung rechtfertigt.“

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Autor(en)

Dr. Uwe P. Schlegel
Rechtsanwalt

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